Aus dem Englischen von Ulrike Strerath-Bolz, Penguin/Random House, München 2022, 352 Seiten, 18 €.
Sechs Millionen Menschen werden zu einer Statistik, ein Menschenleben ist ein Schicksal. Mit vier Jahren kam Tova Friedman, heute 85, mit ihrer jüdischen Familie in ein Getto in der Nähe von Łódź. Als Sechsjährige wurde sie 1943 nach Auschwitz deportiert. Sie und ihre Mutter überlebten das Vernichtungslager – u. a. durch einen Formfehler vor der Gaskammer. Davon erzählt sie heute vor Schulklassen, auf TikTok und in diesem Buch. Malcolm Brabant hat die historischen Hintergründe recherchiert.
„Ich habe überlebt. Damit einher geht die Verpflichtung gegenüber den anderthalb Millionen jüdischen Kindern, die ermordet wurden. Sie können nicht mehr sprechen. Also spreche ich für sie.“ Tova Friedman, geboren 1938, lebt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in der polnischen Stadt Tomaszów Mazowiecki. Die 13.000 Juden der Stadt, unter ihnen 5.000 Kinder, wurden mit Beginn der Shoa in einem Getto zusammengepfercht. Nach 1945 sind es gerade einmal etwa 200 Überlebende gewesen, die dorthin zurückgekehrt sind. Nur fünf Kinder aus dem Getto Tomaszów Mazowiecki haben überlebt. Tova ist das Jüngste von ihnen. Sie hat eine Gaskammer von innen gesehen und als Kind erlebt, was es bedeutet, sich zwischen den Toten zu verstecken, um selbst zu überleben. Überlebt hat sie aber auch aufgrund einer unerschütterlichen Hoffnung und einer Liebe, deren Kraft Unvorstellbares leisten konnte.
Im Nachwort ihres Buches bedankt sie sich bei der Tätowiererin in Auschwitz-Birkenau, die ihr die Häftlingsnummer eintätowiert hat. „Sie war eine junge Frau und sehr freundlich, als sie mich tätowierte. Ich hatte also keine Angst. Sie sprach, wie man mit einer Fünfjährigen sprechen sollte, erklärte mir, ich könnte die Nummer ja später mit einer Bluse überdecken.“ Auch die junge Frau wurde später von den Nazis ermordet.
Die Überlebenden werden nicht mehr lange unter uns sein. Deswegen ist es so wichtig, dass es Bücher wie dieses gibt, das auch deswegen so gut geworden ist, weil darin eine gute Zeitrecherche mit den Erinnerungen und Gefühlen eines Kindes erzählt werden.
Dr. med. Helmut Schaaf, Arolsen