Leserbrief zum Interview mit Prof. Dr. med. Elke Jäger „30 Jahre Kampf gegen den Krebs“, HÄBL 01/2023, S. 14
Im Jahr 2007 war auch ich Teilnehmer an der feierlichen Eröffnung des von der Deutschen Krebsgesellschaft geförderten Neubaus der Zehn-Betten-Abteilung Palliativmedizin des Nordwest Krankenhauses in Frankfurt am Main. Zu der Entwicklung der Palliativmedizin möchte ich Folgendes ergänzen:
Das Evangelische Hospital für Palliative Medizin in Frankfurt am Main war 1996 das erste in Hessen, das dritte in Deutschland. Wie war die Entwicklung gewesen?
Seit Beginn meiner Tätigkeit im April 1971 als Chefarzt der Medizinischen Klinik des Bürgerhospitals behandelten und diagnostizierten wir unsere Patienten sowohl naturwissenschaftlich nach der „Schulmedizin“ als auch psychosomatisch. Bei schwerst kranken Patienten mit infauster Prognose und mit starkem Leiden nach Krebsoperationen und/oder Chemotherapie führten wir eine palliativmedizinische Therapie durch, die damals diese Bezeichnung in Deutschland, im Gegensatz zu England, noch gar nicht trug.
1992, gleich nach Beginn meines „Ruhestands“ als Kliniker, begann ich auf Bitten von Pfarrerin Esther Gebhardt, damalige Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, mit Planungen zur Gründung eines evangelischen Hospizes. Wegen der damals fehlenden Kostenübernahmen durch die Krankenkassen war ein Erfolg nicht möglich, aber ich konnte die Zustimmung der Ministerien und Kassen zur Errichtung eines Hospitals für Palliativmedizin erreichen, wenn die Gesamtzahl der Klinikbetten in Frankfurt nicht erhöht werde (sog. Krankenhausbedarfsplanung). Das gelang durch Streichung von 20 Betten im Markus Krankenhaus. Die Evangelische Kirche baute ein neues Gebäude an der Rechneigrabenstraße, in dem das „Evangelische Hospital“ mit 20 Betten nach unseren Angaben errichtet wurde.
Am 30.10.1996 wurde unser Hospital an der Rechneigrabenstraße feierlich eröffnet. Ich hielt die Rede zur Einweihung: „Wie möchte ich einmal sterben?“ und am 05.11.1996 im Ökumenischen Gemeindeseminar der evangelischen Gethsemanekirche und der katholischen Gemeinde St. Bernhard den Vortrag „Der Sterbende ist Auftrag für die Lebenden“. Wir waren 1996 das erste Hospital für Palliativmedizin in Hessen und das dritte in Deutschland, dabei das einzige als selbstständige Klinik und mit 20 Betten.
Die große Anerkennung in der Bevölkerung und Ärzteschaft führte dazu, dass Palliativbetten oder kleine Palliativstationen in zahlreichen Kliniken Deutschlands eingeführt wurden, zumal jetzt die Krankenkassen die üblichen Kosten trugen. Später entstanden auch „Zentren für Palliativmedizin“, wie beispielsweise 2007 im Nordwest Krankenhaus und 2009 im Markuskrankenhaus, wohin unser Evangelisches Hospital verlegt wurde. In der Rechneigrabenstraße wurde der Platz nun frei für ein „Evangelisches Hospiz für Palliativmedizin“, bei dem nun die üblichen Krankenhauskosten durch die Krankenkassen übernommen werden.
Es ist nun 26 Jahre her seit der Gründung unseres Evangelischen Hospitals für Palliative Medizin, die in relativ kurzer Zeit nach der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin im Juli 1994 in Köln erfolgt war. Schon 1983 hatte der chirurgische Ordinarius Prof. Dr. Dr. med. Heinz Pichlmaier, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Köln, an seiner Klinik eine sechs-Betten-Station mit Patienten belegt, die nicht weiter chirurgisch behandelt werden konnten, nun aber palliativ medizinisch betreut wurden – mit finanzieller Unterstützung durch die Dr. Mildred Scheel-Stiftung. Neben Pichlmaier wirkte Prof. Dr. med. Eberhard Klaschik an der Errichtung der ersten Palliativstation am Universitätsklinikum Köln mit, bevor er 1984 Chefarzt am Malteser-Krankenhaus Bonn wurde und dort ebenfalls palliativmedizinische Strukturen aufbaute. Klaschik war 1994 Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Ich gehörte ebenfalls zu den ersten Mitgliedern der Gesellschaft und nahm am ersten Kongress 1996 in Köln und an den drei folgenden teil. Inzwischen steht die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin seit fast 30 Jahren als wissenschaftliche Fachgesellschaft für die interdisziplinäre und multiprofessionelle Vernetzung, beispielsweise mit den wissenschaftlichen wie klinischen Zweigen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, in enger Kooperation.
Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein, Chefarzt der Medizinischen Klinik des Bürgerhospitals Frankfurt am Main 1971 bis 1991, dann führendes Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied des Evangelischen Hospitals für Palliative Medizin Frankfurt, später bis zum heutigen Tag Ehrenvorstand des Fördervereins für das Evangelische Hospiz Frankfurt am Main