Barbara Mühlfeld

Als am 22. März 2020 der erste „Lockdown“ verfügt wurde, hatten Kinder und Jugendliche in der öffentlichen Wahrnehmung allenfalls als potenzielle Überträger der Erkrankung – als „Virenschleudern“ einen Platz. Mit den erschreckenden Bildern aus Bergamo, später auch New York vor Augen, waren auch hierzulande die Befürchtungen nicht nur für die ältere Generation groß. KiTas und Schulen wurden als potenzielle Horte der Multiplikation der Erkrankung angesehen und folglich bis auf einen rudimentären Notbetrieb für Kinder systemrelevanter Personen vollständig geschlossen. (Für die KiTas gab kürzlich sogar der Bundesgesundheitsminister zu, dass diese Maßnahmen infektiologisch nicht gerechtfertigt waren).

Auch Freizeitangebote wie in Sportvereinen, Musikschulen, Jugendeinrichtungen und informellen Freizeittreffs entfielen ersatzlos, zum Teil wurden sogar Spielplätze mit rot-weißen Verbotsfahnen markiert. Von einem Tag auf den anderen waren Kinder und Jugendliche auf das räumliche und soziale Leben in den Familien reduziert – und auch hier entfielen wegen der Ansteckungsgefahr häufig enge Bezugspersonen aus der älteren Generation. So wurde die Kernfamilie in ihrer Wohnung der nahezu ausschließliche Sozialraum.

Insbesondere Schulen und Kindertagesstätten waren auf eine Betreuung ihrer Schülerschaft bzw. ihrer Schützlinge unter diesen Bedingungen nicht vorbereitet. Auch Jugendämter und Einrichtungen der Familienhilfe sahen sich vor große Schwierigkeiten bei der Betreuung ihrer Klientinnen und Klienten gestellt. Arztbesuche wurden seltener, Vorsorgen nicht wahrgenommen oder verschoben.

Eltern mussten sich neben den herausfordernden Bedingungen des Homeschoolings bzw. ganztägiger Betreuung unter Umständen mehrerer Kleinkinder in einer völlig veränderten Arbeitswelt zurechtfinden – Homeoffice, Kurzarbeit, Wegfall des Arbeitsplatzes oder aber auch ein vermehrtes Ansteckungsrisiko am (in diesem Fall nicht selten prekären) Arbeitsplatz und ggf. finanzielle Sorgen prägten den Alltag. Auch die Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger gestaltete sich komplizierter. Überflüssig zu erwähnen, dass sich in kleinen Wohnungen bei geschlossenen Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen die Probleme potenzierten. Die Teilnahme am Homeschooling war meist gebunden an ein internetfähiges Endgerät, das längst nicht in allen Familien zur Verfügung steht oder ggf. nur in Form eines einzelnen Familienhandys vorhanden ist. In beengten Wohnverhältnissen lässt sich kein ruhiger Ort zum Arbeiten finden und die Zweidimensionalität eines elektronischen Devices führt zusätzlich zu rascher Ermüdung.

Erst gegen Ende des ersten Lockdowns gelang es, die Belange der Kinder und Jugendlichen zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zu platzieren. Der Kinderschutzbund, die Kinder- und Jugend-Forschungsinstitute, aber auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) waren hieran maßgeblich beteiligt. Neben sachlicher Information und Nachfragen in der Politik kam es jedoch auch zu Skandalisierungen und Zuschreibungen wie: „Generation Corona“, „Lost Generation“ und vieles mehr, die weder die Situation zutreffend beschreiben noch für die Selbstwahrnehmung der Betroffenen hilfreich sind. [1]

Die Schwierigkeiten des ersten Lockdowns waren im darauffolgenden „Lockdown light“ bzw. dann strikteren zweiten Lockdown im Winter 21/22 kaum behoben, die Lernzeit hierfür offenbar zu kurz. Insgesamt zeigen Befragungen, dass das Gros der Kinder und Jugendlichen die ihnen auferlegten Ein- und Beschränkungen eingesehen und befolgt haben. Nicht immer wurde ihr hohes Informationsbedürfnis jedoch adäquat befriedigt und das vollständige Fehlen einer Mitbestimmungsmöglichkeit wurde von den an partizipative Prozesse gewöhnte und sonst zur Partizipation pädagogisch ermutigten Jugend schmerzlich vermisst. [2]

Die Welt, mit der sich Kinder und Jugendliche nach dem zweitem Lockdown konfrontiert sahen, hatte sich in vielen Bereichen im Vergleich zur Präpandemiezeit 2019 deutlich verändert. Nach den unmittelbaren Sorgen vor Krankheit und Tod vielleicht eines nahen Angehörigen, vor den schulischen Beeinträchtigungen und damit ggf. schlechteren Bedingungen für das eigene Einmünden in die Berufswelt treten nun die sich deutlicher manifestierende und breiter diskutierte Klimakrise sowie der Krieg in der Ukraine mit all seinen Implikationen für die eigene Gesellschaft hinzu.

Diese Rahmenbedingungen prägen den Versorgungsalltag in den pädiatrischen Praxen in allen Belangen. Die „Coronakrise“ hinterlässt wenige neue Erkrankungen. Zu verzeichnen ist jedoch eine zum Teil drastische Zunahme bereits bekannter Entwicklungsstörungen und Erkrankungen. Das häufig bemühte Bild des Brennglases, unter dem Unzulänglichkeiten in unserem Bildungs- und (medizinischen) Versorgungssystem besonders sichtbar werden, trifft hier ganz besonders zu.

Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen und mit niedrigen sozialen Ressourcen, Empfänger von Transferleistungen, Kinder von Alleinerziehenden ohne Netzwerke, Kinder psychisch kranker Eltern und Kinder ohne ausreichende Maitrise der deutschen Sprache sind die Coronaverlierer. Sie sind Spitzenreiter bei nahezu allen Diagnosen, die uns nach der Pandemie in deutlich gestiegenem Umfang beschäftigen. Und es ist sicher keine Übertreibung zu konstatieren, dass unsere Versorgungssysteme hier immer wieder an ihre Grenzen gelangen.

Coronainfektion bei Kindern

Die meisten Coronainfektionen im Kindesalter verlaufen blande, mit milden oder mit moderaten Symptomen. Je nach Virusvariante stehen dabei Symptome der oberen Atemwege wie Halsschmerzen, Rhinitis, trockener Husten und Fieber im Vordergrund. Häufiger als bei Erwachsenen kommt es zu gastrointestinalen Symptomen, Bauchschmerzen, Diarrhoen. Kopf- und Gliederschmerzen, Geruchs- und/oder Geschmacksverlust finden sich ebenfalls.

Schwere Verläufe sind selten, Hospitalisierungen und auch ICU-Behandlungen wegen SARS-CoV-2-Infektionen kamen in allen hessischen Kinderkliniken jedoch phasenweise gehäuft vor. Je nach Virusvariante sind hiervon Kinder unterschiedlichen Alters betroffen, auch Säuglinge. Komplikationen wie PIMS (MIS-C), Myokarditiden, Herzrhythmusstörungen können auftreten. Kinder mit schweren Vorerkrankungen stellen eine besondere Risikogruppe dar.

Post-Covid- oder Long-Covid- Syndrom bei Kindern

Ist das Long-Covid-Syndrom bei Erwachsenen eine bereits seit Oktober 2021 durch die WHO definierte und anerkannte Erkrankung, deren Prävalenz auf bis zu 30 % der mit SARS-CoV-2-Infizierten geschätzt wird, so liegt für Kinder eine vergleichbare, konsentierte Definition bis zum heutigen Tag nicht vor. In zahlreichen Ländern werden diesbezügliche Studienaktivitäten gebündelt. In Deutschland fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF) beispielsweise den Forschungsverbund LongCoCid unter der Koordination der Uniklinik Jena.

Unstrittig ist, dass es einer Anzahl von Kindern und Jugendlichen nicht gelingt, nach einer Covid-Infektion ihre normalen Alltagsaktivitäten inklusive Schulbesuch wiederaufzunehmen – oder nur unter bis dahin ungekannten Schwierigkeiten. Symptome können auch nach Überstehen einer vergleichsweise milden Infektion und mit einer zeitlichen Latenz auftreten. Die Heterogenität der Symptome sowie die schwierige Abgrenzbarkeit von psychischen Erkrankungen und Störungen, deren Ursache/Trigger unter anderem in den erheblichen Einschränkungen durch die Pandemie-Maßnahmen liegen, erschweren die Definition des Krankheitsbildes. Hinzu kommt eine deutlich kleinere Anzahl Betroffener im Vergleich zur Erwachsenenpopulation und die Schwierigkeit, angesichts der mittlerweile weit verbreiteten Infektion valide Kontrollgruppen zu bilden.

Zu den Symptomen bei Kindern für Long-Covid siehe Kasten.

Symptome für Long Covid bei Kindern

Die beklagten Symptome ähneln denen der an Long Covid erkrankten Erwachsenen. Dort werden zur Diagnosestellung Persistenz von mindestens drei Monaten gefordert:

  • Chronische Fatigue,
  • mangelnde Belastbarkeit → erhöhtes Schlafbedürfnis nach vergleichsweise geringen körperlichen oder mentalen Anstrengungen,
  • Atemstörungen → mangelnde körperliche Fitness, auch bei zuvor betriebenem Leistungssport
  • Muskelschwäche, Gliederschmerzen
  • Tachykardien, thorakale Drucksensationen,
  • Schwindel,
  • chronische Kopfschmerzen,
  • Schlaf- und Konzentrationsstörungen, „Brain Fog“
  • Bauchschmerzen, Übelkeit

Auch wenn ein Teil dieser Symptomatik Anzeichen oder Folgen einer psychischen Erkrankung sein können, so sollte eine dem Einzelfall angepasste medizinisch/somatische Diagnostik selbstverständlich sein. Eltern und Kinder, vor allem auch Jugendliche, sind in der Regel höchst besorgt und nicht selten schon mit Hinweis auf eine hohe Spontanheilungsrate auch noch nach sechs Monaten abgewiesen worden. Eine gründliche Ganzkörperuntersuchung, RR-Messung, EKG (ggf. Echokardiografie), O2-Messung und je nach Beschwerdebild auch orientierende Lungenfunktionsprüfung vor und nach Belastung sowie Labor (inklusive EBV-Serologie und ggf. Herzenzyme) gehören zur basalen Diagnostik. Findet sich kein somatisches Korrelat, sollte möglichst zeitnah eine psychologische und/oder kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik angestrebt werden (siehe unten).

Gleichzeitig ist es wichtig, die Betroffenen zur Wahrnehmung aller ihnen möglichen Aktivitäten zu ermutigen. Hierzu gehören vor allem der (unter Umständen zeitlich begrenzte) regelmäßige Schulbesuch, ein strukturierter Tagesablauf sowie die Wahrnehmung sozialer Kontakte. Bildschirmzeiten bzw. Mediengebrauch sollten auf ein altersentsprechendes Maß begrenzt sein, moderate körperliche Aktivität im Rahmen der Belastungsgrenzen angeregt werden.

Leider gibt es in der pädiatrischen Landschaft Hessens keine Stelle, an der Forschung und Behandlung der Somatik von Long Covid bei Kindern gebündelt wären, auch eine systematische Auswertung von Befunden und Verläufen im Rahmen eines Netzwerkes steht (noch?) nicht zur Verfügung. Vor dem Hintergrund potenzieller Spätwirkungen und Komplikationen zahlreicher anderer Virusinfektionen wäre eine solche Versorgungsforschung für eine adäquate Betreuung der Betroffenen mehr als nur ein Desiderat!

Psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit oder als Folge der Pandemie

Verschiedene Studien sowie Veröffentlichung der Diagnosezahlen von Krankenkassen untermauern den Eindruck von Pädiatern, Eltern und Lehrern einer hohen psycho-sozialen Last, die ein Teil der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Pandemie-Maßnahmen zu tragen hatten und sehr häufig auch noch tragen [3, 4, 5]. Bei weitem nicht alle Kinder und Jugendlichen sind hiervon betroffen. Die Frage, wie gut ein Kind die Pandemie bewältigen konnte, hängt entscheidend von familiären und persönlichen Ressourcen ab [3]. Es wundert daher nicht, wenn sich der schon vor der Pandemie in Deutschland festzustellende, beschämend große „Bildungs-Gap“ zwischen Kindern und Jugendlichen aus ökonomisch stabilen, bildungsaffinen Elternhäusern und denen ohne vergleichbare Ressourcen nach der Pandemie noch einmal deutlich vergrößert hat.

Angststörungen stehen dabei als häufigste psychische Störung im Kindesalter im Vordergrund, Kinder- und Jugendpsychiater sprechen vom Hochrisikoalter für die Erstmanifestation. Gelingt es Kindern nicht, physiologische Ängste zu überwinden, so hat dies meist psychische, aber auch kognitive und soziale Folgen. Ängste weisen einen hohen Grad an Chronifizierung auf, weswegen eine Früherkennung hier besonders wichtig erscheint.

Häufig werden kindliche Ängste übersehen oder fehlinterpretiert – die mit ihnen einhergehenden Verhaltensweisen wie Hemmungen, Vermeidung von Blickkontakt, Kopf- oder Bauchschmerzen, vermehrte Fehlzeiten, Konzentrationsstörungen, besonders aber auch Gereiztheit, Aufsässigkeit, oder „Großmäuligkeit“ anderen Gründen zugeordnet. Sozialer Rückzug kann aktive Ausgrenzung auslösen und zu Mobbing führen, das dann als primärer Auslöser für die Schwierigkeiten des Kindes gesehen wird. Für ängstliche Kinder ist die Wiederaufnahme des Schulbesuches nicht selten eine hohe Hürde (Kennen die mich noch? Mögen die mich noch? Werden sie mit mir spielen?). Eine gereizte Stimmung kann Konflikte auslösen, die wiederum zu Ausgrenzungen führen können. Hemmungen können als mangelnde Motivation, Leistungsprobleme als mangelnde kognitive Fähigkeiten fehlgedeutet werden.

Sensibles Nachfragen und Wissen um die Risikogruppen können hier hilfreich sein und zur frühzeitigen Überweisung mit Diagnosestellung und damit entscheidender Weichenstellung beitragen. Nicht hilfreich sind hier längerfristige Krankschreibungen! Diese führen zu einer Verstärkung der sozialen Isolation und weiteren Erhöhung der Angstschwelle. Schulabsentismus und Chronifizierung, mit im Laufe der Zeit immer ungünstigerer Prognose, sind die Folgen. Dies gilt auch für die im Folgenden erwähnten Erkrankungen. Hier sollte die weitere Diagnostik und Therapie betrieben, nicht das Symptom unterstützt werden.

Weiterhin finden sich Zunahmen bei Depressionen und depressiven Verstimmungen, hier mit einer deutlichen Mädchenwendigkeit. Als psychiatrisches Krankheitsbild gerade erst mit einer ICD10-Ziffer belegt wurde der exzessive Gebrauch von Medien/Computerspielen, nicht selten gepaart und/oder gefolgt von Schulabsentismus, der verstärkt Jungen und männliche Jugendliche betrifft.

Essstörungen haben deutlich zugenommen, bis hin zu foudroyant verlaufenden Anorexien. Hier sind vorwiegend weibliche Jugendliche, häufig aus sozial ressourcenreichen Familien betroffen.

War die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung schon vor der Pandemie mit zuweilen langen Wartezeiten, zu wenigen Plätzen für Psychotherapie und wenig niedrigschwelligen, auf die Risikogruppen zugeschnittenen Angeboten mitunter schwierig, so stießen die Versorgungskapazitäten während der und unmittelbar nach den Lockdowns vollends an ihre Grenzen. Es scheint der Versorgungsstau ein wenig abzunehmen, aber insbesondere für die oft besonders herausfordernde Behandlung von Essstörungen sind die Kapazitäten noch knapp. Dies nutzen Anbieter von Online-Therapien, die jedoch auf die Kooperation von hausärztlich tätigen Pädiatern und/oder Allgemeinmedizinern angewiesen sind. Vor solchen settings muss gewarnt werden [6]. Positiv ist das Angebot vieler Reha-Einrichtungen, gezielte Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit leichter ausgeprägten Störungen durchzuführen. Die Beantragung erfolgt über die Rentenversicherung [7].

Risikofaktoren für psychische Erkrankungen

Zu den Hauptrisikogruppen für psychische Erkrankungen/Störungen zählen:

  • bereits vor der Pandemie bestehende, psychische Erkrankungen der Eltern und/oder Kinder
  • Kinder Alleinerziehender
  • Armut
  • Kinder aus sozial benachteiligten Familien, Empfänger von Transferleistungen
  • Mangelnde Maitrise der deutschen Sprache in der Herkunftsfamilie
  • Gewalterfahrungen in der Familie
  • Behinderungen

Adipositas und extreme Adipositas

Mit einer gewissen Jungenwendigkeit gehört die zum Teil groteske Gewichtszunahme (in Einzelfällen bis zu zehn oder 20 kg in weniger als sechs Monaten) zu den eindrücklichsten Resultaten einer Kombination aus Bewegungsarmut und vermehrter Aufnahme wenig hochwertiger, kohlenhydrat- und fettreicher Kost während der Lockdowns. Die Diagnose Adipositas wurde 2021 zu 75 % häufiger gestellt als im Vergleichszeitraum 2019 [4, 5]. Im Wesentlichen gelten hier wieder die oben genannten Risikofaktoren. Die langfristigen Komorbiditäten und Folgeerkrankungen sind hinlänglich bekannt. Problematisch ist, dass niedrigschwellige Angebote zur Gewichtsreduktion mit Bewegungsförderung unter Einbezug der Eltern und mit ausreichend langer Begleitzeit fehlen. Eine ein- oder mehrmalige Ernährungsberatung und die allgemeine Empfehlung der Bewegungssteigerung sind in der Regel wirkungslos. Eine bessere Prognose ergibt sich aus der Kombination einer initialen Intensivschulung (z. B. im Rahmen einer Reha-Maßnahme) mit im Verlauf dann interdisziplinärer, hochfrequenter Weiterbetreuung unter Einbezug der Eltern. Die zusätzliche Unterstützung durch das weitere soziale Umfeld (Schule, Vereine, Verwandtschaft) hat sich ebenfalls als hochwirksam erwiesen. Es liegt auf der Hand, dass diese Rahmenbedingungen leider selten gegeben sind. Eine Folgebehandlung mit Gesprächsinterventionen und Gewichtskontrollen in haus- oder kinder- und jugendärztlichen Praxen zeigte in einer Metaanalyse entsprechender Studien keine Evidenz bezüglich einer verstetigten Gewichtskorrektur [8]. Das entspricht auch den von Pädiatern im Rahmen von Qualitätszirkelsitzungen berichteten Erfahrungen. Verlaufskontrollen sind jedoch präventiv in angemessenen Abständen zur allfälligen Diagnose eines sich entwickelnden metabolischen Syndroms zu empfehlen.

Entwicklungsverzögerungen

Eine medial weniger beachtete, aber besonders vulnerable Gruppe stellen die Vorschulkinder dar. Ihre Situation ist gekennzeichnet durch „Entwicklungsfenster“ – sensible Phasen mit besonders hoher neuronaler Plastizität als ideale Voraussetzung zum Erlernen basaler Fähigkeiten wie Sprache, fein- und grobmotorische Koordination. Der Begriff „social gating“ drückt aus, dass in dieser Phase digitales Lernen nicht erfolgreich ist, sondern die Kinder auf die emotionale Verfügbarkeit und Zugewandtheit der Bezugspersonen angewiesen sind. Diese war aufgrund der eingangs benannten Rahmenbedingungen trotz zum Teil hoher physischer Präsenz der Eltern oft nicht gegeben, Lernerfahrungen sind zudem an die Anwesenheit von Gleichaltrigen gekoppelt, die während der Pandemie entfiel. Wir wissen heute, dass auch außerhalb der vorgegebenen Entwicklungsfenster Aneignung der entsprechenden Fähigkeiten möglich ist, wenn auch mit deutlich höherem Aufwand und Einbußen in der Qualität. Auf die Bedingungen der Pandemie haben Kleinkinder nicht selten mit regressivem Verhalten reagiert. Dies ist, bei entsprechender Förderung durch die Eltern, meist reversibel und hat eine gute Prognose. Anders ist es, wenn wichtige Entwicklungsschritte und -aufgaben nicht wahrgenommen werden konnten. Bei den Vorsorgen werden diese Defizite sichtbar. Hier wären dringend gute Konzepte zum Aufhollernen erforderlich und vor allem gut ausgebildetes KiTa-Personal in einem angemessenen Personalschlüssel. Wir alle wissen, dass nicht nur hinsichtlich letzterem meist das Gegenteil zutrifft. Umso eindeutiger und lauter sollten hier unsere politischen Forderungen sein – im Sinne der „advocacy“ für wichtige Teile der kommenden Generation. Das Fachkräfteangebot von morgen entscheidet sich in den KiTas und Grundschulen von heute.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

  • Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen insbesondere aus Risikogruppen ist durch die SARS-CoV-2-Pandemie stark geprägt.
  • Versorgende Praxen sind auf ein gut funktionierendes, interdisziplinäres Netzwerk unter Einschluss der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie, Frühförderung, aber auch pädiatrische Kardiologen, Pneumologen und Ambulanzen der Kinderkliniken angewiesen.
  • Kinder und Jugendliche benötigen Wertschätzung und Empathie. Sie wollen gebraucht und gefordert werden. Reduktion von Anforderungen verhindern das Erleben von Selbstwirksamkeit und den Stolz auf neu Erlerntes.
  • Die Prognose hinsichtlich psychischer Störungen und Erkrankungen hängt in den meisten Fällen entscheidend von der frühzeitigen Diagnosestellung und gezielter Hilfe ab.
  • Auch für initial leichtere Fälle sollte die Indikation für eine Reha-Maßnahme geprüft werden.
  • Dringend zu fordern sind Forschungs- und Therapiezentren für Long-Covid-­Patientinnen und -Patienten, insbesondere auch Kinder und Jugendliche!

Barbara Mühlfeld, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Kontakt: muehlfeld.b@t-online.de

Literatur bei der Verfasserin.