Stellungnahme des Vorsitzenden des Landeselternbeirats von Hessen

„Die psychische Belastung ist immens“, sagt der Vorsitzende des Landeselternbeirats von Hessen Volkmar Heitmann zu den Folgen der Pandemie für Schülerinnen, Schüler und deren Eltern. Er beschreibt im folgenden Artikel die aktuelle Situation aus seiner Sicht.

Die Folgen der Pandemie sind überall deutlich spürbar. Viele Kinder und ihre Eltern leiden unter den Langzeitfolgen. Wie hoch das Ausmaß dieser Folgen letztlich sein wird, ist noch nicht einmal ansatzweise bekannt. Die Kapazität der Long Covid-Ambulanzen ist schon lange weit überschritten.

Aber auch für die Kinder und Jugendlichen, die körperlich halbwegs gut durch die Pandemie gekommen sind, waren die psychischen Belastungen immens und sind bisher kaum bewältigt. Unterstützung für die Kinder, Jugendlichen und deren Eltern gibt es viel zu wenig. Auch in den Hochphasen der Pandemie, in den großen Infektions- und Erkrankungswellen, fühlten sich Kinder und Eltern häufig allein gelassen – und schlecht informiert: Es gab keinen Mangel an sendungsbewussten und meinungsstarken Ärzt:innen, die zu jeder Weltsicht die passenden Erklärungen und Ratschläge parat hatten. Eingeordnet wurde das viel zu selten. Der wissenschaftliche Konsens war höchstens zu erahnen. Inzwischen findet ein Überbietungswettbewerb in der Diskreditierung der „Corona“-Maßnahmen statt.

Von vielen Seiten wird das Fehlen von Evidenz betont, die allerdings sonst in der täglichen Praxis der Medizin einen viel niedrigeren Stellenwert hat. Für zukünftige Pandemien lässt das befürchten, dass dann viel zu spät gehandelt wird. Eine Vorahnung bietet der gerade zu Ende gehende Winter: Alle Infektionsschutzmaßnahmen wurden abgeschafft, der Unterrichtsausfall aber ist mindestens so hoch wie in den Vorjahren. Die psychischen Belastungen nehmen nicht ab, sondern sogar weiter zu. Als Eltern würden wir uns daher in folgenden Punkten eine Unterstützung durch die Ärzt:innen wünschen:

  1. Einrichtung eines Runden Tisches mit Kinder- und Jugendärzt:innen, Virolog:innen, Epidemiolog:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, politisch Verantwortlichen etc. und natürlich mit Eltern und Schüler:innen, um die „Corona“-Zeit aufzuarbeiten, Lehren zu ziehen und um für zukünftige Epi- und Pandemien besser gewappnet zu sein.
  2. Kinder haben ein Recht auf eine gesunde Lernumgebung. Die Prävention sollte stärker als bisher in den Mittelpunkt gerückt werden: Dazu zählen Maßnahmen für gesunde Klassenräume, z. B. die Installation von Lüftungsanlagen (mit Wärmerückgewinnung), Luftwärme- und -feuchtigkeitsregulation, Begrenzung der Anzahl der Schüler:innen pro Raum, gesunde Ernährung, ausreichend Sport und Bewegung. Förderung der psychosozialen Gesundheit, z. B. Resilienz und Selbstwirksamkeitswahrnehmung, sowie nicht zuletzt ausreichend Unterstützungsangebote durch Gesundheitsfachkräfte, Schulsozialarbeit und Kinder- und Jugendpsychologie.
  3. Kinder haben ein Recht auf Bildung. Das sollte auch unter Epi- und Pandemiebedingungen gelten und nicht hinter vermeintlich wichtigeren wirtschaftlichen Interessen zurückstehen. Wir müssen leistungsfähige Konzepte für Präsenz-, Hybrid- und Distanz- unterricht entwickeln und erproben – jeweils altersgerecht und unter Berücksichtigung der verschiedenen sozialen Gegebenheiten. Die Bildungsgerechtigkeit darf nicht immer weiter abnehmen. Das Problem ist ja auch aus der Medizin gut bekannt: Auch die Gesundheit hängt stark von den sozialen Lebensbedingungen der Menschen ab.

Volkmar Heitmann, Vorsitzender Landeselternbeirat von Hessen, Abraham-Lincoln-Straße 38–42, 65189 Wiesbaden, E-Mail: geschaeftsstelle@leb.hessen.de

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