Blessing Verlag, 3. Auflage, München 2021, 487 Seiten, 24,00€, ISBN: 9783896676795
Ungetragene Kleidungsstücke und nichts zum Anziehen, Fahrten mit dem zwei Tonnen Geländewagen zum Bäcker zwei Straßen weiter: Vieles, was uns materiellen Wohlstand in den vergangenen hundert Jahren gebracht hat, macht uns oft weder glücklicher noch ist es gut für Umwelt und Klima. Doch was für viele Menschen heute unhinterfragter Alltag ist, war nicht immer so. Die deutsche Historikerin Annette Kehnel zeigt in ihrem Sachbuch „Wir konnten auch anders“, dass früher vieles nachhaltiger war. Auch unser Blick auf die Vergangenheit sei oft falsch. Auf das Mittelalter würden viele Leute entweder romantisierend oder mitleidig und gruselnd zurückschauen. Dabei seien dies oft nur Projektionen aus der Gegenwart. So hatten zwar die Menschen weniger materiellen Wohlstand, dafür aber mehr Zeit. Ein Modell, das in seinen Grundzügen durch den Wunsch nach mehr Teilzeitarbeit auch heute immer beliebter wird. Nachhaltigkeit sei in der Vormoderne Überlebenstaktik gewesen.
Heute versuche die Menschheit, die Probleme der Zukunft mit Konzepten aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu lösen, so die These der Autorin. Deshalb fordere sie, dass das Wissen aus der Geschichte als Ressource für die Gestaltung der Zukunft genutzt werde. Dabei müssen nur fast schon verlernte Kulturtechniken wie Teilen, Tauschen und Reparieren wieder in das Zentrum gestellt werden und die Wegwerfgesellschaft der Vergangenheit angehören. Das Buch wurde als Sachbuch des Jahres 2021 vom NDR ausgezeichnet.
Lukas Reus