Hessische Abgeordnete ziehen ihr Fazit zur Hauptversammlung der BÄK in Essen

Strittige Themen, die Rede von Minister Lauterbach und viele Anträge, über die diskutiert und abgestimmt wurde: Die hessischen Abgeordneten berichten von ihren Eindrücken des 127. Deutschen Ärztetages und ziehen ein Fazit der Tagung. Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle, stellenweise gekürzte Auswahl.

1. Wie bewerten Sie die Rede von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach? Wurde der Minister bei den Vorhaben der Bundesregierung (u. a. Vorschläge für eine Neuorganisation der Krankenhausplanung und -vergütung, Reform der Akut- und Notfallversorgung, die angekündigten Versorgungsgesetze I und II sowie die Umsetzung einer Digitalstrategie) konkret genug?

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Dr. med. Michael Weidenfeld: Gute Rede, Die Themen präzise angesprochen. Stellung bezogen. Ihren Beitrag für die Gesunderhaltung der Bevölkerung kann und sollte auch die Bildungspolitik leisten. Hier ist eine ärztliche Kompetenz gefordert.

Michael Andor: Schwach. Er wirkte unsicher, verlor den roten Faden und wiederholte sich oft. Sein Lamentieren über „die Kinder, die in der Pandemie so viel gegeben haben“ klang wie Hohn. Der strombedingte Ausfall der Mikrofone gerade beim Thema „Telemedizin“ war auch kein gutes Omen. Die Einführung der DRG-Systematik vor circa 20 Jahren trug seine Handschrift, er war Aufsichtsratsmitglied im Rhön-Klinikum AG; seine aktuellen Reformideen und er selbst sind für mich nicht mehr glaubwürdig.

Dirk Paulukat: Die Rede war nichtssagend, rückwärtsgewandt und hat alle wichtigen und aktuellen Themen ausgelassen.

Dr. med. Dipl.-Chem. Paul Otto Nowak: Es war die schlechteste Rede, die ich je von Karl Lauterbach gehört habe. Er wirkte sehr fahrig und orientierungslos, was möglicherweise durch seine Japanreise, von der er gerade zurückkam, mitverursacht wurde. Statt konkreter Zukunftslösungen zu liefern, zählte er alle Probleme auf, die bereits seit zehn Jahren auch ihm bekannt waren. Er verteidigte seine derzeitige Reformpolitik energisch und betonte, dass er schließlich zehn Jahre verpasster Chancen aufzuholen habe.

Monika Buchalik: Karl Lauterbach war zur Teilnahme am 127. DÄT 2023 von Japan aus angereist und wirkte sichtlich ermüdet. Er versprach der Deutschen Ärzteschaft 5.000 mehr Studienplätze. Er befürwortete für die Medizinstudenten während des PJ, einen Pflichtteil im niedergelassenen Bereich absolvieren zu müssen. Er forderte mehr Menschlichkeit. Eine Konkretisierung der angekündigten Versorgungsgesetze I und II erfolgte im Einzelnen leider nicht.

Pierre E. Frevert: Insgesamt war die Rede von Lauterbach weniger schlüssig als 2022. Allerdings konnte er auch Fehler einräumen, was sein Vorgänger Spahn nicht konnte. Dass er die Investoren geleiteten MVZ entschieden ablehnt, ist positiv hervorzuheben. Bei vielen Themen wie dem Klimawandel und Gesundheit, Lieferengpassgesetz, Digitalisierung u. a. blieb er recht unkonkret. Dass er die GOÄ nicht erwähnte, die Herrn Reinhardt sehr am Herzen liegt, hat für Unmut gesorgt. Besser hätte ich es gefunden, dass er stattdessen die Bürgerversicherung trotz erwartbaren Widerstands offensiv erklärt und verteidigt hätte, denn für dieses Vorhaben gibt es sowohl sozialpolitische als auch ökonomische gute Argumente.

Dipl.-Psych. Frank Seibert-Alves BMedSci: Eine begeisternde, mitreißende Rede hört sich anders an. Selbst inhaltlich gute Anteile gingen unter. Es war allerdings auch nicht einfach, nach Reinhardts Rede eine adäquate Antwort zu finden. Lauterbach versuchte dies dann auch erst gar nicht und ignorierte seinen Vorredner fast völlig.

Dr. med. Wolf Andreas Fach: Einleitend klare Positionen des Gastgebers Kollege Henke (ÄKNR) und Minister Laumann, NRW, sowie des Präsidenten der BÄK, Kollegen Reinhardt. Minister Lauterbach schwadronierte inhaltsleer über Nebensächlichkeiten. Keine einzige der drängenden Fragen des Gesundheitswesens wurde von ihm adressiert. Die ambulante Fachärzteschaft muss um ihren Bestand fürchten.

Dr. med. H. Christian Piper: „Wir werden alles in Bewegung setzen, um die Probleme zu lösen“ war ein Schlüsselsatz des Bundesministers, der sichtlich erschöpft vom G7-Treffen in Japan eingeflogen kam. Zuvor hatte er die „seit über zehn Jahren“ aufgelaufenen Versäumnisse der Vorgängerregierungen benannt, die er nun anpacken würde. Konkret zu Terminen und Inhalten wurde er nicht, aber die wissenschaftliche Bearbeitung der gesundheitspolitischen Themen sei ihm „sehr wichtig“. Auf die heftige GOÄ-Schelte ging er gar nicht ein.

Dr. med. Edgar Pinkowski: Das war eine absolut unterirdische, im Prinzip nichtssagende Rede ohne wirkliche Zusammenhänge, obwohl Lauterbach von zwei roten Fäden in seiner Politik sprach, die allerdings niemand erkennen konnte. Auch ist er auf keinen der Punkte in Reinhardts Rede eingegangen.

Anne Kandler: Lauterbach hat viele verschiedene Projekte angedeutet. Auf jeden Fall muss er jetzt liefern. Mir reicht nicht, dass er sagt, er sei im Benehmen mit Praktikern. Ich wünsche mir, dass die Ärzteschaft mit einer entscheidenden Stimme eingebunden wird. Wir dürfen uns von der Politik nicht auseinanderdividieren lassen.

2. Welche Erwartungen haben Sie an die weitere Zusammenarbeit von Ärzteschaft und Bundesgesundheitsminister?

Andor: Dass er zurücktritt und Neubeginn mit einem anderen.

Nowak: Rechtzeitige und regelmäßige Einbindung der Ärzteschaft bei allen Gesetzesänderungen/Entscheidungen, die Ärztinnen und Ärzte betreffen. Keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern mehr gemeinsame Gespräche im Vorfeld.

Buchalik: Ich habe Hoffnung, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Bundesministerium bessert, weil unser Bundesminister Karl Lauterbach ausdrücklich zur Zusammenarbeit eingeladen hat. Meine Erwartungen dabei sind, dass man auf Augenhöhe zusammenarbeitet und faire Zeiten angeboten werden, innerhalb derer die BÄK ihre erarbeiteten Stellungnahmen dem Ministerium vorlegen kann.

Dr. med. Susan Trittmacher: In dem Maße, wie die BRD ihre Bedeutung als Wirtschaftsstandort verliert, stehen immer weniger Gewinne aus der Produktivwirtschaft für soziale Aufgaben des Staates zur Verfügung. Ich konnte keine politische Vision erkennen, wie Herr Minister Lauterbach diese Bias auflösen möchte. Die Frage nach den politischen Rahmenbedingungen, um das Dilemma zwischen Ethik und „Monetik“ anzugehen, blieb unbeantwortet. Alle zur Diskussion stehenden Reformvorhaben, die eine angemessene Gesundheitsversorgung und Pflege zum Inhalt haben, bedürfen einer soliden Mittelausstattung. Das gelingt natürlich nur, wenn sich alle Akteure einig sind, dass ein funktionstüchtiges Gesundheitswesen eine wesentliche Säule unseres Staates und ein Wert an sich darstellt.

Svenja Krück: Der Grad der Zusammenarbeit ist aktuell erschreckend niedrig. Grund dafür ist die mangelnde Bereitschaft des Bundesministeriums für Gesundheit, ärztliche Expertise in Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen. Dass diese Vorgehensweise nur zum Scheitern von Gesetzen in der praktischen Umsetzung führen kann, steht außer Frage. Dies zu ändern, ist der erste und wichtigste Schritt.

Kandler: Ich finde es nicht gut, wenn man das Tischtuch zerreißt, um im Rahmen eigener Interessen besser dazustehen. Ich halte viel von Diplomatie statt von Schlagzeilen. Man sollte die Tür nicht zuschlagen, sondern konstruktiv sein. So wie ich Susanne Johna in der vergangenen Legislaturperiode im Vorstand der Bundesärztekammer erlebt habe, ist mir nicht bange um die Zusammenarbeit, da sie jetzt als Vizepräsidentin an entscheidender Stelle ihren bereits konstruktiv mit der Politik begonnenen Dialog fortsetzen kann.

Dr. med. Barbara Jaeger: Mit dieser Rede sinkt meine Erwartung, ich bin enttäuscht, dass er als Kollege sich nicht mehr für unsere Belange einsetzen wird.

Dr. med. Hansjoachim Stürmer: Ich erwarte schwierige Zeiten bei den wenig realitätsbezogenen und fraglichkonstruktiven Lösungen aus dem Olymp des Gesundheitsministeriums.

3. Wie beurteilen Sie die Rede von Bundesärztekammerpräsident Dr. med. Klaus Reinhardt? Hat er darin die wichtigsten Themen angesprochen und die Politik dort wo notwendig in die Verantwortung genommen – z. B. Lobbyismusvorwurf und Stellenwert der ärztlichen Selbstverwaltung?

Weidenfeld: Der Arztberuf ist ein freier Beruf. Die Ärztekammern sind als Körperschaften öffentlichen Rechts für die Einhaltung des Berufsrechts zuständig und übernehmen wichtige Aufgaben im staatlichen Auftrag. Der ärztlichen Selbstverwaltung ist der Gemeinwohlbezug immanent. Also sind wir keine Lobbyorganisationen!

Andor: Seine Themensetzung war exzellent: Lobbyismus versus Weitergabe von Erfahrungswissen, Notlösungen zunehmend als Normalfall in der Gesetzgebung sei billig aber nicht Recht; das Verlangen nach Partizipation vor jeglicher Reform; die Problematik um die MVZ und Verschleppung der GOÄ ...

Nowak: Herr Dr. Reinhardt hat eine hervorragende Rede gehalten, für die er lang anhaltende Standing Ovations bekam. Er sprach alle relevanten Themen sowohl aus Klinik und Praxis an und wies Lauterbachs Lobbyismus-Vorwürfe vehement zurück, weil die Ärztinnen und Ärzte ihr wertvolles Erfahrungswissen in die Arbeit des Ministeriums einbringen wollen. Die Vorwürfe Reinhardts an den Gesundheitsminister waren ungewohnt deutlich, durchaus bereits als Hinweis auf die bevorstehende Wahl der Präsidentin/des Präsidenten zu sehen.

Piper: Eine kämpferisch formulierte und durchaus stilsicher vorgetragene Rede. Überwiegend im Inhalt viele markante Fehlervorwürfe an die Politik. Gewünscht hätte man sich mehr: selbstgetriggerte und konkrete Ansätze aus dem Können und Wissen der Ärzteschaft, Benennen wichtiger Meilensteine für die nähere Zukunft, dafür Marken in die Öffentlichkeit und die Politik einschlagen. Nachtragen und Beklagen des Scheiterns – von welcher Seite auch immer – ist zu kurz gesprungen. 

Pinkowski: Es war eine ganz herausragend Rede – nicht umsonst hat Reinhardt Standing Ovations erhalten. Aus meiner Sicht hat er Herrn Lauterbach regelrecht seziert und unmissverständlich klargestellt, dass die verfasste Ärzteschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Lobbyistenorganisation ist.

Jaeger: Herr Reinhardt hat eine gute Rede gehalten, Stellung bezogen (für die ärztliche Selbstverwaltung, gegen die Kommerzialisierung im Gesundheitssektor), wo es nötig war, und den Verdacht des Lobbyismus ausgeräumt.

4. Welches Fazit ziehen Sie nach der vierjährigen Präsidentschaft von Dr. Reinhardt?

Buchalik: Das Fazit nach vierjähriger Präsidentschaft konnte nicht eindeutiger sein. Es war der minutenlange Beifall, der als Standing Ovations erstmalig einem Bundesärztekammerpräsidenten nach seiner Rede auf dem DÄT zu Teil wurde. Dieser Beifall ließ bereits erahnen, dass die Deutsche Ärzteschaft ihn erneut in das höchste Amt der Bundesärztekammer wählen wird.

Seibert-Alves: Für mich hätten vier Jahre völlig gereicht.

Krück: Dr. Reinhardt hat sein Amt bisher zum Großteil kompetent ausgeführt. Besondere Erfolge, insbesondere die von ihm seit Jahren forcierte Novelle der GOÄ, sind jedoch nicht zu verzeichnen. Sicherlich spielt der Zusammenfall seiner Amtszeit mit der Coronapandemie eine Rolle. Ob er sich zudem mit seinem blamablen Auftritt in der Talkshow Markus Lanz im Jahr 2020, in der er sich in Stammtischmanier wider alle Evidenz gegen das Tragen von Masken zur Corona-Infektionsprävention ausgesprochen hatte, als Ansprechpartner für die Politik disqualifizierte und es ihm daher an Effizienz im Amt fehlte, kann nur spekuliert werden.

Stürmer: Er war bemüht, neben Bewältigung der Covid-19-Pandemie auch die anderen Felder ärztlicher Tätigkeit weiterzubearbeiten.

5. Welche Themen und Beschlüsse des Deutschen Ärztetages waren für Sie von besonderer Relevanz (Förderung der Gesundheitskompetenz bei Kindern und Jugendlichen, Umsetzung der Reform des Medizinstudiums,…)? Welche Folgen können die Beschlüsse aus Ihrer Sicht für Hessen haben?

Paulukat: Fast alle wichtigen Themen wurden nicht ausreichend behandelt und am Freitagnachmittag en bloc an den Vorstand verwiesen – für Abgeordnete war das extrem unbefriedigend; Beschlüsse folgen also in den nächsten Monaten – der Vorstand der BÄK wird beschließen, was er für richtig hält – die Abgeordneten sind raus ...

Frevert: Sehr relevant fand ich die Themen wie Förderung der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen, besonders die Forderung, das Gesundheitswissen in Schulen zu fördern. Die Beschlüsse zum Klimawandel und die Debatte um das Personalbemessungsgesetz waren sehr kontrovers, aber engagiert.

Die Freiberuflichkeit wurde engagiert diskutiert, wenn ich auch die gesamtgesellschaftliche Gesundheitsfürsorge gegenüber der rein betriebswirtschaftlichen Perspektive vermisst habe.

Piper: Die Auswahl fällt angesichts der ausufernden Flut von Anträgen und Themen schwer. Zentral sind: die finanzielle und strukturelle Sektorentrennung zwischen ambulant und stationär aufheben, vorab in der Notfallversorgung. Für alle Bürger transparente Wegleitungen und optimierte Behandlungsqualitäten. Finanzielle und materielle Ressourcenschonung, mehr Klimaschutz und global health Strategie. Kein Klein-Klein und Rechthaberei mit stets anwachsendem bürokratischem Überbau.

Fach: Sehr erfreuliche Einheit der deutschen Ärzteschaft bei den Themen Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen, Reform des Medizinstudiums, Klimaschutz und IT in der Medizin. Zügige Straffung und Evaluation der Weiterbildung bei Erhalt der Selbstverantwortung von Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung und den zur Weiterbildung Befugten.

Pinkowski: Das absolute Highlight war der Impulsvortrag von Peter Müller, Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, zur Freiberuflichkeit und Verantwortung mit dem Kernsatz „Die eigene Freiheit endet an der Freiheit der anderen“. Fast alle Beschlüsse, die der Deutsche Ärztetag getroffen hat, werden Auswirkungen auf Hessen haben können.

Jaeger: Ich bin froh, dass mit dem Thema Förderung der Gesundheitskompetenz bei Kindern und Jugendlichen erneut diejenigen in den Fokus kommen, die während der Pandemie hinten runter gefallen sind. Eine Umsetzung der Reform des Medizinstudiums steht dringend an, ebenso die Einrichtung von mehr Studienplätzen, damit wir nicht sehenden Auges in die katastrophale Unterversorgung geraten. Gefreut habe ich mich über den Beschluss, die psychosomatische Grundversorgung in die Weiterbildung zur Fachärztin für Kinder und Jugendmedizin aufzunehmen.

6. Wurde das Schwerpunktthema „Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ auf dem DÄT zu Ihrer Zufriedenheit behandelt?

Weidenfeld: Ja. Sehr engagiert, gute Inhalte. Wichtigste Aussage für mich: Ärztinnen und Ärzte üben unabhängig von Stellung und Ort der ärztlichen Tätigkeit einen freien Beruf aus. Diese Freiberuflichkeit ergibt sich aus dem Selbstverständnis der ärztlichen Profession. Grundlegend dafür sind das ärztliche Berufsethos, die Gemeinwohlorientierung der ärztlichen Tätigkeit und die spezifisch ärztliche Fachkompetenz, aus denen sich die Therapiefreiheit und Weisungsunabhängigkeit bei ärztlichen Entscheidungen ableiten. Ärztinnen und Ärzte richten ihr ärztliches Handeln am Wohl der Patientinnen und Patienten aus, unabhängig von kommerziellen Erwartungshaltungen Dritter.

Andor: Nein. Das Problem bleibt: Wir behandeln unsere Patienten individuell nach anerkanntem Stand der Wissenschaft und haften für das Behandlungsergebnis persönlich und unbegrenzt (nach Straf- und Zivilrecht), während die Mittel, die wir von der Gesellschaft für die Behandlung zur Verfügung gestellt bekommen, nach dem Sozialrecht begrenzt sind (SGB V).

Paulukat: Leider nicht, weil die Aussprache zum Thema viel zu kurz war und sehr viele Anträge weder diskutiert noch abgestimmt werden konnten.

Seibert-Alves: Insbesondere die Rede von Peter Müller, Richter des Zweiten Senats am Bundesverfassungsgericht, zu diesem Thema war brillant. Ich habe Mitarbeiter der BÄK gebeten, die Rede für alle Interessenten zur Verfügung zu stellen.

Fach: Eine gute Patientenversorgung gelingt nur bei Freiheit des ärztlichen Berufs mit gleichzeitiger Übernahme der Verantwortung gegenüber den Patienten. Die vielfältigen Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit durch inhaltliche und finanzielle Vorgaben in Kliniken und im ambulanten Bereich wurden ausführlich benannt, diskutiert und abgelehnt.

Stürmer: Trotz intensiver Behandlung bleibt dies ein endloses Dauerthema, das stets im Fokus unserer standespolitischen Bemühungen stehen wird. Die Ausführungen hierzu von Bundesverfassungsrichter Peter Müller waren insofern beachtenswert, dass er für die BÄK einen permanenten Sitz im Sachverständigenrat Gesundheit des deutschen Bundestages fordert.

7. Wie empfanden Sie den Sachstandsbericht und die Diskussionen zum Thema „Klimawandel und Gesundheit“?

Paulukat: Überbewertetes Thema, überbewertete Darstellung durch den Referenten – das ganze Thema sollte nicht unser Hauptanliegen sein, wenn wir schon den TOP „Ärztliche Berufsausübung“ etc. nicht ausreichend diskutieren konnten.

Frevert: Überschaubar und überzeugend. Dass die Diskussion über meine beiden Anträge zu „Klimawirkungsanalysen für die Ärztlichen Versorgungswerke (Va-16)“ und „Keine Investitionen der Versorgungswerke in die Erschließung und Produktion fossiler Energien (Va-18)“ sehr heftig diskutiert wurden, bevor der erstere angenommen und der zweite leider an den Vorstand überwiesen wurde, hat, ermutigt mich, am Thema dranzubleiben. Denn im Gegensatz zu unserer Ärztekammer, in welcher ich ähnlich lautende Anträge schon früher eingebracht habe und diese oft ohne ausreichende Aussprache in der Delegiertenversammlung direkt an das Präsidium überwiesen wurden, war die Diskussion auf dem Ärztetag zu diesem Thema zwar fraktionsübergreifend kontrovers, aber auch lebendiger. Die Abgeordneten waren motiviert, sich als Souverän an der Debatte über die konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz in den Ärztlichen Versorgungswerken zu beteiligen, auch wenn es durchaus heftigen Widerstand gab.

Krück: Der Sachstandsbericht war durchaus informativ, offenbarte jedoch, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt mehr Arbeitsaufträge als Lösungen haben. Als sehr positiv muss hervorgehoben werden, dass die Expertise der Abgeordneten deutlich steigt, was sich auch an der Zahl und Qualität konkreter Anträge zeigt. Dass einige davon aus Hessen stammen, freut mich besonders.

Trittmacher: Klima und Gesundheit sind neben Demografie und Digitalisierung die Megatrends, deren vielschichtige Facetten uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen werden. Mit allen Aspekten des Themas „Klima und Gesundheit“ werden wir Ärzte und Ärztinnen uns beschäftigen müssen, denn das Thema hat Einfluss auf alle Lebensbereiche: Neben den unmittelbar krankheitsbezogenen Auswirkungen gehören Fragen wie „Wie wollen wir wohnen? Wie organisieren wir Leben in den Städten und auf dem Land in Extremwetterlagen? Wie bauen wir Krankenhäuser?“ u. v. a. m. Wir stehen erst am Anfang eines langen Wegs, aber wir Ärzte und Ärztinnen werden uns dieser Aufgabe stellen.

Fach: Die Ärzteschaft hat die Gefahren des Klimawandels begriffen und beteiligt sich allgemein aber auch „vor der eigenen Haustüre“ mit notwendigen Umsetzungen.

Pinkowski: Der Bericht war prägnant und hat insbesondere das von der Bundesärztekammer in ihrem direkten Umfeld Erreichte in den Mittelpunkt gestellt. Auch insgesamt ist sich die Ärzteschaft ihrer Verantwortung bei der Behandlung von Patienten in Zeiten des Klimawandels viel stärker bewusst. In Hessen zum Beispiel hat die Landesärztekammer maßgeblich am Hitzeschutzplan des Landes Hessen mitgewirkt.

Kandler: Es ist gut, dass wir uns langsam auf den Weg gemacht haben: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.

8. Hat der Ausgang der Präsidentschaftswahl Ihrer Vorstellung entsprochen?

Weidenfeld: Ich finde beide Kandidaten sehr gut. Das Wahlergebnis hat gezeigt, dass beide Kandidaten das Vertrauen der Delegierten haben. Somit ist es schön, dass Präsident und Vizepräsidentin jetzt die Möglichkeit haben, das Vertrauen der Ärzteschaft in einer gemeinsamen konstruktiven Arbeit umzusetzen. Die versprochene Gemeinsamkeit möchte ich sehen.

Andor: Kurz und bündig: Ja.

Nowak: Nach Teilnahme an über 30 Ärztetagen war für mich die Wiederwahl von Herrn Reinhardt keine Überraschung. R siegte vor vier Jahren in Münster auch mit drei Stimmen Vorsprung gegen die MB-Kandidatin Dr. Wenker. Die Positionen der beiden Vizepräsidentinnen wurden auch diesmal einvernehmlich mit einer Fachärztin (Frau Lundershausen) und einer Krankenhausärztin (Frau Johna) besetzt. Frau Johna konnte mit 206 Stimmen das beste Ergebnis des Ärztetages erreichen und ist für mich die eigentliche Siegerin des DÄT.

Piper: Sehr, sehr knapper Sieg trotz klassischem Amtsinhabersbonus. Erstmals eine handlungsaktive Präsidentin der Ärzteschaft zu wählen, stünde Ärztinnen und Ärzten in nächster Zukunft sehr gut zu Gesicht.

Frevert: Ich hatte ein Obsiegen des populären Präsidenten erwartet, war dann doch über das knappe Ergebnis gegenüber dem Abschneiden seiner Konkurrentin, Frau Dr. Johna, erstaunt. Vielleicht lag es auch daran, dass Frau Johna mit ihrer klaren und überzeugenden Bewerbungsrede fast die Hälfte der Abgeordneten überzeugt hat.

Seibert-Alves: Nein.

Krück: Dass sich Dr. Reinhardt gegen die hervorragend qualifizierte Kollegin Dr. Johna durchsetzen konnte, ist verwunderlich. Sicherlich wäre es ein guter Zeitpunkt, Maßnahmen zu evaluieren, damit die Zusammensetzung der Wahlberechtigten des Deutschen Ärztetages die Zusammensetzung der Ärzteschaft zukünftig besser widerspiegelt.

Stürmer: Erfreulich ist die weiterhin gute hessische Präsenz im Präsidium der Bundesärztekammer mit Dr. Pinkowski und Frau Dr. Johna jetzt als Vizepräsidentin.

Jaeger: Leider hat Frau Johna ganz knapp verloren. Aus meiner Sicht hat ihre Rede eher für ihre Vorhaben gesprochen, wie sie die BÄK in Zukunft führen möchte. Es wäre aus meiner Sicht auch an der Zeit, endlich eine Frau an der Spitze der BÄK zu haben.

9. Welche Erwartungen haben Sie an den wieder gewählten Präsidenten der Bundesärztekammer?

Paulukat: Er muss ab sofort lauter, frecher und kompromissloser gegenüber der Politik auftreten.

Piper: Der wiedergewählte Präsident hat starke Teamplayer im Vorstand neben sich. Wer darin tragende Impulse setzt, die Ärzteschaft konkret, inhaltlich und strategisch deutlich weiterzubringen, wird man sehen. 

Seibert-Alves: Starke Einbeziehung der neuen Vizepräsidentin.

Pinkowski: Ich erwarte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Vizepräsidentinnen und natürlich auch mit dem gesamten Vorstand der Bundesärztekammer, denn es liegen weiter große Aufgaben vor uns.

Kandler: An Reinhardt habe ich keine weiteren Erwartungen. Ich zähle auf die Zusammenarbeit des gesamten Vorstandes in unterschiedlichen Ausschüssen und Themenbereichen, wie zum Beispiel Gesundheitsbildung und Klimaschutz.

Jaeger: Ich erwarte, dass er sich für die Klimapolitik, Geschlechtergerechtigkeit und die die neue GOÄ einsetzt.

10. Wie lautet Ihr Fazit des 127. Deutschen Ärztetages?

Weidenfeld: Ich bin sehr zufrieden. Die vereinte Ärzteschaft hat sich dafür eingesetzt, in vielen Bereichen wie Gesundheitsvorsorge, Klimawandel, Verantwortung für uns Ärzte*innen und unsere Patienten und die Gesellschaft, Gesundheitsbildung, digitale Anwendungen, KI, Krankenhausreform und vielem mehr mitreden zu wollen. Aber das nicht erst, wenn sie gefragt wird, sondern auch selbst Initiative zu den Themen zu ergreifen.

Frevert: Letztendlich bin ich frustriert aus Essen abgefahren, denn angesichts der eintägigen Vorstandswahlen hätte es eines Zusatztages bedurft, um die wichtigen und sehr unterschiedlichen Anträge parlamentarisch zu diskutieren, anstatt sie en bloc an den Vorstand zu überweisen. Trotz alledem bin ich froh, in Essen dabei gewesen zu sein. Dass während der laufenden Debatte ein Antrag vom Kammerkollegen Christof Stork und mir zum Schutz der Kinder vor gesundheitsschädlichen Nahrungs- und Genussmittel durch ein entsprechendes Werbeverbot nicht nur angenommen, sondern wenige Stunden später eine Schlagzeile in der Ärztezeitung wert war, hat mich darin bestätigt, dass die ehrenamtliche Arbeit in der Ärztekammer mühsam, aber am Ende doch sinnvoll ist.

Krück: Es war ein denkwürdiger Ärztetag mit vielen guten Ideen, aber einem Mangel an Mut zu echten Innovationen.

Piper: Spannend vor allem durch die Wahlen. Auch hier muss Digitalisierung her, um die gestalterische Kraft eines Deutschen Ärztetages nicht in langwierigen Regularien zu verbrennen.

Katja Möhrle, Lukas Reus