Ihnen allen wünsche ich ein gutes neues Jahr mit Freude, positiven beruflichen Erlebnissen und natürlich genügend Zeit für Familie und Erholung, denn auch das neue Jahr wird uns einmal mehr vor große Herausforderungen stellen.
Eine dieser Herausforderungen ist der Mangel an Medizinischen Fachangestellten (MFA) in Arztpraxen. Ohne Medizinische Fachangestellte kann jedoch kaum eine Arztpraxis ordentlich funktionieren.
Wie ist es eigentlich um den Beruf der MFA bestellt? An Attraktivität mangelt es dieser Berufsausbildung jedenfalls nicht, denn sie steht inzwischen erstmals an der Spitze der bei jungen Frauen beliebten Ausbildungsberufe in Deutschland und verdrängte damit die Kauffrau für Büromanagement auf den zweiten Platz. Junge Männer interessieren sich übrigens unverändert kaum für den MFA-Beruf. Dann ist doch eigentlich alles im Lot, könnte man nun meinen. Aber nein, das ist leider ganz und gar nicht der Fall, denn schon jetzt suchen viele Arztpraxen verzweifelt nach diesen Fachkräften. Dabei gehen die geburtenstärksten Jahrgänge erst in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Doch das Problem beginnt schon viel früher. Viele Medizinische Fachangestellte kehren nach dem Erziehungsurlaub nicht oder nur in Teilzeit zurück, so dass ein erheblicher Anteil gar nicht bis zur Rente arbeitet. Nach Angaben des Virchowbundes beschäftigen die rund 100.000 Arztpraxen etwa 430.000 Medizinische Fachangestellte, davon knapp die Hälfte in Teilzeit, und vier von fünf Praxen berichten über Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen.
Natürlich betrifft der Fachkräftemangel nicht nur Arztpraxen. Doch hier herrschen durch die Begrenzung der Budgets erschwerte Bedingungen. Für die dringend notwendigen Gehaltssteigerungen verweigern die gesetzlichen Krankenkassen die notwendige Erhöhung der Regelbudgets (Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung) und leisten der Abwanderung aus diesem Beruf damit Vorschub.
Viele MFA werden zudem von Krankenhäusern abgeworben, an denen zunächst höhere Gehälter winken, allerdings kaum Aufstiegsmöglichkeiten. Im niedergelassenen Bereich hingegen sind Qualifizierungs- oder Aufstiegsfortbildungen möglich.
Auch dürfen die hohen Ausbildungszahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass längst nicht jede Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wird. Leider gibt es hohe Abbruchquoten, sei es, weil der Alltag in einer Praxis anerkanntermaßen oftmals stressig und anstrengend ist, sei es, weil Prüfungen nicht bestanden werden.
Die Landesärztekammer Hessen ist nach dem Berufsbildungsgesetz die zuständige Stelle für den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf Medizinische Fachangestellte/Medizinischer Fachangestellter und überwacht in dieser Funktion die ordnungsgemäße Durchführung der Ausbildung, berät in Ausbildungsfragen und führt Prüfungen durch. Nach dem Rekordjahr 2021 verzeichnen wir in 2022 einen leichten Rückgang bei den neu abgeschlossenen Berufsausbildungsverträgen, liegen aber dennoch über dem Vorcoronajahr 2019. Die Carl-Oelemann-Schule (COS) der Landesärztekammer Hessen ergänzt und unterstützt die Ausbildung mit der überbetrieblichen Ausbildung. In jedem Lehrjahr verbringen die Auszubildenden eine Woche in der COS und erhalten dort fachtheoretische und fachpraktische Unterweisungen. In der COS werden auch vielfältige Qualifizierungs- und Aufstiegsfortbildungen angeboten.
In Hessen sind für Auszubildende mit Migrationshintergrund, bei Geburtsort außerhalb Deutschlands und nicht-deutscher Staatsangehörigkeit Nachweise über eine B2-Zertifikatsprüfung Deutsch gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen vorzulegen, denn ohne ausreichende Sprachkenntnisse kann weder die Ausbildung qualifiziert erfolgen noch kann der Patientensicherheit genügend Rechnung getragen werden.
In einer Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung gab fast die Hälfte der ausbildenden Praxen an, dass es vielen Auszubildenden an Grundlagenkenntnissen, aber auch an Sozialkompetenz und Belastbarkeit mangele. Leider kann ich das aus eigener Erfahrung bestätigen. Deshalb begrüße ich, dass das für die Erarbeitung von Ausbildungsplänen zuständige Bundesinstitut für Berufsbildung übereinstimmend mit den Sachverständigen der Bundesärztekammer, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Verband medizinischer Fachberufe zu dem Ergebnis kam, die Ausbildung zu novellieren, um sie an die heutigen Herausforderungen anzupassen. Die Landesärztekammer Hessen wird sich aktiv in diesen Prozess einbringen.
Gefragt sind auch unverändert die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, denen ich ausdrücklich für das bisherige Engagement bei der Ausbildung danke und gleichzeitig um dessen Fortführung bitte.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident