Als Interessenvertretung der rund 135 hessischen Kliniken übernimmt die Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG) umfassende Aufgaben in der Gesundheitspolitik und -versorgung. Dabei spielt die Patientensicherheit stets eine sehr wichtige Rolle. Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Steffen Gramminger, dem geschäftsführenden Direktor der HKG und Christina Grün, der Leiterin des Geschäftsbereichs Medizin und Qualität.

Was hat die HKG mit Patientensicherheit zu tun?

Prof. Dr. med. Steffen Gramminger: Die HKG ist stark in die Mitgestaltung und Weiterentwicklung der hessischen Krankenhaus- und Gesundheitsversorgung involviert, bei der die Patientensicherheit ein wesentlicher Leitgedanke ist.

Daneben unterstützt die HKG die Kliniken ganz konkret bei der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben, wie z. B. dem Patientenrechtegesetz, mit dem die Patientensicherheit weiter gestärkt wurde. Aber auch beispielsweise durch das Arzneimittel- und Medizinprodukte- oder das Infektionsschutzgesetz wurden umfassende Regelungen für die Patientensicherheit getroffen, die es gilt, in der täglichen Behandlungsroutine umzusetzen. Weiterhin berät die HKG die Kliniken im direkten Dialog, bietet Seminare an und vertritt ihre Mitgliedskrankenhäuser in Gremien und Institutionen wie dem Landesbeirat für Patientensicherheit und mehr.

Welche Ziele hat die HKG in Bezug auf Patientensicherheit?

Christina Grün: Die Patientensicherheit hat vielfältige Aspekte und Ziele. Eines herauszugreifen würde der Wichtigkeit der verschiedenen Themen nicht gerecht. Zusammenfassend geht es um die Bündelung vielfältiger Aktivitäten, Initiativen und Projekte zur stetigen Weiterentwicklung und Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Dabei muss eine Kommunikationskultur geschaffen werden, die es ermöglicht, über Fehler- oder Schadensereignisse zu sprechen, um ohne Angst vor Sanktionen daraus lernen zu können.

Seit wann ist Patientensicherheit für die HKG ein Thema?

Gramminger: Patientensicherheit ist in den hessischen Krankenhäusern und der HKG schon immer ein maßgebliches Thema. Bereits mit dem Aufbau der Geschäftsstelle Qualitätssicherung (GQH) im Jahr 1995, damals als Teil der HKG, wurde ein Meilenstein gesetzt. Weitere markante Jahreszahlen sind sicherlich 2013, in dem mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten ein Schwerpunkt auf die Patientensicherheit gelegt wurde. Und auch 2014 mit der Gründung der Initiative Patientensicherheit und Qualität in Hessen gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) sowie 2019 mit dem Erlass der Patientensicherheitsverordnung [1] in Hessen.

Was war das erste „Patientensicherheitsprojekt“ der HKG?

Gramminger: Patientensicherheit ist ein wesentlicher Teilbereich in der Medizin. Ziel einer jeden Behandlung ist es, den Gesundheitszustand eines Menschen zu verbessern, ohne Fehler oder Schäden zu verursachen. Dieses Bemühen zeigt sich in vielfältigen Initiativen unter Beteiligung der HKG wie z. B. in eindeutigen Patientenidentifikationen, in Maßnahmen zur Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit oder Verfahren wie der Tupferkontrolle. Nicht zu vergessen sind aber auch Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (MMK), die seit vielen Jahren in den Kliniken etabliert sind. Entscheidend mitgewirkt hat die HKG insbesondere bei der Entwicklung und Umsetzung des MRE-Projektes (multiresistente Erreger) der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH) [2].

Wie hat sich der Blickwinkel auf Patientensicherheit aus Sicht der HKG im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verändert?

Gramminger: Patientensicherheit bedeutet für uns nicht nur das Aufdecken von Fehlern und Schäden, sondern das Fördern einer Kommunikationskultur, um künftige Schadensereignisse zu vermeiden. Das heißt aus Fehlern zu lernen und best-practice-Ansätze zu teilen. Dabei bietet die Digitalisierung eine gute Chance, hier noch ein großes Stück voranzukommen. Auch die Pandemie hat den Blick auf die Patientensicherheit nochmals geschärft und ihre Wichtigkeit herausgestellt: Kurzfristig mussten in den Kliniken alle notwendigen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen getroffen werden, um Patienten vor einer Covid-19-Ansteckung zu schützen.

Welche aktuellen Veränderungen gibt es in der HKG in Bezug auf Patientensicherheit und Qualität?

Grün: Mit Herrn Dr. med. Udo Wolffs Eintritt in den Ruhestand, der im HKG-Referat Medizin und Qualität über viele Jahre allein tätig war, hat es in der HKG eine Umstrukturierung und personelle Aufstockung gegeben. Wir erhoffen uns damit, die hessischen Kliniken bei den Themen Medizin, Medizincontrolling, Pflege und Qualität, die alle einen Bezug zur Patientensicherheit haben, noch besser unterstützen zu können. Dies geschieht auch im Hinblick auf die zunehmenden gesetzlichen Vorgaben im Bereich Qualität und die damit verbundenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Welche konkreten Patientensicherheitsbemühungen gibt es in der HKG?

Grün: Es gibt zahlreiche Initiativen, so zum Beispiel die Initiative Patientensicherheit und Qualität Hessen gemeinsam mit dem HMSI [3] oder die Teilnahme an Initiativen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V., wie z. B. die Aktion Saubere Hände [4]. Eine weitere wichtige Initiative ist die Fachtagung Patientensicherheit und Qualität, die sich seit 2014 zu einem festen Bestandteil im Jahresablauf der HKG entwickelt hat [5]. Neben allgemeingültigen Vorgaben und Regelungen stellen hier hessische Kliniken eigene Aktionen und Projekte vor und ermöglichen so anderen Krankenhäusern Einblicke und ein Lernen voneinander. Dabei ist der Austausch ein wesentliches Element und Kern der Tagung. Die Unterstützung der Fachtagung durch das HMSI unterstreicht die Bedeutung dieser Veranstaltung.

Mit welchen Institutionen kooperiert die HKG zur Verbesserung der Patientensicherheit in Hessen?

Grün: Die HKG arbeitet mit allen Akteuren des Gesundheitswesens im Bereich der Patientensicherheit kooperativ und partnerschaftlich zusammen.

Das schließt in Hessen das HMSI, den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Sozialleistungsträger aber auch den ambulanten Sektor mit der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KVH, KZVH) sowie die Landesärztekammer ein.

Wie wird Patientensicherheit in den hessischen Krankenhäusern umgesetzt?

Gramminger: Jede Klinik muss ein patientenorientiertes Beschwerdemanagement vorhalten. Außerdem wird die Teilnahme an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen forciert. Es sind außerdem jährlich Qualitätsberichte zu erstellen. Nach der hessischen Patientensicherheitsverordnung [1] ist pro Klinik mindestens ein Patientensicherheitsbeauftragter einzusetzen. Im Rahmen dieser Verordnung wird 2022 von jedem Krankenhaus erstmals ein spezieller Bericht zur Patientensicherheit erstellt. Die Ergebnisse werden im Landesbeirat Patientensicherheit vorgestellt und diskutiert.

Dies sind nur einige Instrumente, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben in Kliniken etabliert sind. Sie werden ergänzt durch viele freiwillige Projekte und Aktionen. Darüber hinaus haben sich alle Maßnahmen bewährt, die in die Routine übergegangen sind und die dazu beitragen, Fehler und Schadensereignisse zu vermeiden. So sind Patientenbändchen, präoperatives Team-Timeout oder postoperative Zählkontrolle aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken.

Was ist dabei die Aufgabe der HKG?

Grün: Die HKG arbeitet einerseits übergreifend und moderierend. Sie nimmt aber auch einen aktiven Part ein, z. B. bei der Weiterentwicklung der Patientensicherheit auf Landesebene, ganz konkret bei der Entwicklung von Fachkonzepten im Rahmen der Krankenhausplanung.

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es?

Gramminger: Zuletzt wurden das Hessische Geriatriekonzept [6] überarbeitet und aktualisiert und die LAGQH völlig neu strukturiert und als selbstständige Institution aufgebaut. Im Landesbeirat Patientensicherheit wurde aktuell ein Berichtsformat für den jährlichen Patientensicherheitsbericht beraten und beschlossen – um nur einige zu nennen.

In welchen landesweiten Patientensicherheits-Projekten ist die HKG beteiligt?

Grün: In Hessen gibt es spezielle Landesprojekte im Rahmen der Qualitätssicherung, die mit Unterstützung der HKG etabliert werden konnten. Zu nennen sind hier das Landesverfahren Schlaganfall und das MRE-Projekt (multiresistente Erreger) [7]. Das Besondere an diesen Projekten ist, dass sie nicht nur auf mögliche Qualitätsdefizite hinweisen, sondern den Kliniken z. B. durch Peer-Review-Verfahren auf Augenhöhe konkrete Hilfestellung geben. So können diese Defizite durch ein vierteljährliches Monitoring auch zeitnah behoben werden. D. h. konkrete Probleme können schnell durch Gespräche und Zielvereinbarungen gelöst werden – zum Wohle der Patienten.

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Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Patientensicherheit in Hessen und in Bezug auf die HKG?

Grün: Patientensicherheit und Qualität haben in jüngerer Zeit zunehmend eine Aufwertung erfahren. Wir wünschen uns, dass sich dieser Trend fortsetzt, die Patientensicherheit zunehmend an strategischem Wert gewinnt und dies durch die Digitalisierung und vernetzte Strukturen gestärkt wird.

Gramminger: Ganz oben auf unserem Wunschzettel steht allerdings, dass es bei Patientensicherheit und Qualität tatsächlich um unsere Patientinnen und Patienten geht und nicht um einen kalten Strukturwandel und dass das Thema nicht zum Erreichen von ökonomischen Zielen missbraucht wird.

Interview: Katrin Israel-Laubinger, Silke Nahlinger, Nina Walter

Die Literaturhinweise finden Sie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels.

Instrumente von Qualitäts- und Risikomanagement in hessischen Krankenhäusern

Patientensicherheitsverordnung (PaSV) [1]: Bundesweit einmalige Verordnung. Sie regelt die Bestellung von Patientensicherheitsbeauftragten in Kliniken und die Bildung eines Landesbeirates für Patientensicherheit, der sich mit allen Fragen rund um Patientensicherheit beschäftigt.

Patientensicherheitsbericht

Jährlicher Bericht der Kliniken an das hessische Ministerium für Soziales und Integration auf Basis der PaSV.

CIRS – Critical Incident Reporting System [8]

Berichtssystem zur anonymisierten Meldung von kritischen Ereignissen.

MMK – Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen

Regelmäßige strukturierte Besprechung zur Aufarbeitung besonderer Behandlungsverläufe und Todesfälle.

Arzneimittelsicherheit

Fortwährende und systematische Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln.

Prof. Dr. med. Steffen Gramminger ist seit Februar 2020 geschäftsführender Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft, wo er ab September 2018 als Geschäftsführer mit Schwerpunkt, Medizin, Qualität und Finanzierung tätig war. Nach seiner Assistenzarztzeit in der Chirurgie arbeitete er ab 2000 am Ev. Krankenhaus in Bad Dürkheim als Medizincontroller, wurde 2011 zum Verwaltungsdirektor berufen und übernahm 2012 als Bereichsleiter Krankenhaus die Gesamtverantwortung für beide Krankenhäuser des Landesvereins für Innere Mission. 2014 übernahm er als Ärztlicher Geschäftsführer zusammen mit dem Kaufmännischen Geschäftsführer die Leitung des Klinikum Darmstadt. 2007 schloss er den Masterstudiengang Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen an der Technischen Universität Kaiserslautern ab, ist Gründungsmitglied und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e. V. und hat seit 2012 die Professur für Medizincontrolling an der MSH Medical School Hamburg inne.

Christina Grün ist seit Februar 2022 Geschäftsbereichsleiterin Medizin und Qualität bei der Hessischen Krankenhausgesellschaft. Sie studierte Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Wirtschaftliches Gesundheitswesen und EDV/Betriebsorganisation an der Fachhochschule Gießen-Friedberg. Nach einer fünfjährigen Tätigkeit im Controlling des Klinikums der Philipps-Universität Marburg wechselte sie als Teamleiterin in den Fachbereich Krankenhausmanagement bei der Betriebskrankenkasse (BKK) Mittelhessen und übernahm die Abteilungsleitung im Bereich Stationäre Versorgung. 2009 wechselte sie zur AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen in den Bereich Krankenhaus – Rehabilitation – Fahrkosten. Neben der Entwicklung und Etablierung neuer Versorgungsmodelle übernahm sie die Tätigkeit als Fachreferentin auf Landes- und Bundesebene. Sie ist Mitglied in den Gremien der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH).