Die obige Überschrift meines Editorials habe ich mit einem weinenden und einem lächelnden Auge gewählt. Warum? Weil die Beträge des Hessischen Ärzteblatts, das Sie gerade in den Händen halten, brandaktuelle Themen aufgreifen und leider haben nicht alle einen positiven Anlass.
Die Delegiertenversammlung der LÄKH, Ihre demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertreter, hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 26. März einstimmig verurteilt und unterstützt die Aufnahme schwerstkranker Patientinnen und Patienten aus der Ukraine, denn es ist damit zu rechnen, dass die Ukraine Kriegsverletzte und kriegsunabhängig schwer erkrankte Menschen nicht mehr adäquat versorgen kann.
Der Fortbildungsartikel über die Rekonstruktionen nach Schuss- und Explosionsverletzungen greift diesen leider so erschreckend aktuellen Bezug auf. In ihrer bisherigen beruflichen Praxis haben Unfallchirurginnen und -chirurgen selten bis nie Schuss- und Explosionsverletzungen gesehen und versorgt. „Zum Glück“, möchte man da ausrufen. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine könnte sich das nun leider ändern, denn Deutschland nimmt nicht nur Geflüchtete aus der Ukraine auf, sondern beteiligt sich auch an der Versorgung verwundeter Soldatinnen und Soldaten. Daher gilt mein Dank dem Autorenteam des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz für den zuvor genannten Fortbildungsartikel, dem Erfahrungen aus Auslandseinsätzen sowie humanitären Hilfszusagen zu Grunde liegen.
Bekanntermaßen kann nicht nur der Körper, sondern auch die Seele Schaden nehmen. Auf Bitten des Europarats wurden inzwischen unter anderem mit Beteiligung von Psychotraumaexpertinnen und -experten der Berliner Charité Empfehlungen erarbeitet, wie Helferinnen und Helfer besser mit Menschen umgehen und kommunizieren können, die eine Krise oder ein schwieriges Lebensereignis erlebt haben. Diese Empfehlungen richten sich an alle, die Menschen helfen, die traumatische Situationen erlebt haben, insbesondere an Mitarbeiter der Regierung und der Zivilgesellschaft sowie an Freiwillige, die ukrainischen Menschen aktiv helfen. Die „Empfehlungen für den Umgang mit Menschen in Krisen und nach schweren Lebensereignissen“ können in sechs Sprachen unter diesem Stichwort auf der Website der Charité (www.charite.de) abgerufen werden oder unter dem Kurzlink: https://tinyurl.com/bdzb5dwr
Auch das Thema des Klimawandels hat angesichts des Ukrainekriegs und der ins öffentliche Bewusstsein gerückten Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen die Notwendigkeit verdeutlicht, selbst nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Alltag einen eigenen Beitrag zu leisten. Die Anregungen und Tipps in dem Beitrag „Klimaschutz – Praktische Umsetzung in der Hausarztpraxis“ können natürlich auch auf fachärztliche Praxen, MVZ ebenso wie auf Kliniken übertragen werden. Bitte denken Sie jetzt nicht: Das ist doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Nein, richtig ist, dass der stete Tropfen den Stein höhlt. Von vielen Tropfen ganz zu schweigen.
Ungeachtet der Verantwortung des Einzelnen wird in der jetzigen Krise der Energieversorgung deutlich, dass der Staat die Verantwortung für die Daseinsvorsorge wieder übernehmen muss. Inzwischen wird vielfach bezweifelt, ob die in den vergangenen Jahren in weiten Teilen erfolgte Privatisierung der Daseinsvorsorge – weg – von den zuvor meist kommunalwirtschaftlichen Betrieben – wirklich der richtige Weg war. Der Staat muss zumindest klare Rahmenvorgaben setzen und deren Einhaltung überwachen, denn in modernen, arbeitsteiligen Gesellschaften können sich die Menschen nicht selbst versorgen. Sie sind auf die Bereitstellung einer funktionierenden und zu einem akzeptablen Preis angebotenen Versorgung angewiesen. Das betrifft nicht nur die Energie und Gesundheitsversorgung (ambulant, stationär, Pflege, Medikamente), sondern z. B. auch Abwasserentsorgung/Wasserversorgung, Bildung, Brand- und Katastrophenschutz inklusive Rettungswesen, Müllabfuhr, aber auch Öffentliche Sicherheit, Post, Telekommunikation/Internet, Verkehrs- und Beförderungswesen und Wohnungswirtschaft.
Das gelungene Zusammenspiel dieser Bereiche bietet die Voraussetzungen, um ein möglichst gesundes Leben führen zu können. Das entbindet den Einzelnen wohlgemerkt nicht von seiner Verpflichtung, im Rahmen seiner Möglichkeiten Sorge für sich selbst und Sorge für die anderen zu tragen.
Den Beschäftigten im Gesundheitswesen, ob als Ärztin in der Klinik, als Pfleger auf einer Intensivstation, als medizinische Fachangestellte in der Praxis oder als medizinisch-technische Fachkraft im Labor, bleibt leider seit zwei Jahren kaum die Gelegenheit, Luft zu holen und sich eine Pause zu gönnen. Nicht nur die Pandemie, sondern auch der Fachkräftemangel sind dafür verantwortlich. Wir brauchen mehr Studien- und Ausbildungsplätze und nicht zuletzt attraktive Arbeitsbedingungen, denn wir stehen hier im Wettbewerb mit den anderen Branchen.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident