Die neue Bundesregierung will in Zusammenarbeit mit den Ländern die nötigen Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg bringen. Dafür soll eine Regierungskommission Empfehlungen erarbeiten, insbesondere bundeseinheitliche „Leitplanken“ für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende Krankenhausplanung. So ist es im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP festgehalten. Der vorgesehene Bund-Länder-Pakt folgt der Realität: Längst werden auf Bundesebene Entscheidungen mit Planungsrelevanz getroffen. Man denke nur an die Qualitätsvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses. Fakt ist aber auch, dass jedes Bundesland „für sich“ plant. Krankenhauspläne werden in der Regel fortgeschrieben, ohne dass die Strukturen im Einzelnen den Versorgungsnotwendigkeiten folgen und ohne dass ambulante und stationäre Versorgung zusammengedacht werden.

Zwar sind die Länder verpflichtet, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern sicherzustellen (§ 6 KHG), dieser verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgabe im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge werden sie aber kaum gerecht. Versorgungsprozesse sind häufig unkoordiniert und nicht patientenorientiert. Es fehlt eine tragfähige Balance zwischen flächendeckender Grundversorgung und Spezialisierung. Das Versorgungsspektrum von Krankenhäusern in räumlicher Nähe ist vielfach kompetitiv strukturiert und es besteht ein Verdrängungswettbewerb. Im Sinne der Patientenversorgung wären aber abgestimmte Angebote, kooperative und komplementäre Strukturen, Standortzusammenführungen und im Einzelfall auch Standortschließungen.

Herausforderung Ist-Zustand überwinden

Veränderungen sind unumgänglich. Der Wettbewerb darf nicht dazu führen, dass das Krankenhaus mit dem längsten Atem überlebt, ein bedarfsgerechtes Krankenhaus aber dafür weichen muss. Was wir seit Jahren erleben, ist keine strukturierte Krankenhausplanung der Länder, sondern eine durch Unterfinanzierung getriebene Insolvenzförderung. Die erforderliche Balance zwischen Daseinsvorsorge und Wirtschaftlichkeit ist nicht mehr gegeben. Die Krankenhäuser unterliegen einem durch politische Entscheidungen forcierten Kostenwettbewerb, unter dem das Klinikpersonal und die Patienten gleichermaßen zu leiden haben. Immer mehr kommerzielle Steuerungs- und Regulierungsinstrumente dominieren die Versorgung und setzen falsche Anreize. Das schadet der Qualität der Patientenversorgung und untergräbt das Vertrauen in das gesamte System.

Auch der Ansatz, durch planungsrelevante Qualitätsvorgaben Krankenhausplanung zu lenken, hat sich trotz des großen personellen und finanziellen Aufwands nicht bewährt. Gleichzeitig haben die Landesärztekammern ihre koordinierende Rolle in der externen Qualitätssicherung verloren, denn sie sind in der neuen DeQS-RL (Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung) nicht mehr gleichberechtigte Partner.

Der Bundesgesetzgeber macht zunehmend Vorgaben, die sich mittelbar auf die Krankenhausplanung auswirken, aber de facto keine planerisch gestaltende Wirkung haben, sondern sie erschweren. Auch die Realisierung von Kooperationen oder Zusammenschlüssen ist schwerer als gedacht, weil sie vielfach der Wettbewerbskontrolle unterliegt und eben nicht dem Versorgungsbedarf.

Die Krankenhausversorgung braucht definitiv eine Neujustierung. Dazu ist es erforderlich, auf verschiedenen Ebenen neu zu denken, zu planen und zu gestalten. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen können nicht ausgeblendet werden – sie dürfen die Versorgung aber nicht dominieren, wie das derzeit der Fall ist. Wir brauchen eine werteorientierte Medizin in den Krankenhäusern, mit ausreichend Zeit für die individuelle Behandlung und Betreuung der Patienten.

Herausforderung ländlicher Bereich

Die Krankenhausplanung der Länder muss endlich wieder auf ihr originäres Ziel einer bedarfsgerechten Steuerung der Versorgung ausgerichtet werden. Dazu gehört selbstverständlich die Berücksichtigung der Bevölkerungs- und demografischen Entwicklung und damit der Versorgungsbedarfe in den Regionen. Gerade im ländlichen Raum führt der Ärztemangel schon jetzt zu Versorgungsengpässen. Deswegen sollten kleinere Häuser im ländlichen Raum durch Facharztkompetenz auch aus dem ambulanten Bereich unterstützt werden, unter anderem durch Kooperationsverträge zwischen Krankenhausträgern, Krankenhausärzten und Vertragsärzten. Wo eine solche Kooperation auf regionaler Ebene nicht möglich ist, sollte das Krankenhaus einen ambulanten fachärztlichen Versorgungsauftrag bekommen. Beispielhaft für eine örtliche Bündelung der medizinischen Versorgungsangebote sind sogenannte sektorenverbindende Campuskonzepte, die auch therapeutische und rehabilitative Therapie sowie präventive Angebote mit einbeziehen.

Herausforderung Versorgungsstufen

Die Festlegung von Versorgungsstufen im Krankenhausplan sollte verpflichtend sein und nach bundesweit einheitlichen Kriterien erfolgen, die stark divergierenden Landeskrankenhauspläne auch im Bereich der Versorgungsstufen sind nicht durch die Patientenbedarfe zu erklären. Die Patienten müssen in die jeweils medizinisch notwendige Versorgungsstufe – regionale Versorgung, überregionale Versorgung und Maximalversorgung bzw. Universitätsmedizin – zugewiesen werden. Da nicht immer eine passgenaue Zuweisung über den Rettungsdienst möglich ist, sollte jede Klinik der regionalen Versorgung mit einem überregionalen oder einem Maximalversorger eine verbindliche telemedizinische Verknüpfung vereinbaren. So lässt sich spezialisiertes Wissen in die Fläche bringen und Sekundärverlegungen im Sinne der Patienten reduzieren. Es ist essenziell, diese Versorgungsstufen nicht nur zu benennen, sondern auch mit definierten Kriterien bezüglich der Erreichbarkeit, der Vorhaltung von Abteilungen, sowie der personellen und technischen Ausstattung zu hinterlegen. Entscheidend für die medizinische Qualität der Krankenhausversorgung ist die patienten- und aufgabengerechte Ausstattung der Abteilungen mit den richtig qualifizierten ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Voraussetzung hierfür ist eine gute ärztliche Weiterbildung. Daher muss sich die Krankenhausplanung zwingend auch an der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren.

Herausforderung Investitionen

Die Politik darf ihrerseits nicht länger die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die völlig unzureichende Investitionsförderung der Länder einer der Hauptgründe für die Misere im Krankenhauswesen ist. Nur etwa die Hälfte des Investitionsbedarfs in Höhe von jährlich mindestens sechs Milliarden Euro wird derzeit von den Bundesländern gedeckt. Deshalb entnehmen die Krankenhäuser notwendige Mittel für Investitionen „in Dach und Gerät“ aus Betriebsmitteln, die dann an anderer Stelle schmerzhaft fehlen, beispielsweise bei der Bereitstellung des Personals.

Entgegen den ursprünglichen Überlegungen von Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern der Ampel-Koalition haben sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag leider nicht auf ein stärkeres Engagement des Bundes bei den Krankenhaus-Investitionen verständigen können. Dabei wäre eine stärkere Bundesbeteiligung ein wichtiger Schritt zu mehr Innovation und Planungssicherheit. So könnten vom Bund finanzierte Sonderförderprogramme – wie zur Digitalisierung im Krankenhauszukunftsgesetz – verstetigt werden.

Herausforderung DRG-Reform

19 Jahre nach der Einführung des DRG-Systems überwiegen die vielen Fehlanreize dieser Finanzierungsform. Das ärztliche und pflegerische Personal, das auf Seiten der Krankenhäuser und auf Seiten des Medizinischen Dienstes zur Administration eingesetzt wird, steht für die Patientenversorgung nicht zur Verfügung. Auch dies ist in Zeiten eines Fachkräftemangels inakzeptabel.

Zentraler Bestandteil einer neuen Krankenhausfinanzierung sind leistungsunabhängige Vorhaltekosten, die – gestaffelt nach Versorgungsstufe – von den Krankenkassen finanziert werden müssen. So wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass Universitätsklinika und Maximalversorger fallunabhängig deutlich höhere Vorhaltekosten haben als regionale Versorger. Die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System hat klar gezeigt, was passiert, wenn nur an einigen Stellen nachgebessert wird. Jetzt lastet der finanzielle Druck mit konsekutiver Personaleinsparung auf dem ärztlichen Personal. Die krankenhausindividuellen Personalausgaben in der patientennahen Versorgung müssen auf Nachweis tarifkonform komplett gegenfinanziert werden. Hier können schon aufgrund des Fachkräftemangels keine Fehlanreize bestehen. Die verbleibenden Personal-, Sach- und Betriebskosten sollten in einer pauschalierten Finanzierung verbleiben. Durch diese neu aufgestellte Finanzierung erhalten Krankenhäuser nicht nur Planungssicherheit, sondern auch Anreize, damit nicht alle Krankenhäuser das tun, was manche besser können.

Herausforderung neue Finanzierung und Planung gleichzeitig umsetzen

Die geschilderte Finanzierungsform setzt voraus, dass diejenigen Krankenhäuser finanziert werden, die für die Versorgung der regionalen Bevölkerung tatsächlich bedarfsgerecht und notwendig sind, den Patienten eine gute Struktur- und Versorgungsqualität und dem Personal attraktive Arbeitsbedingungen bieten.

In Hessen wird die Krankenhausplanung im Landeskrankenhausausschuss beraten. Der aktuelle Krankenhausplan hat trotz jahrelanger Konzeption keine relevanten Veränderungen in der hessischen Krankenhausstruktur gebracht und zeigt, wie wichtig länderübergreifend geeinte Rahmenstrukturen sind, die dann regional sinnvoll umgesetzt werden können. In NRW hat ein gut 900-seitiges Gutachten, das das Landesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben hat, im Herbst 2019 die Debatte um die Krankenhausreform eröffnet. Als erstes Bundesland will NRW die Krankenhausstruktur künftig differenziert über Leistungsbereiche und Leistungsgruppen planen. Die Umsetzung dieses Vorhabens wird sicher auch in den anderen Bundesländern genau beobachtet werden.

Ausblick

In der Corona-Krise haben wir erlebt, dass die Zusammenarbeit der Ärztinnen und Ärzte trägerunabhängig auch unter hoher Belastung die Patientenversorgung ermöglicht hat. Dies wurde sicher auch durch geänderte Finanzierungsvorgaben erleichtert. Das sollte allen Beteiligten Mut geben, nun endlich beherzte Schritte zu einer Neuordnung des Krankenhauswesens zu gehen. Denn Krankenhäuser müssen so aufgestellt sein, dass sie sich gut ergänzen und tatsächlich im Sinne der Patientenversorgung miteinander kooperieren.

Dr. med. Susanne Johna, Internistin/Krankenhaushygiene, Gesundheitsökonomin (EBS); 1. Vorsitzende Marburger Bund Bundesverband; Vorstandsmitglied Bundesärztekammer; Präsidiumsmitglied Landesärztekammer Hessen, Kontakt via E-Mail: haebl@laekh.de

Literatur: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat neu die „Bestandsaufnahme zur Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung in den Bundesländern 2021“ veröffentlicht. Kurzlink: https://tinyurl.com/5xxx7j7n/.

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