Künftig sollen Medizinstudierende im Praktischen Jahr auch deutschlandweit an Gesundheitsämtern ausgebildet werden. Wie das erfolgreich umgesetzt wird, zeigt das Beispiel der fast zehnjährigen Kooperation des Gesundheitsamtes mit der medizinischen Fakultät der Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Während im Kontext der weltweiten Corona-Pandemie die wichtigen bevölkerungsmedizinischen Aufgaben der Gesundheitsämter sichtbar wurden, hat die Bundesregierung die Weichen gestellt, das nun auch bundesweit Medizinstudierende ihr Wahltertial des Praktischen Jahres im Öffentlichen Gesundheitswesens (ÖGW) absolvieren können.

Das Gesundheitsamt Frankfurt am Main ermöglicht bevölkerungsmedizinisch interessierten Medizinstudierenden bereits seit den 1980er-Jahren, hier zu famulieren, um Einblicke in das breite Tätigkeitsspektrum des ÖGW zu ermöglichen. Dabei lehren und supervidieren Fachärztinnen und Fachärzte in den Bereichen Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie, Hygiene, Umweltmedizin, Allgemeinmedizin und Infektiologie die Studierenden in sechs Fachabteilungen und unterschiedlichen Sprechstunden. Die Studierenden lernen dabei die vielfältigen Aspekte der Bevölkerungsmedizin mit all ihren Besonderheiten und Herausforderungen am Beispiel einer Großstadt kennen.

„Der Öffentliche Gesundheitsdienst führt in Deutschland – im Gegensatz zu anderen Staaten – ein Schattendasein, obwohl hier außerordentlich wichtige Aufgaben im Sinne der Bevölkerungsmedizin angesiedelt sind. Dem Personalmangel in den Gesundheitsämtern kann durch die Einbindung von Medizinstudenten in diesen Bereichen begegnet werden. Dies allerdings nur dann, wenn es möglichst viele Ausbildungsstellen in Deutschland im Bereich Öffentliches Gesundheitswesen gibt“, unterstreicht Prof. Dr. Dr. med. René Gottschalk, Amtsleiter a. D. des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main.

Bereits 2013 wurde das Gesundheitsamt Frankfurt am Main durch das Universitätsklinikum der Goethe-Universität als akademische Lehreinrichtung der Universität anerkannt.

Fachärztinnen und Fachärzte sind für die Lehre im Gesundheitsamt verantwortlich und die Stelle einer PJ-Beauftragten wurde eingerichtet. Mit dem Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen wurde ein Curriculum abgestimmt, bei welchem wiederkehrende Patientenkontakte obligatorisch sind. Alle diese Komponenten bildeten die Basis für die Kooperationsvereinbarung zwischen Gesundheitsamt und Universität.

Seitdem haben über fünfzehn Medizinstudierende das Wahltertial „Öffentliches Gesundheitswesen“ im Frankfurter Gesundheitsamt absolviert und ihr Staatsexamen mit hervorragenden Prüfungsergebnissen abgeschlossen. Von diesen jungen Kollegen befinden sich bereits einige in der Weiterbildung zur Fachärztin/ zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen.

Durch die jetzige Weichenstellung des Bundes wird eine Möglichkeit geschaffen, das Fach Öffentliches Gesundheitswesen als Pflichtfach und als Wahltertial im Praktischen Jahr des Medizinstudiums über Frankfurt hinaus deutschlandweit zu etablieren. Sie bietet die längst überfällige rechtliche Verankerung, die umfänglichen Aufgaben des ÖGW und die Besonderheiten der Bevölkerungsmedizin kennenzulernen. Außerdem bietet es die Chance, den so dringend benötigten Nachwuchs für dieses Fachgebiet zu interessieren und zu gewinnen. Durch einen temporären Einblick in das breite Spektrum des Gesundheitsamtes wird nicht nur das Verständnis für diese Aufgaben gestärkt, sondern jungen Kolleginnen und Kollegen das Zusammenwirken von klinisch Tätigen und im Gesundheitsamt Beschäftigten deutlich.

„Ein seit Jahren überfälliger Schritt“

Dr. med. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamt Frankfurt am Main, stellt klar: „Die Gesundheitsämter in Deutschland sind ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitswesens. In den Gesundheitsämtern sind die bevölkerungsmedizinischen Aufgaben verortet, die Gesundheit zu schützen, zu fördern und Krankheit zu vermeiden.“ Seiner Meinung nach hat die bestehende Corona-Pandemie einiges in der Bevölkerungsmedizin weiterentwickelt. „Corona hat gezeigt, wie relevant ein funktionierendes Gesundheitsamt ist und wie wichtig die Ausbildung in Bevölkerungsmedizin ist – auch wenn zurzeit vor allem der Bereich Gesundheitsschutz im Vordergrund steht.“

Es ist jetzt in der Ärzteschaft und den Gesundheitsministerien klar geworden, dass das Thema Bevölkerungsmedizin mit entsprechenden Lehrformaten an allen medizinischen Fakultäten verankert werden muss, um für Deutschland Qualifizierungen und internationale Vergleichbarkeit im Bereich Öffentliche Gesundheit sicherzustellen. Die Etablierung des Fachbereiches Öffentliches Gesundheitswesen im Medizinstudium ist dabei ein wichtiger und längst überfälliger Schritt.

Kathrin Pientka1, Inse Hauberg2

E-Mail: inse.hauberg@stadt-frankfurt.de

Kathrin Pientka, M.A., war bis 4/2021 PJ- & Famulatur-Koordinatorin am Gesundheitsamt Frankfurt, seit Mai 2021 ist sie tätig als Referentin für Arbeits- und Gesundheitsschutz im Arbeitsmedizinischen Zentrum im Industriepark Frankfurt Höchst.

2 Inse Hauberg, Fachärztin für Pädiatrie, ist Schulärztin am Gesundheitsamt Frankfurt und dort seit Mai 2021 PJ- & Famulatur-Koordinatorin.

Geplante Änderungen im Bundesrat

Die Wichtigkeit des Öffentlichen Gesundheitswesens (ÖGW) und der Bevölkerungsmedizin wurde in jüngerer Zeit wiederholt durch die Bundesregierung anerkannt. Unter anderem mit dem „Referenz Pakt für den ÖGD“ soll das Öffentliche Gesundheitswesen insgesamt und insbesondere das Thema Bevölkerungsmedizin an den medizinischen Fakultäten gestärkt werden.

Im Vorfeld zu den geplanten Änderungen der Ärztlichen Approbationsordnung wurde daher im September 2021 eine Verordnung dazu in den Bundesrat eingebracht. Mit der erwarteten Zustimmung des Bundesrates (Antrag vom 02.08.2021) wird es zukünftig deutschlandweit möglich sein, dass Medizinstudierende ihr Praktisches Jahr (PJ) im Fach Öffentliches Gesundheitswesen absolvieren.

In der Verordnung vom Bundesrat zur Änderung der Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen, für Ärzte und für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vom 02.08.2021 heißt es dazu: „Die Gesundheitsminister und -ministerinnen von Bund und Ländern haben sich am 05.09.2020 auf den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) verständigt, der auch darauf abzielt, dass Studierende der Medizin bereits im Studium stärker an die Themenfelder des ÖGD herangeführt werden sollen, um dadurch einen Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des ÖGD zu leisten. Der Pakt für den ÖGD wurde am 29. September 2020 von der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und -chefs der Länder beschlossen. Damit das öffentliche Gesundheitswesen auch in der Ausbildung mehr als bisher Berücksichtigung findet, wird diese nun zeitnah in der derzeit geltenden Approbationsordnung für Ärzte gestärkt.“ (Quelle: Verordnung Bundesrat 02.08.2021, Seite 16)