Der Umgang mit kranken Menschen und die gleichzeitige Berücksichtigung begrenzter Ressourcen sind für Ärztinnen und Ärzte nichts Neues und eine ständige Herausforderung, der sie tagtäglich gerecht werden müssen. In der Vergangenheit waren häufig die fehlenden Behandlungsmöglichkeiten limitierend. Heute sind es eine Pandemie oder die ökonomischen Bedingungen in Kliniken und Praxen, die Behandlungsmöglichkeiten einschränken. In der Zukunft wird die Ressource Mensch der limitierende Faktor in der ärztlichen Versorgung und in der Pflege sein. Ärztinnen und Ärzte werden der Wegweiser sein müssen, wie dies in Einklang mit einer korrekten Patientenversorgung zu bringen ist.
Noch bis zum Ende des letzten Jahrtausends gab es im Medizinbetrieb hinsichtlich der Finanzierbarkeit von Therapien für Patientinnen und Patienten nahezu keine Einschränkungen. Denn die Behandlungsmöglichkeiten waren begrenzt. Schlaganfall, Herzinfarkte und Tumorerkrankungen waren die häufigsten Todesursachen, gleichwohl ob mit oder ohne stationäre Behandlung.
Seither haben sich sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich vielfältige Behandlungsmethoden etabliert, die, evidenzgestützt, einen Überlebensvorteil bieten. Angefangen von den U-Untersuchungen und Impfungen bei Kindern, bei der radiologischen Bildgebung, der medikamentösen Behandlung der Herzinsuffizienz, der lebensrettenden Defibrillator-Implantation oder einer strukturierten Diabetes-Behandlung. Im stationären Bereich erweitern minimal invasive OP-Methoden, Knochenmarktransplantationen oder der transfemorale Herzklappenersatz bei älteren Menschen den therapeutischen Horizont.
Das alles will finanziert werden und es soll auch noch ein Überschuss übrig bleiben. Entweder im stationären Bereich als auskömmliches Tarifgehalt nach langem Studium und Spezialisierung oder ambulant als angemessenes Gehalt in Form eines Praxisgewinns. Angreifbar werden allerdings Betreibermodelle, die sich lediglich der Gewinnmaximierung verschreiben und dabei die Patientenversorgung hintanstellen. Eine rechtliche, finanzielle oder inhaltliche Abgrenzung dürfte schwerfallen. Nicht jede gut geführte Praxis oder Klinik ist gleich ein Profitcenter.
Spielverderber der Patientenversorgung sind häufig Politik und Krankenkassen. Sie regulieren zunehmend ärztliche Inhalte. Das geht ganz leicht durch nicht erteilte Genehmigungen, mancherlei Erlaubnisvorbehalte, Mengenbegrenzungen, Plausibilitäten und Regresse. Zusätzliche Belastungen durch die Covid-Pandemie haben die Situation nur noch verschärft. In der Pandemie hat sich leider gezeigt, dass der Staat, auch aufgrund des politischen Impacts seiner Entscheidungen, inkongruent handelt. Kein Wunder, dass sich Ärztinnen und Ärzte dem zunehmend entziehen, indem sie ausschließlich privatärztlich tätig werden oder Tätigkeiten außerhalb der Patientenversorgung präferieren.
Was muss getan werden, um diesen Brain-Drain zu verhindern? Wie kann die Ärzteschaft – wieder – zum Ansprechpartner und zum Gestalter werden? Die wohlverstandenen eigenen Interessen müssen einheitlich und sektorenübergreifend definiert und vertreten werden. Das Primat der Ökonomie muss relativiert und der Patientenversorgung untergeordnet werden – das beinhaltet auch einen realistischen und sparsamen Umgang mit dem Geld der Versicherten. Zumindest in Hessen hat die Politik, seit Beginn der Pandemie, gelernt zuzuhören. Für die Gesetzliche Krankenversicherung gilt das bei den aktuell exazerbierenden Regressforderungen noch nicht. Der ärztliche Sachverstand in den Berufsverbänden, Kassenärztlicher Vereinigung, Krankenhausgesellschaft und Landesärztekammer sollte gemeinsam auftreten und Wege in der Gesundheitspolitik weisen.
„Das Primat der Ökonomie muss relativiert und der Patientenversorgung untergeordnet werden.“
Dr. med. Wolf Andreas Fach, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen