Wann haben Sie Ihren Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert?
Ich habe meine leitende Oberärztin schon sehr früh über meine Schwangerschaft informiert, etwa eine Woche nach meinem positiven Schwangerschaftstest vor Bestätigung durch die Gynäkologin. Da ich meine Oberärztin, mit der ich ein gutes Vertrauensverhältnis habe, nicht anlügen und auch keine Ausreden erfinden wollte, habe ich ihr dies im Vertrauen mitgeteilt. Eigentlich wollte ich in den kritischen ersten zwölf Wochen meine KollegInnen nicht über meine Schwangerschaft informieren. Im Falle eines möglichen Verlustes des ungeborenen Kindes wollte ich mir den Klatsch und Tratsch, den ich bei anderen Kolleginnen erlebt habe, ersparen.
Unser Dienstmodell lässt aber ein Arbeiten in der Frühschwangerschaft nur begrenzt zu, da die Nachtarbeit durch die hohe Belastung eine mögliche Gefahr für das Kind darstellt. Daher wollte ich auf diese Nachtdienstwoche verzichten. Ansonsten wären für mich alle Tätigkeiten des normalen klinischen Alltags unter Berücksichtigung der üblichen Hygienemaßnahmen möglich gewesen. Aufgrund des Wegfalls der Nachtarbeit und der damit einhergehenden Dienstplanänderungen waren die Abteilung und auch der Chefarzt hierdurch indirekt schon sehr früh informiert. Die Informationen wurden dann auch der Personalabteilung mitgeteilt.
Welche Schritte wurden seitens des Arbeitgebers nach Bekanntmachung eingeleitet?
Ich habe noch zwei Tage gearbeitet und wurde dann nach Bekanntgabe der Schwangerschaft unmittelbar durch meinen Chefarzt in das Beschäftigungsverbot (BV) geschickt. Auf die Frage, ob ich nicht freiwillig weiterarbeiten könne, wurde nach Rücksprache meines Chefarztes mit der Personalabteilung nochmals auf das BV verwiesen. Es war daher für mich nicht möglich, meine Weiterbildung fortzusetzen, was ich sehr bedauerte.
Wie haben Sie sich nach dem Aussprechen des BV gefühlt? Wie sieht Ihr Alltag jetzt aus?
Ich habe mir große Sorgen um meine Weiterbildungszeit gemacht. Ich wollte unbedingt weiterarbeiten, da mir zu meiner Schwerpunktbezeichnung nur noch zwölf Monate Klinikzeit gefehlt haben. Mein Wunsch wäre es gewesen, den Großteil dieser Zeit nach meiner Facharztprüfung und vor dem Mutterschutz abzuleisten. Dies war dann aufgrund des BV nicht möglich und hat mir im Hinblick auf meinen nur zweijährigen Weiterbildungsvertrag mit der Klinik große Sorgen bereitet.
Als Ärztin oder Arzt identifiziert man sich überdurchschnittlich mit seinem Beruf und über Jahre hinweg habe ich immer große Freude an meinen Tätigkeiten im Rahmen der Patientenversorgung gehabt. Diese Freude war von heute auf morgen zu Ende, was mich in der Anfangszeit sehr belastet hat und auch weiterhin belastet. Gerade in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen, in denen man die Schwangerschaft vor Familien und Freunden eher „geheim“ halten möchte, hat man aufgrund des BV viel Zeit nachzudenken und wenig Ablenkung, was sehr belastend ist. Insgesamt waren für mich die ersten Monate schwierig.
Nach einigen Monaten hat man sich dann eine gewisse Beschäftigung und Routine mit Online-Fortbildungen und Fachliteratur angeeignet und auch einige Hobbys gepflegt, denen man im normalen Arbeitsalltag nicht gerecht wird. Dennoch wäre ich lieber in der Klinik arbeiten gewesen.
Welche Tätigkeiten hätte Sie Ihrer Meinung nach ohne BV an Ihrer Arbeitsstätte ausführen können?
Ich persönlich hätte mir bis auf Röntgenuntersuchungen alle Tätigkeiten am Patienten zugetraut inklusive Blutentnahmen, Punktionen und sonstigen invasiven Maßnahmen. Dies wäre auch im Rahmen der allgemeinen Maßnahmen für Schwangere vor Corona möglich gewesen.
Haben Sie im BV irgendeinen Kontakt zur Medizin/Weiterbildung zur Fachärztin?
Ich nutze meine Zeit im BV für (Online-)Fortbildungen und Studium von Fachliteratur und führe auch weiterhin regelmäßig fachbezogene Gespräche mit KollegInnen und meinem Mann bei privaten Treffen.
Fühlen Sie sich vom Arbeitgeber/KollegInnen als Schwangere „angenommen“? Gibt es einen Plan für die Zeit nach der Schwangerschaft/Elternzeit?
Ich habe das große Glück, in einer sehr familiären Abteilung mit unglaublich netten und einfühlsamen KollegInnen zu arbeiten, mit denen ich mich auch privat treffe. Innerhalb der Abteilung fühle ich mich daher als Schwangere vollkommen angenommen. Ich glaube, dass sich alle sehr mit mir gefreut haben, auch wenn durch mein Fehlen Arbeitskraft kompensiert werden musste.
Allgemein durch den Arbeitgeber hatte ich nicht das Gefühl, als Schwangere akzeptiert zu werden, da unabhängig von meiner persönlichen Einstellung das BV ohne Alternative durchgesetzt wurde. Es wurde nicht versucht, in Absprache mit meiner Abteilung Tätigkeiten zu finden, die eine Schwangere auch in Corona-Zeiten durchführen kann. Hier kenne ich aus anderen Kliniken positive Beispiele.
Da mein Weiterbildungsvertrag innerhalb der Elternzeit endet, habe ich mit meinem Arbeitgeber eine Lösung gefunden, dass meine Weiterbildungszeit um die Zeit des BV und auch der Elternzeit verlängert wird. Dies musste aktiv durch mich organisiert werden, da mein Arbeitgeber von sich aus keine Angebote vorgesehen hatte.
Das Interview ist im Dezember 2021 entstanden und wird hier anonymisiert abgedruckt.