Dr. med. Meinhard Korte, Dr. med. Carmen Brosig
Als erste Ärztekammer in Deutschland hat die Landesärztekammer Hessen (LÄKH) im Frühjahr 2013 eine Ombudsstelle für Fälle von Missbrauch in ärztlichen Behandlungen eingerichtet und bietet seither betroffenen Patientinnen und Patienten sowie auch Ärztinnen und Ärzten in Konfliktsituationen eine vertrauliche Beratungsmöglichkeit.
Bei Grenzverletzungen und Missbrauch in ärztlichen Behandlungen geht es nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch um die Ausnutzung der Abhängigkeit der Patienten und um Machtmissbrauch. Die Ombudsleute (zur Zeit ein Arzt und eine Ärztin als Stellvertreterin) werden zu Beginn jeder Legislaturperiode vom Präsidium der LÄKH mit dieser Funktion betraut; sie unterliegen der Schweigepflicht. Die Tätigkeit ist ehrenamtlich. Die Ombudsstelle der LÄKH arbeitet organisatorisch eigenständig und unabhängig von sonstigen Gremien.
Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Allgemeinmedizin Dr. med. Meinhard Korte ist seit der Gründung als Ombudsmann mit der Leitung dieser Stelle betraut. Hier berichtet er zusammen mit seiner Stellvertreterin Dr. med. Carmen Brosig, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, aus dem Aufgabenfeld.
Ansprechpartner für Patienten und Ärzteschaft: die Ombudsleute Dr. med. Meinhard Korte und Dr. med. Carmen Brosig.
Formen von Missbrauch
Missbrauch in ärztlichen Behandlungen kann sehr unterschiedlich aussehen und ist grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass die Arzt-Patient-Beziehung und die damit einhergehende Asymmetrie, man kann auch von einem „Machtgefälle“ sprechen, von Seiten der Ärztin oder des Arztes benutzt/ausgenutzt wird zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse und Interessen, die nicht zum Behandlungsauftrag gehören. Dieser Missbrauch oder die Grenzüberschreitung können auch sehr subtil geschehen. Es gibt Fälle, die seitens der Behandler nicht bewusst intendiert sind. Folgende Formen von Missbrauch lassen sich unterscheiden: Finanzieller Missbrauch, narzisstischer Missbrauch, emotionaler Missbrauch, sexueller Missbrauch sowie Kombinationen dieser Formen.
Besonderheiten der Arzt-Patient-Beziehung
Das Angewiesen-Sein des Patienten auf den Arzt und das damit einhergehende Abhängigkeitsgefühl wecken bei manchen Patienten Wünsche nach mehr Zuwendung, z .B. in Form einer privaten Beziehung. Als Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach Nähe ist dies nichts Verwerfliches, jedoch ist es dem Arzt/der Ärztin grundsätzlich verboten, diesen Wünschen nach einem privaten Kontakt nachzugeben (Verbot sexueller Kontakte, Abstinenzgebot in der Berufsordnung § 7 Absatz 7 & 8 ). Ärztinnen und Ärzte handeln und therapieren in einem geschützten Rahmen, der allein durch den Behandlungsauftrag definiert ist. Die Einrichtung der Ombudsstelle ist Ausdruck des Bewusstseins, dass die Ärzteschaft selber Verantwortung übernehmen muss, um allen Patienten, die von Missbrauch betroffen sind, die Möglichkeit zu geben, mit diesem Anliegen ernst genommen zu werden, Gehör zu finden und Unterstützung bei der Wahrung ihrer Rechte zu erfahren.
Aufgaben der Ombudsleute
Die Zugangsmöglichkeiten für Ratsuchende zur Ombudsstelle sind bewusst niederschwellig konzipiert; jeder kann sich telefonisch, schriftlich, per Mail oder Fax an die Ombudsstelle wenden, auch anonym. Unsere Aufgabe als Ombudsleute ist es, allen Ratsuchenden in Ruhe zuzuhören, uns einen Eindruck vom jeweiligen Geschehen zu verschaffen und das Anliegen des Ratsuchenden zu klären. Ratsuchende können zu einem persönlichen Gespräch in die Kammer kommen und dazu auch Vertraute mitbringen.
Oft beauftragen Ratsuchende den Ombudsmann, mit dem jeweiligen Arzt/der Ärztin Kontakt aufzunehmen, um sich einen Eindruck von deren Sicht zu machen und ggf. zu vermitteln. Auf Wunsch kann auch ein von den Ombudsleuten moderiertes Gespräch zwischen dem Ratsuchenden und dem betroffenen Arzt/der Ärztin organisiert werden. Beide Möglichkeiten haben sich bewährt, da im persönlichen Kontakt manches eher geklärt werden kann. Bei Bedarf nimmt Dr. med. Carmen Brosig an solchen Gesprächen teil. Sie übernimmt die Fälle insbesondere dann, wenn eine Beratung durch eine Frau ausdrücklich gewünscht wird oder sinnvoll erscheint. Grundsätzlich werden Ratsuchende auch über andere, weitergehende Möglichkeiten aufgeklärt, z. B. über die der offiziellen Beschwerde bei der LÄKH (siehe Artikel „Beschwerdemanagement der LÄKH, HÄBL 05/2021 S. 322) und auf das bei Verdacht auf Vorliegen eines Behandlungsfehlers mögliche Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle oder auf die Wege der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Blick auf die Statistik von März 2013 bis Oktober 2021
Von März 2013 bis Oktober 2021 zählte die Ombudsstelle 582 Kontaktaufnahmen, davon ergaben sich 320 tatsächliche Ombudsfälle. 13 % der Anfragen kamen aus Bereichen anderer Ärztekammern in Deutschland, die bislang noch keine solche Ombudsstelle geschaffen haben. Seit kurzem gibt es in zwei weiteren Landesärztekammern Bestrebungen, eine solche Ombudsstelle einzurichten, eine nimmt die beratende Unterstützung des hessischen Ombudsmannes in Anspruch. Im November 2021 stellten wir dem Vorstand der Bundesärztekammer, dem alle Präsidenten der Landesärztekammern angehören, die Arbeit unserer Ombudsstelle ausführlich vor.
Vermutlich aufgrund der medialen Berichterstattung bei Gründung waren die Fallzahlen in den ersten beiden Jahren 2013 und 2014 nahezu doppelt so hoch wie in den Folgejahren mit dann durchschnittlich 50–60 Kontaktaufnahmen pro Jahr, davon rund 30 tatsächliche Ombudsfälle (bei einem relativ geringen Schwankungsbereich, siehe Abb. 1). Unter den Personengruppen, die Kontakt zur Ombudsstelle aufgenommen haben, waren Patientinnen und Patienten die größte Gruppe (n=445), mit einem Frauenanteil von 72 %. Es folgten Angehörige (n=77, davon 55 % Frauen) und zuletzt die Gruppe der professionell Mitarbeitenden im Gesundheitswesen, bspw. von Beratungsstellen oder andere Ärzte oder Therapeuten (n=60, davon 73 % Frauen).
Abb. 1: Die mit * gekennzeichten Jahre umfassen Zahlen für jeweils zehn Monate
Geschlechtsverteilung der 376 Patienten/Ratsuchenden insgesamt (in %)
Anteil der Missbrauchsfälle; der gravierenden Fälle und sonstiger Fälle (Gesamtzahl 504) (in %)
Unterscheidung der Problemfälle
Eine Ombudsstelle zieht natürlich auch Ratsuchende an, bei denen es nicht um Missbrauch geht, sondern deren Anliegen andere Problembereiche wie Behandlungsfehler, unklare Abrechnungen oder andere persönliche Probleme oder Beschwerden berühren. Drei Gruppen kann man unterscheiden: Anliegen, in denen Missbrauch keine Rolle spielte; tatsächliche Ombudsfälle und – davon nochmals unterschieden – besonders gravierende Missbrauchsfälle. Die jeweiligen Kriterien unterliegen dabei auch der subjektiven Einschätzung. Für die besondere Schwere eines Missbrauchsfalls (gravierender Fall) legen wir Folgendes zugrunde: Manifeste körperliche Übergriffe bis hin zu sexuellem Missbrauch; Dauer des Missbrauchs; besondere Ausnutzung einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur, z. B. bei kindlich-abhängigen Patienten; ausgeprägte Folgen des Missbrauchs in Form von Traumatisierung der Patienten (psychische und/oder psychosomatische Symptombildungen mit starken Beeinträchtigungen).
Statistisch zeigt sich, dass Frauen überproportional von Missbrauch betroffen sind. Unter den gravierenden Fällen (n=95) sind Frauen mit 88 % prozentual sehr viel häufiger als Männer (12 %) betroffen. Die Geschlechterverteilung der unter dem Verdacht des Missbrauchs stehenden Ärztinnen und Ärzte zeigt: Männer unter den Ärzten waren in fast neun von zehn Fällen beteiligt; die häufigste Missbrauchskonstellation ist: ein männlicher Arzt – eine Patientin.
Welche Arztgruppen sind besonders beteiligt?
Die Fallzahlen der Ombudsstelle lassen keine statistisch belastbaren Rückschlüsse darauf zu, ob bestimmte Facharztgruppen häufiger an Missbrauchsfällen beteiligt sind. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass in den Arzt-Patient-Kontakten, in denen eine persönliche, emotionale Beziehung eine große Rolle spielt (Psychotherapie; langjährige Behandlungen) oder in denen körperliche Untersuchungen/Berührungen dazugehören, bei einer vorliegenden Missbrauchstendenz seitens des betreffenden Arztes/Ärztin, diese Situationen eher ausgenutzt werden. Verdachtsfälle mit Angehörigen anderer Berufsgruppen außerhalb der Humanmedizin wie Zahnärzte, Psychologen, Physiotherapeuten wurden eher wenig gemeldet.
Erfahrungen aus neun Jahren Ombudsstellenarbeit
Ratsuchende, die direkt von schwerem Missbrauch betroffen sind, müssen seelisch oft große Hürden überwinden, um sich überhaupt jemandem anzuvertrauen – sei es aus Sorge, dass ihnen nicht geglaubt wird oder aus Scham über das Geschehen. Damit verbunden ist oft das Gefühl, sich durch die eigene Beteiligung selber schuldig gemacht zu haben, insbesondere in Fällen von längeren Missbrauchsbeziehungen mit einer emotionalen Bindung („Ich bin doch selber schuld, ich habe doch mitgemacht, ich hätte mich früher dagegen wehren müssen.“) Oft kommt noch Angst vor juristischen oder persönlichen Konfrontationen mit dem betreffenden Arzt oder der betreffenden Ärztin dazu.
Solche Sorgen und Ängste der Betroffenen sind auch aus anderen Beratungsfeldern bekannt. Sie sind ein Hinweis auf die Unfreiheit und den Druck, denen die Patientinnen und Patienten in den komplizierten Abhängigkeitsbeziehungen ausgesetzt sind – ein Zustand, der auch lange nach Beendigung des manifesten Missbrauchsgeschehens anhalten kann. Ein wichtiges Motiv, sich trotzdem bei der Ombudsstelle Hilfe zu suchen, ist das anhaltende Leiden unter den Folgen des Missbrauchsgeschehens, ein weiteres ist der Wunsch, anderen solche Erfahrungen zu ersparen.
Oft vergehen Jahre, manchmal Jahrzehnte, bis jemand sich einem Partner, anderen Angehörigen und – nicht selten – einem Psychotherapeuten/einer Psychotherapeutin öffnet und über das Geschehen spricht. Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Tatsache, dass das Vorhandensein der Ombudsstelle schon eine Botschaft impliziert: Die Landesärztekammer verleugnet nicht, dass es Missbrauch in ärztlichen Behandlungen gibt. Für viele Ratsuchende ist die Erfahrung, dass jemand zuhört, sehr erleichternd, ebenso wie die Aufklärung darüber, dass es grundsätzlich mehrere Möglichkeiten gibt, zu einer Klärung und Aufklärung zu kommen. Dieses Wissen mildert sehr oft bei den Betroffenen das Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefert-Sein.
Erfahrungen mit betroffenen Ärzten und Ärztinnen
Viele Ärztinnen oder Ärzte sind erstaunt, manche auch erschrocken und beunruhigt, eine Anfrage bzw. einen Anruf der Ombudsstelle zu erhalten. In den Gesprächen gelingt es oft, die unterschiedlichen Sichtweisen beider Seiten zu verdeutlichen und dadurch Missverständnisse aufzuklären. In den Fällen, in denen es sich um einen Missbrauch in der einen oder anderen Form handelt, gibt es große Unterschiede bezüglich der spontanen Reaktionen und des weiteren Verlaufs.
Im besten Fall sind Betroffenheit und Bedauern spürbar, verbunden mit dem Versuch, den Schaden wiedergutzumachen; manche sind bereit, dem Patienten/der Patientin direkt oder über die Ombudsstelle zu schreiben oder auch ein Gespräch zu führen, welches bei Bedarf dann in den Räumen der Landesärztekammer unter Anwesenheit eines oder beider Ombudsleute stattfindet. Manchmal tritt bei den betroffenen Ärzten/Ärztinnen eine Unkenntnis über die Wirkung des eigenen Verhaltens zutage, eventuell gefolgt von Einsicht. Manchmal führen die Interventionen auch zu grundsätzlichen Veränderungen in Praxisabläufen.
So wurde z. B. in einer radiologischen Praxis die Einführung von „Überwurfblusen“ zwischen Auskleiden und Untersuchung eingeführt und das aufklärende ärztliche Gespräch zeitlich so gelegt, dass die Patienten noch bekleidet sind. Nicht selten gibt es jedoch den Versuch einer Bagatellisierung des Geschehens und/oder den Versuch, die Ursache für die problematische Situation ausschließlich beim Patienten zu sehen. Aber auch das kommt vor: Die Vorstellung, dass ein Verhalten, das nach dem berufsethischen und gesellschaftlich üblichen Kodex als übergriffig, respektlos und verboten angesehen wird, dem Arzt doch zustehe. So äußerte sich ein Arzt, der mit seiner Patienten eine sexuelle Affäre hatte: „Keiner kann mir verbieten, mit einer Frau ins Bett zu gehen.“ (Zum Thema „Keine Aufnahme sexueller Kontakte während des Arzt-Patienten-Verhältnisses“ sind im HÄBL 02/2021, S. 124, und 04/2021, S. 260 zwei Beiträge erschienen).
Nicht ganz selten ist auch der spontane „Gegenangriff“: Die Ankündigung, den betreffenden Patienten/die Patientin wegen übler Nachrede zu verklagen. Bei solchen Äußerungen machen wir deutlich, dass die Ombudsstelle dazu da ist, dass Patienten von ihrem Recht, sich frei zu äußern, Gebrauch machen können, und dass die Androhung einer Klage gegenüber Patienten grundsätzlich nicht die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Schilderung mindert – das führt in der Regel zu einer gewissen Beruhigung und zu einem Nachdenken. Leider aber verfängt die „Drohung“ mit einer Klage wegen übler Nachrede bei verunsicherten Patienten immer wieder, sodass hier die beruhigende Aufklärung durch die Ombudsleute sehr wichtig ist.
Persönliches Fazit
Neben der teils großen zeitlichen Beanspruchung gibt es „innere“ Aufgaben, die besonders fordern: Die Erzählungen der Betroffenen gehen emotional oft sehr nah, erfordern Fürsorge, müssen aber auch sachlich geprüft werden. Nicht selten gibt es „Mitwisser“ solch problematischer Schilderungen, darunter Ärztinnen und Ärzte, die direkte oder indirekte Hinweise von Patienten und Angehörigen aus falsch verstandener Solidarität mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen nicht ernst oder ernst genug nehmen. Damit werden sie ihrer Verantwortung jedoch nicht gerecht, weil sie einen möglichen Missbrauch indirekt schützen und stützen.
Es ist nicht einfach, damit fertig zu werden, dass Fälle von eindeutigem und eklatantem Missbrauch manchmal keine Konsequenzen für die Täter haben, nicht geahndet werden, weil die Betroffenen – aus unterschiedlichen Gründen – nicht die dazu erforderlichen Schritte in die Wege leiten. Als Ombudsmann darf ich nicht dem Impuls nachgeben, Betroffene zu einem solchen Schritt (z. B. der Verfolgung von Missbrauch) zu drängen (auch in solchen Fällen, in denen ich eine solche Klärung und ggfs. Ahndung des Missbrauchs für besonders wichtig halte, z. B. wegen der absehbaren Wiederholungsgefahr), sondern ich muss mich auf meine Aufgaben beschränken:
- Information der Ratsuchenden über alle Vorgehensmöglichkeiten,
- die unterstützende Begleitung (und ggf. die der Landesärztekammer) des Ratsuchenden, seinen persönlichen Weg zu finden und zu gehen und
- die Versicherung, nur dann, wenn der Ratsuchende es wünscht und nur in seinem Auftrag nach außen hin aktiv zu werden (mit Schweigepflichtentbindung für die Ombudsstelle und betroffenen Ärztin/Arzt).
Von der Einrichtung einer solchen Ombudsstelle, die den von Missbrauch Betroffenen in ihrer oft belastenden seelischen Situation einen niederschwelligen Zugang ermöglicht, profitieren nicht nur die Patienten, sondern auch die gesamte Ärzteschaft, weil es das Vertrauen unserer Patienten in unsere Aufklärungsbereitschaft als Ärzteschaft stärkt und damit die Vorstellung widerlegt, die Ärzte halten ja doch alle zusammen.
Fallbeispiel 1: Arzt fertigt illegal Aufnahmen an
Eine junge Frau, die durch ihre Psychotherapeutin von der Existenz der Ombudsstelle erfuhr, schildert ihre Beobachtung, dass ein Arzt, der sie bei einer körperlichen Untersuchung ungewöhnlich anfasste und sie auch „eigenartige Bewegungen“ hatte machen lassen, ein Smartphone in der Hand hielt, als sie sich umdrehte. Sie äußert den Verdacht, dass der Arzt hinter ihrem Rücken heimlich Aufnahmen von ihr machte. Sie schildert diese Erfahrung sehr klar, will aber nichts unternehmen, solange sie die Einzige sei, die sich darüber beschwert.
Nach ca. einem Jahr meldet sich wieder eine junge Patientin mit einer fast identischen Schilderung bzgl. desselben Arztes. Sie ist bereit, dies zur Anzeige zu bringen. Nach Beratung mit der Rechtsabteilung und der zuständigen Staatsanwaltschaft gibt der Ombudsmann der ersten Patientin einen recht allgemeinen, motivierenden Hinweis. Die beiden Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft führen zu einer Hausdurchsuchung bei dem Arzt, bei der Tausende von illegal aufgenommenen Bildern von Patienten und weiteres belastendes Material sichergestellt werden konnten.
Fallbeispiel 2: Unangenehm übergriffig
Eine junge Patientin erlebt ihren Hausarzt bei bestimmten Fragen als bedrängend und manche Bemerkungen und Ratschläge als übergriffig, so dass sie sich beschämt fühlt. Als sie in ihrem relativ kleinen Wohnort mit anderen darüber spricht, hat sie den Eindruck, dass der Arzt für seinen „besonderen“ Umgang bekannt sei. Als der Ombudsmann mit dem Arzt telefoniert, streitet dieser den von der Patientin geschilderten Verlauf des Gesprächs nicht ab. Er reagiert aber vollkommen überrascht ob der Wirkung seines Verhaltens. Hintergrund dessen scheint eine Art jovial-paternalistische Einstellung zu sein, mit der er der jungen Patientin gegenüber „Verständnis“ signalisieren wollte. Der Arzt bietet ein klärendes Gespräch an, mit dem die Patientin einverstanden ist. Dabei erfährt sie Wertschätzung für sich und ihre Perspektive. Beim Arzt könnte diese Erfahrung ein Nachdenken und vielleicht auch eine Verhaltensänderung bewirkt haben.
Dr. med. Meinhard Korte, Dr. med. Carmen Brosig
Kontakt zur Ombudsstelle für Fälle von Missbrauch in ärztlichen Behandlungen: Fon: 069 97672-347 | E-Mail: ombudsstelle-missbrauch@laekh.de | Postanschrift: Ombudsstelle der LÄK Hessen | Hanauer Landstr. 127 | 60314 Frankfurt am Main