Weiterbildung aktuell: Rotationen in die Funktionsbereiche werden, seit ich da bin, ständig verschoben, weil immer Unterbesetzung herrscht und wegen Covid-19 umgeschichtet wird. Dafür haben wir schon die Möglichkeit, mit den eigenen Patienten zu Sonos etc. mitzugehen, wenn die Zeit es zulässt. Ich würde mal sagen, auf Normalstation ist das so jeden zweiten bis dritten Tag für ein Sono, oder so. Bedeutet dann aber auch, dass wir dementsprechend länger bleiben, um die restlichen Aufgaben zu erledigen. Auf Intensiv kann ich mir das ein bisschen freier einteilen.
Arbeitsbelastung: Wir haben im Juni all unsere Überstunden ausgezahlt bekommen. Bei mir waren das 200. Die hatte ich seit Januar, trotz Ausgleichsfrei, nicht abbauen können, weil ich grundsätzlich überplant war. Ich empfinde eine zusätzliche Belastung – dies aber auch wegen der vielen Unsicherheiten, die die Pandemie mit sich bringt: ständiger Auf-/Abbau der Covid-Kapazitäten, Umstellung der Stationen, Änderungen in der Besuchsregelung, hohe Krankenstände (auch langfristige Ausfälle), sodass wir einspringen oder einzelne Bereiche zusätzlich übernehmen müssen, Dienstpläne, die spät aufgestellt wurden und dann noch später verändert werden mussten...
Auf Intensiv haben zudem viele Patienten, vor allem Covid19-Patienten, in den vergangenen Monaten nicht überlebt. Für die Familien, die wenig Kontakt haben konnten, war das schrecklich, und das belastet uns mit. Ich weiß natürlich nicht, wie das alles vor der Pandemie aussah, aber aktuell, so habe ich den Eindruck, fehlt allen Zeit und Energie auch für die kleinste Reflexion. Auf Dauer halte ich das für sehr ungesund.
Stellenbesetzung: Wir besetzen nach, hängen aber gefühlt immer leicht hinterher. Es werden Stellen von Kollegen nachbesetzt, nachdem diese gegangen sind, sodass ein Teil des Teams immer in der Einarbeitung ist und keine Dienste machen kann. Somit werden die „älteren“, eingearbeiteten Kollegen stets stärker eingespannt als eigentlich gewünscht.
Abziehen in Covid-19-Bereiche: Ich war im Prinzip ein halbes Jahr auf Normalstation, ein halbes Jahr in ZNA und auf Covid-19-Station und ein halbes Jahr auf Intensiv mit zuletzt vier Covid-19-Patienten auf sieben Betten gesamt. Somit bedeutet das schon, dass ein Teil meiner Weiterbildungszeit nur auf Covid-19 fixiert war und ich dementsprechend weniger von den anderen Krankheitsbildern gesehen habe.
Dienstbelastung: Unsere Dienste sehen so aus: Unter der Woche 15.30 Uhr Beginn, mit Übergabe der Kollegen auf Station und Übernahme der ZNA vom Tag-Kollegen. Ab 16.30 Uhr sind wir zuständig für die ZNA und alles, was auf Station unaufschiebbar anfällt. Der Arzt in Weiterbildung ist der einzige Internist vor Ort, mit Oberarzt im Rufdienst. Dienstschluss ist morgen um 8.30 Uhr, nach der Frühbesprechung. Meistens ist die ZNA bis kurz nach Mitternacht noch voll, zwischen Mitternacht und 4 Uhr kommen wir zum Teil etwas zur Ruhe, danach kommen meist wieder Patienten in die ZNA.
In den vergangenen Monaten durfte die ZNA häufig nicht abgemeldet werden (Vorgabe der Geschäftsleitung), auch wenn alle Zimmer belegt und die Kollegen ausgelastet waren (es ist ja auch nur ein Internist in der ZNA! – oder er muss halt auch mal auf Station zu einem Notfall oder sogar zum Braunülen-Legen). Das erhöhte natürlich extrem den Stress, weil die Patientensicherheit darunter leidet. Bei mir auf Intensiv war das etwas entspannter, da wir Ärzte in Weiterbildung nur Früh- und Spätdienst und keine Nachtdienste machen. Ich hatte dafür viele Spätdienste am Stück. Internistisch machen wir ca. sechs bis sieben Nacht-/Wochenenddienste (Wochenend-Tagdienst läuft von 8 bis 20 Uhr) pro Monat.
Fazit: Insgesamt würde ich sagen: Mittlerweile sind alle geschlaucht, auch die Ober-/Chefärzte. Covid-19 bindet viel an Ressourcen und Energie, sodass für Weiterbildung weniger übrig bleibt und diese leidet. Auch wir Ärzte in Weiterbildung waren zum Teil wochen-/monatelang auf der reinen Covid-19-Station eingesetzt, wo wir viel über dieses Krankheitsbild, dementsprechend aber weniger über andere gelernt haben. Außerdem wurde die Personaldecke in allen Bereichen in der jüngeren Zeit dünner, sodass wir auch die Aufgaben von nicht ärztlichen Kollegen zum Teil mitkompensieren. All das liegt aber nicht nur an der Pandemie, sondern auch am wirtschaftlichen Druck auf die Häuser. Wenn man den selbst in einer Kreisklinik so spürt, will ich gar nicht wissen, wie das in privatwirtschaftlichen Häusern ist.
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