Seit 20 Jahren arbeitet Stefanie Merkel in der orthopädischen Praxis von Dr. med. Marc Krause in Bad Homburg. Angefangen hatte die gelernte Damenschneiderin einst mit einem Minijob, war zunächst an der Anmeldung tätig und nahm Telefonate entgegen. „Als mein Mann vor einigen Jahren starb, brauchte ich eine volle Stelle“, erzählt die Frau mit dem dunklen Pagenschnitt. „Aber das war nicht möglich, denn ich hätte keine qualifizierten Tätigkeiten übernehmen können.“ Merkel entschied sich für die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten und leitet heute die Praxis. Mit allem, was dazu gehört: Patientenanmeldung, Röntgen, Büro und Organisation.
Anspannung, aber keine Aggressivität
Auf die Frage, ob sich ihre Arbeit während der Corona-Pandemie verändert habe und schwieriger geworden sei, zögert Merkel nicht lange. Ja, die Arbeit sei mühsamer geworden, blickt sie auf die vergangenen zwei Jahre zurück: „Nicht nur man selbst war angespannt, sondern auch die Patienten.“ Zwar hätten weder sie noch Maja Anicic, die 18-jährige MFA-Auszubildende, aggressive Patienten in der Praxis erlebt, aber die Atmosphäre sei anders gewesen als sonst. Angespannter eben. Merkel erwähnt exemplarisch einen Patienten, der wegen Rückenschmerzen in die Praxis gekommen sei. Im Gespräch habe sich dann gezeigt, wie gestresst er war. Sein Kind habe er wegen Corona-Verdachts im Kindergarten nach Hause holen und neben der Kinderbetreuung seine Arbeit erledigen müssen. Kein Einzelfall: Ihm, wie vielen anderen, sei die Doppelbelastung auf den Rücken geschlagen.
„Wir haben in der Praxis sehr früh und intensiv auf die Herausforderungen durch die Pandemie reagiert“, berichtet Dr. Krause. Das habe mit der Klingel an der Tür und den Glasscheiben an der Anmeldung begonnen und sich in vielen weiteren Schutzmaßnahmen fortgesetzt, darunter von Anfang an die Pflicht, Masken zu tragen. Der Aufwand war erheblich: „In den ersten Monaten der Pandemie haben meine ärztliche Kollegin und ich uns mit zwei Teams aufgestellt. Beide Teams durften nicht miteinander in Berührung kommen, um Ansteckungen zu vermeiden.“ Wäre es in einem Team zu einer Corona-Infektion gekommen, was glücklicherweise nicht der Fall gewesen sei, hätte das andere Team die Arbeit weiter fortgeführt.
Für Sicherheit gesorgt
„Unser Hygienekonzept hat bei allen – Ärzten, Mitarbeitern und Patienten – für ein Gefühl der Sicherheit gesorgt. Es war mit dafür verantwortlich, dass wir in der Pandemie nicht viele Patienten verloren haben“, zeigt sich der Orthopäde überzeugt. Dennoch seien natürlich weniger Patienten als sonst gekommen, da es so gut wie keine Sportunfälle – Fußball oder Ski – gegeben habe. Eine besondere Rolle hat auch die Corona-Schutzimpfung für die Arbeit gespielt: „Sobald sie verfügbar war, haben wir die Impfung in der Praxis angeboten.“ Natürlich habe es häufig Nachfragen gegeben. „Wir haben gemerkt, dass Ängste und Unsicherheit mit dem Thema verbunden sind. Und eines ist ganz deutlich geworden: Wenn man als Arzt Menschen von der Notwendigkeit der Corona-Schutzimpfung überzeugen will, ist es wichtig, dass man selbst davon überzeugt ist. Nur das schafft Vertrauen.“
Impfpflicht – ja oder nein?
Ist die seit Mitte März bestehende Impflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen ein Problem? „Für mich nicht, ich bin vollständig geimpft“, sagt Merkel. Doch es gäbe unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. Auch weil mit zweierlei Maß gemessen werde: „Wir Praxismitarbeiterinnen haben jeden Tag mit vielen Menschen zu tun und der Gesetzgeber verlangt, dass wir geimpft sind. Aber umgekehrt sind die Patienten nicht dazu verpflichtet.“ Ob sie sich gegen die MFA-Ausbildung entschieden hätte, wenn sie gewusst hätte, dass eine Impfpflicht kommt, möchte Krause von Anicic wissen. Die junge Frau überlegt kurz. Am Anfang habe sie Angst vor der Corona-Schutzimpfung gehabt, erklärt sie. Auch ihr Vater habe sie lange in ihrer ablehnenden Haltung bestärkt. Anders die Mutter, die sich für die Impfung ausgesprochen habe. Unter den MFA-Auszubildenden in der Berufsschule sei allerdings nicht über die Impfung gegen Corona diskutiert worden, erinnert sich Anicic. „Ich habe mir im Laufe der Zeit selbst eine Meinung gebildet und entschieden, mich impfen zu lassen. Die Impfpflicht spielt für mich persönlich daher keine Rolle mehr.“
Bonus wäre Zeichen der Wertschätzung
Ob sie sich einen Corona-Bonus für Medizinische Fachangestellte gewünscht hätte? Merkel zeigt sich unschlüssig. Der Bonus sei im Kolleginnenkreis kein großes Diskussionsthema gewesen. „Sicher ist eine solche Zahlung ganz schön, aber doch eben nur etwas Einmaliges. Wichtiger wäre es, alle medizinischen Assistenzberufe wie Pfleger, Krankenschwestern und Medizinische Fachangestellte besser zu bezahlen.“ Krause sieht die Bonus-Frage etwas anders. Zwar müssten medizinische Fachberufe generell angemessen bezahlt werden, stimmt er Merkel zu. „Aber bei einer Bonuszahlung geht es doch auch um Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung. Das Entscheidende ist das Image des Berufes; da hätte der Bonus symbolisch ein Zeichen setzen können. Schade, dass sich die Politik bisher nicht dazu hat entscheiden können.“
Katja Möhrle
Steuerfreier Corona-Bonus für MFA gefordert
„Mangelnde Wertschätzung der Politik ist ein fatales Signal für die Zukunft der ambulanten Patientenversorgung“, sagte Ärztekammerpräsident Dr. med. Edgar Pinkowski in einer Pressemitteilung: „Dass der Pflegebonus für in der Pandemie besonders belastete Berufsgruppen kommen soll, ist grundsätzlich zu begrüßen. Ich habe jedoch keinerlei Verständnis dafür, dass Medizinische Fachangestellte (MFA) in dem kürzlich vorgestellten Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums zum Corona-Bonus unberücksichtigt bleiben“, kritisiert Pinkowski. „Seit Beginn der Corona-Pandemie vollbringen Medizinische Fachangestellte Höchstleistungen in der Patientenversorgung und bei der Impfkampagne. Gemeinsam mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten haben diese Fachkräfte den Krankenhaussektor bislang vor dem Kollaps bewahrt.“
So gab es beispielsweise im Jahr 2020 insgesamt 68,5 Mio. Patientenkontakte in niedergelassenen Praxen in Hessen. „Ca. 18 von 20 Behandlungen haben im ambulanten Sektor stattgefunden. Die Leistungen der Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter müssen endlich anerkannt und honoriert werden“, betont Pinkowski. Schon mehrfach hat die Landesärztekammer Hessen die Politik dazu aufgefordert, Medizinischen Fachangestellten Wertschätzung entgegenzubringen. „Leider bisher vergeblich“, so der Präsident: „Wenn diese Berufsgruppe nun von den Bonuszahlungen ausgeschlossen wird, sendet die Politik damit ein fatales Signal für die Zukunft der ambulanten Patientenversorgung.“
Bereits jetzt sei es für Arztpraxen ebenso schwierig, motivierte Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger zu finden wie gute ausgebildete Fachkräfte zu halten. „Die ohnehin hohen Anforderungen und die Arbeitsbelastung haben in der Pandemie nochmals zugenommen. Nur wer sich anerkannt und wertgeschätzt fühlt, wird auch künftig den MFA-Beruf ergreifen und dauerhaft mit Freude ausüben“, erklärt Pinkowski. „Daher fordere ich die Politik erneut dazu auf, auch für Medizinische Fachkräfte steuerfreie Bonuszahlungen vorzusehen.“ (moeh)