Sehr geehrter Herr Dr. Stümer,

in Ihrem Beitrag im Hessischen Ärzteblatt 02/2022 fordern Sie „normale Ärzte“ dazu auf „deutlich zu machen, dass wir Ärzte an der Basis kein Interesse an der Abschaffung unseres Berufsstandes durch Physician Assistants haben“. Auch wenn wir nicht sicher sind, ob wir Ihre Normalitätskriterien erfüllen, kommen wir Ihrem Aufruf gerne nach.

Selbstverständlich haben auch wir kein Interesse an der Abschaffung des ärztlichen Berufsstandes durch Physician Assistants, aber wer hat das schon? Im Gegenteil, wir haben ein großes Interesse daran, den ärztlichen Berufsstand zu stärken und die Arbeitsbedingungen für ärztliches und nicht-ärztliches Personal in diesem Land deutlich zu verbessern, und zwar mit der Hilfe von Physician Assistants.

Warum das notwendig ist? Lesen Sie den Beitrag, der dem Ihren im Hessischen Ärzteblatt folgt: Unter der Überschrift „Allen fehlt Zeit und Energie“ berichtet eine ärztliche Kollegin über die prekären Bedingungen, unter denen ärztliche Weiterbildung in Deutschland abläuft [1]. Wie die Kollegin schildert, „wurde die Personaldecke in allen Bereichen in der jüngeren Zeit dünner, sodass wir auch die Aufgaben von nicht ärztlichen Kollegen zum Teil mitkompensieren“. Sie beschreibt keinen Einzelfall [2].

In einem Gesundheitswesen, um das es derart bestellt ist, davon auszugehen, dass Physician Assistants (PA) die Ärzteschaft abschaffen werden, ist absurd.

Woher rührt Ihre Angst? Warum „ist der PA in Kombination mit dem Boom von MVZ-Verbünden eine Bedrohung“?

Sie argumentieren, „PA sind günstiger… langfristig wird es dazu führen, dass es weniger niedergelassene Kollegen gibt“. Hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. Schon jetzt fehlen Ärztinnen und Ärzte an allen Ecken, zum Teil gibt es wagemutige Ideen für Entsendung und Telemedizin, wie jüngst im Deutschen Ärzteblatt zu lesen [3]. Sie dagegen machen geltend, „es könnten wieder Zeiten mit arbeitslosen Ärzten anbrechen“. Sie haben sicher gut recherchiert und penibel kalkuliert, wenn Sie ausführen, dass „wir“ mit „immer neuen medizinischen Fakultäten“ „gerade auf dem besten Weg aus dem Ärztemangel sind“. Für diese Aussage hätten wir uns einen Evidenzbeleg gewünscht.

Im Gegenteil: Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland hat berechnet, dass bundesweit zwischen 3.000 und 6.000 Studienplätze pro Jahr im Fach Humanmedizin fehlen [4]. Die reine Quantität oder gar Angst vor Arbeitslosigkeit muss Sie daher nicht gegen PAs aufbringen.

Auch Polemik darf ihren Platz im demokratischen Diskurs haben, leider überspitzen Sie an mehreren Stellen bis zur Falschaussage, zum Beispiel: „der PA soll jegliche Diagnostik übernehmen“ oder „also sieht der Arzt den Patienten bald nur noch sediert und irgendwann nicht einmal das“. Phantasie kann ein wunderbares Werkzeug sein, nicht jedoch, wenn sie dazu führt, derartig unplausible Szenarien zu generieren. Die Hoheit über an PAs delegierte ärztliche Tätigkeiten bleibt bei Ihnen als Arzt und Ihren Kolleginnen und Kollegen [5].

Es hat nicht den Anschein, als hätten Sie mit Physician Assistants schon zusammengearbeitet, denn dann wüssten Sie, wie diese Berufsgruppe erfolgreich eingebunden wird: nämlich im synergistischen Miteinander von zwei verschiedenen Berufen in einem interdisziplinären Team, zu dem natürlich noch weitere Professionen gehören. Vielleicht lesen Sie einmal entsprechende Berichte dazu, wie Sie sie in jeder Ausgabe der Fachschrift Physician Assistant (www.physician-assistant.net) finden. Gern lassen wir Ihnen ein kostenloses Exemplar zukommen.

Oder Sie schauen einmal bei Youtube vorbei. In dem Beitrag „Auf einen Kaffee mit Daria Hunfeld“ erläutert die Physician Assistant unter anderem, was Aufgaben unter Arztvorbehalt und ärztliche Kernaufgaben sind, welche nicht delegiert werden können (https://www.youtube.com/watch?v=9IIOfAzNZlE). Frau Hunfeld erläutert auch, wie die Zusammenarbeit im Team funktionieren kann. Sie ist übrigens Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants, dem Berufsverband der PA in Deutschland, der jederzeit für Fragen zum Berufsbild zur Verfügung steht (https://www.linkedin.com/company/dgpa-gpapa/about/) und diesen Brief mit zeichnet.

Lieber Herr Stümer, Sie haben gebeten, dass die Leserinnen und Leser Ihres Beitrages in ihren Antworten „keine Romane schreiben“, daher nur noch eine letzte Information: Ärztinnen und Ärzte, die seit längerem an PA delegieren, sind in der Regel mit diesen sehr zufrieden, beurteilen die Arbeitsqualität von PA nach dem Schulnotenprinzip im Mittel mit 1,57 als gut und fühlen sich in der eigenen Arbeit deutlich entlastet [6].

Also, haben Sie keine Angst vor der vermeintlichen Konkurrenz. Lernen Sie die Zusammenarbeit mit PA kennen und Sie werden sehen: Es gibt viele gute Gründe PAs ins Team zu holen, um den ärztlichen Berufsstand zu stärken.

Für weitere Fragen zum Berufsbild der Physician Assistants stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

im Namen des DHPA – Deutscher Hochschulverband Physician Assistant e. V., Prof. Dr. med. Tanja Meyer-Treschan, Prof. Dr. med. Peter Heistermann, Prof. Dr. med. Stefan Sesselmann, Prof. Dr. med. Claudia Heilmann und der DGPA – Deutsche Gesellschaft für Physician Assistants e. V.

Daria Hunfeld, Aike Abeln, Patrick Klein, alle Physician Assistant B.Sc.

Die Quellenhinweise zu diesem Leserbrief finden Sie in der PDF-Version dieses Artikels.

Physician Assistant: Antwort des Autors

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Antwort auf o. g. Beitrag. Ich distanziere mich zunächst klar von Ihren Vorwürfen der Falschaussage und Polemik.

Leider antworten Sie nicht auf meine gänzlich mit Quellen hinterlegte Kritik. Sie gehen z. B. mit keinem Wort auf meine Argumente bzgl. Fehlmedikation, attestiertes mangelndes Problembewusstsein, Ersatz von Assistenzarztstellen durch Physician Assistants (PA) in Managementzeitschriften und fragliche Qualitätssicherung ein. Warum nicht?

Bezüglich Ihrer emotionalisierenden Aussagen zur angeblichen Entlastung der Ärzteschaft und deren Wunsch nach Hilfe durch PA sei auf den Monitor 2019 des Marburger Bundes verwiesen. Nur 10 % der befragten Ärzte wollten eine Entlastung durch PA. Mehr als 75 % wünschten jedoch, was uns wirklich weiterhelfen würde: eine Entlastung durch die Verwaltung! [1]

Ihr Argument, man könne noch nie mit PA gearbeitet haben, wenn man kein begeisterter Anhänger der Substitution ärztlicher Leistungen ist, entbehrt jeglicher faktischen Begründung. Zudem werfen Sie Nebelkerzen, wenn es um die Letztverantwortung des Arztes geht. Was nutzt es, für delegierte ärztlichen Tätigkeit zu haften, wenn man diese nicht ausreichend kontrollieren kann?

Sie haben übrigens Recht mit Ihrer Einschätzung meiner Vorliebe für sorgfältige Quellenarbeit. Wenn man sich allerdings die von Ihnen genannte Studie zum Ärztemangel genauer durchliest, so stellt man fest: Sie arbeitet mit Daten von 2019, die einen Teil der von mir angegebenen und auch darüber hinaus gehende Studienplätze nicht enthalten (Staatlich: Bayreuth, Bielefeld, Chemnitz, etc.; privat: Hamburg, Berlin, etc.) [2–6].

Im Ausland Studierende werden zudem nicht eingerechnet [2]. Zuletzt werden in besagtem Paper Ärzte erst 15 Jahre nach Studienbeginn als an der Patientenversorgung Beteiligte gerechnet, da es sich um eine Bedarfsrechnung für Vertragsärzte handelt [2]. Das heißt eine Entlastung durch mehr Studienplätze macht sich bereits Jahre vorher bemerkbar.

Einem „Hochschulverband“ hätte ich eine sorgfältigere Quellenarbeit zugetraut.

Unrealistisch ist das von mir entworfene Szenario zudem nicht. Warum sollte es in Deutschland anders verlaufen als in anderen Ländern, in denen PA z. B. Endoskopien durchführen, was übrigens auch hierzulande bereits öffentlich von Befürwortern in Aussicht gestellt wurde [7].

Wenn Sie tatsächlich Interesse haben an einem argumentativen Austausch, so stehe ich gern für eine öffentliche Diskussion zur Verfügung. Natürlich unter der Voraussetzung, dass Argumente und Fakten ausgetauscht werden und nicht nur persönliche Beleidigungen und Werbung für Ihre Social-Media-Aktivitäten. Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,

Dr. med. Jonathan Stümer

Die Quellenhinweise finden Sie in der PDF-Version dieses Artikels.