Beherrschte die Coronapandemie in den beiden vergangenen Jahren die Schlagzeilen, so ist es nun ein neuer Krieg mitten in Europa.

Dass Viren uns angreifen, ist ein nicht vermeidbarer Vorgang und Teil der Natur. Dass wir 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zutiefst erschüttert und fassungslos wieder einen Angriffskrieg mitten in Europa zur Kenntnis nehmen müssen, ist ganz und gar nicht unvermeidlich. Es sei denn, wir akzeptierten aus Bequemlichkeit, dass der Mensch der größte Feind des Menschen ist. Doch genau das dürfen wir nicht zulassen. Menschlichkeit drückt sich bei all der nicht zu verleugnenden Unvollkommenheit des Menschen in gegenseitiger Hilfe, im Aufeinanderzugehen, im Ringen um Kompromisse aus.

Krieg jedoch bedeutet unvorstellbares Leid – und zwar sowohl für die Zivilbevölkerung als auch für die in Kampfhandlungen involvierten Soldaten. Im Krieg gibt es keine echten Sieger. Alle verlieren und nicht selten sogar ihre Menschlichkeit. Als Ärztinnen und Ärzte ist die Humanitas unser oberstes Prinzip, hat der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit höchste Priorität. So haben auch bereits mehr als 10.000 russische Ärzte, Pflegekräfte und Sanitäter einen Offenen Brief gezeichnet, in dem sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin auffordern, die Feindseligkeiten sofort einzustellen und die Lösung aller politischen Fragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu suchen. Weiter heißt es in dem Appell: „Daher fordern wir gemäß unserem Eid und der Wahrung einer humanen und gleichen Behandlung aller Menschen die sofortige Einstellung aller Operationen mit dem Einsatz tödlicher Waffen.“

Unser hochverehrtes Mitglied Prof. Dr. Ulrich Gottstein, seit Jahrzehnten gegen Krieg engagiert, formuliert in aller Klarheit: Der Ärzteschaft kommt in der aktuellen Situation eine wichtige Rolle zu. Nicht nur als Garantin für humanitäre Hilfe, sondern auch als Friedensbotschafterin.

Nicht wenige unserer Mitglieder haben familiäre Beziehungen in die Ukraine oder nach Russland. Andere sind freundschaftlich mit Menschen in beiden Ländern verbunden. Nicht zuletzt sind aktuell unter unseren Mitgliedern 160 Kolleginnen und Kollegen mit russischer Staatsangehörigkeit, 125 Kolleginnen und Kollegen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit und 43 Kolleginnen und Kollegen aus Weißrussland. Sie alle üben gemeinsam mit unseren aus vielen weiteren Ländern stammenden Mitgliedern den ärztlichen Beruf zum Wohle der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten aus.

Daher betone ich ausdrücklich: Ein Aggressor – und nicht sein Volk – versetzt die Welt in Aufruhr. Putin und seine Stützen sind zu ächten und zur Verantwortung zu ziehen, nicht aber alle Russen und alles Russische.

Hessische Kolleginnen und Kollegen haben genau wie zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sofort Hilfsmaßnahmen in die Wege geleitet, denn (medizinische) Hilfe wird nicht nur in der angegriffenen Ukraine benötigt, sondern vor allem auch in Polen, aber ebenso bei uns. Deutschland und damit auch Hessen rechnet mit der Ankunft vieler Geflüchteter aus der Ukraine.

Auf der Website der Landesärztekammer Hessen veröffentlichen und aktualisieren wir neben Geldspendemöglichkeiten auch Adressen zur Sammlung von Sachspenden, insbesondere medizinischer Hilfsgüter.

Erlauben Sie mir bitte auch, Sie in einer kammereigenen Angelegenheit um Ihre Unterstützung zu bitten. Dabei geht es um die Mitgliederbefragung der Landesärztekammer Hessen, die in den nächsten Wochen beginnt. Wurde die Mitgliederbefragung 2017 noch schriftlich durchgeführt, erfolgt die diesjährige Befragung online.

Ungefähr jedes fünfte Mitglied erhält im Rahmen einer repräsentativen Erhebung per Mail einen Online-Link zu dieser Befragung. Die so angeschriebenen Kolleginnen und Kollegen bitte ich herzlich um Beantwortung der Fragen, was auch nur wenige Minuten in Anspruch nehmen wird. Ziel ist es herauszufinden, wie zufrieden Sie mit den Angeboten und den Serviceleistungen Ihrer Kammer sind und wie Sie die Kammer wahrnehmen. Dazu gehören auch Fragen zu den Medien der Kammer und natürlich zur Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung. Wie in 2017 werden die Ergebnisse nicht geheim bleiben, vielmehr fließen Ihre hoffentlich zahlreich eingehenden Antworten nicht nur in die Verbesserung der Arbeit Ihrer Kammer ein, sondern werden selbstverständlich auch gegen Ende dieses Jahres veröffentlicht werden, natürlich hier, nämlich in Ihrem Hessischen Ärzteblatt.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident