Am Abend des 8. Juli 2021 fand im neuen Sitz der Landesärztekammer Hessen an der Hanauer Landstraße im Frankfurter Osten nach längerer Corona-Pause wieder ein Vortrag der Reihe Bad Nauheimer Gespräche statt. LZKH-Vorstandsmitglied Dr. med. dent. Antje Köster-Schmidt referierte zum Thema „Angebote und Erfolge zahnärztlicher Prävention in Kitas, Senioreneinrichtungen und zu Hause“. Niedrige Inzidenzen erlaubten eine Abkehr von der reinen Online-Veranstaltung hin zu einem Hybrid-Event – und so fanden sich, neben den Zuschauerinnen und Zuschauern vor den heimischen Bildschirmen, auch einige Gäste vor Ort ein, um einmal wieder die Atmosphäre eines Vortrags mit physischer Präsenz – wenn auch mit weiten Abständen – auf sich wirken zu lassen.
Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, 1. Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Förderkreises Bad Nauheimer Gespräche und ehemalige Stellv. Leiterin des Gesundheitsamts Frankfurt am Main, eröffnete den Abend und stellte dabei – neben einer Aufzählung der vielen gemeinsam mit Köster-Schmidt realisierten Projekte – vor allem die Aktualität des folgenden Vortrags heraus. (Mund-)Gesundheits-Prävention ist ein Anliegen auf nationaler Ebene, etwa beim Netzwerk Gesund ins Leben, das 2020 sein zehnjähriges Bestehen feierte, und ebenso international. Hier verwies Heudorf auf die Resolution Mundgesundheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Vision 2030 des Weltzahnärzteverbandes (FDI).
Zu Beginn ihres Vortrags wies Köster-Schmidt die Zuhörenden im Saal und online darauf hin, dass es ihr nicht um einen wissenschaftlichen Vortrag gehe; Ziel sei vielmehr, das Wissen „auf die Straße zu bringen“. Antizyklisch widmete sie sich zunächst den Menschen im letzten Abschnitt ihres Lebens und dem Problem der steigenden Zahl Pflegebedürftiger. Menschen werden immer älter und zudem mit immer mehr eigenen Zähnen. Viele von ihnen sind auf Hilfe angewiesen und dies betrifft auch den Bereich der Mundhygiene und Zahnpflege, die von immobilen Seniorinnen und Senioren nicht oder nur noch sehr eingeschränkt durchgeführt werden können.
In einem weiten Bogen, der mehr als zehn Jahre in die Vergangenheit reichte, stellte die Referentin zunächst die Konzepte der Zahnärzteschaft für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf und die sukzessive Umsetzung derselben durch den Gesetzgeber dar. Was mit Zuschlägen für bestimmte Leistungen begann, mündete in Kooperationsverträge von Zahnarztpraxen mit Pflegeheimen und schließlich in gesetzlich verankerte Ansprüche auf Präventionsleistungen.
Köster-Schmidt berichtete von verschiedenen wissenschaftlich begleiteten Projekten und Feldversuchen, durch Schulungen von Pflegekräften die Mund- und auch die Allgemeingesundheit von Pflegebedürftigen nachhaltig zu verbessern, und zeigte die mittel- und langfristigen Ziele auf: die Erprobung und Etablierung einer Struktur für die umfassende zahnmedizinische Vorsorge von alten und pflegebedürftigen Menschen, vergleichbar der sehr erfolgreichen Landesarbeitsgemeinschaft im Bereich der Jugendzahnpflege. Es gehe wie auch bei den Kindern und Jugendlichen um eine Gruppenprophylaxe – die Vernetzung und Weitergabe von Kenntnissen und Fertigkeiten unter allen Beteiligten.
Zu Letzteren zählen professionell und häuslich Pflegende, die Alterszahnmedizin und natürlich Seniorenverbände und die zuständigen staatlichen Institutionen. Mundhygiene ist nicht allein der Schlüssel zu Wohlbefinden, Würde und Lebensqualität, sondern auch zu einer Verbesserung der Allgemeingesundheit, wie etwa bei Menschen mit Diabetes, und auf die Verbesserung der Mundhygiene müsse gemeinsam hingewirkt werden. Dazu zählen, so Köster-Schmidt, nicht zuletzt Vorträge wie dieser.
Im Anschluss empfahl die Referentin den Zuhörenden, sich zu wappnen und „warm anzuziehen“. Illustriert mit vielen teils erschreckenden Bildern, widmete sich Köster-Schmidt den typischen Manifestationen oraler Krankheitsbilder bei älteren Menschen, aber auch den vielen Hilfsmitteln, die selbst bei dementen Patientinnen und Patienten eine Pflege von Mund- und Zähnen möglich machen oder erleichtern. Mit einfachen, aber umso einprägsameren Beispielen zeigte sie die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs auf – etwa bei einer Parodontitis, die viele immer noch als eine Bagatelle abtun: Das bisschen Zahnfleischbluten ist doch nicht schlimm – so die Wahrnehmung. Tatsächlich sei bei einer schweren Parodontitis die Wundfläche im Bereich des Zahnhalteapparates so groß wie eine Handfläche. „Wenn Sie eine offene Wunde in der Größe eines Handtellers an sich entdecken würden, wären Sie wohl kaum der Meinung, dies sei eine Bagatelle, die keiner Behandlung bedürfe“, so Köster-Schmidt.
Ganz wichtig sei es, genau hinzuschauen, denn viele Veränderungen im Mundraum können erste Stufen potenziell lebensbedrohlicher Erkrankungen sein. Damit diese erkannt werden, gebe es die Schulungsvorträge und Materialien, wie sie von der LZKH oder auch der BZÄK kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, um Menschen, die etwa in der Pflege nahe an den Seniorinnen und Senioren sind, für diese Veränderungen zu sensibilisieren.
Im zweiten Teil ihres mit einer Vielzahl von praktischen Tipps angereicherten Vortrags widmete sich Köster-Schmidt der Gruppenprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen und der sehr erfolgreichen Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege Hessen (LAGH). Durch einfache und einleuchtende Konzepte wie die 5 Sterne für gesunde Zähne oder die KAIPlus Zahnputz-Systematik wird immer mehr Kindern ein kariesfreies Leben ermöglicht und dies, ohne dafür Dinge verteufeln oder verbieten zu müssen. Zur richtigen Zeit und in einem begrenzten Zeitraum ist auch Naschen kein Problem. Solange die Zähne die nötige Zeit bekommen, sich selbst zu reparieren, was sie sehr gut können, und zudem Unterstützung durch richtiges Putzen erhalten, sind gesunde Kinderzähne kein Hexenwerk – auch wenn die Symbolfigur der Jugendzahnpflege in Hessen eine sympathische kleine Hexe ist.
Dr. phil. Veit Justus Rollmann, Landeszahnärztekammer Hessen
Der Beitrag erschien zuerst in DHZ – Das Mitgliedermagazin für hessische Zahnärztinnen und Zahnärzte, Ausgabe 7/8 2021.