Delegiertenversammlung fordert Beschleunigung der Impfkampagne

Schleppender Impfstart in den ersten Wochen des Jahres und steigende Infektionszahlen: Corona überschattete auch die Vorbereitungen zu der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer am 27. März. „Das Präsidium ist nach Rücksprache mit unserer Aufsichtsbehörde, dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, und Beratung durch den Frankfurter Gesundheitsamtsleiter Prof. Dr. med. René Gottschalk zu der Ansicht gelangt, dass wir die heutige Veranstaltung in Präsenzform verantworten können“, erklärte Ärztekammerpräsident Dr. med. Edgar Pinkowski zum Auftakt der pandemiegerecht organisierten Versammlung in der Stadthalle Friedberg.

Applaus für Dr. Alfred Möhrle

Erster Programmpunkt war die Verabschiedung von Dr. med. Alfred Möhrle als Delegierter der Landesärztekammer Hessen. Nach 50 Jahren Engagement für die hessische Ärzteschaft hatte Möhrle sein Mandat zu Beginn des Jahres aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt. Von 1992 bis 2004 war er Präsident der Landesärztekammer, seit 2015 ihr Ehrenpräsident und seit 2007 Mitglied im Vorstand des Versorgungswerkes. Da Möhrle nicht an der Delegiertenversammlung teilnahm, dankten ihm die Delegierten in seiner Abwesenheit mit Applaus für seinen herausragenden Einsatz für die hessische Ärzteschaft. Als neues Mitglied der Delegiertenversammlung wurde Dirk Paulukat begrüßt, der für Möhrle als Mitglied der Liste der Fachärztinnen und Fachärzte Hessen nachrückt.

Ehrendes Gedenken

Im Rahmen der Totenehrung, bei der Dr. Pinkowski stellvertretend Dr. med. Magdalena Holtschoppen, Dr. med. Peter-Josef Pfuhl und Dr. med. H.-F. Spies namentlich hervorhob, erinnerte Dr. med. Susanne Johna an die verstorbene Präsidentin der Ärztekammer Bremen, Dr. med. Heidrun Gitter, die vor Jahren auch Delegierte der Landesärztekammer Hessen war. Sie sei eine Frau mit Ecken und Kanten und Ärztin aus Leidenschaft gewesen, so Johna: „Wir alle werden sie vermissen.“ Auch Pinkowski würdigte Gitter als hochgeschätzte Kollegin im Vorstand der Bundesärztekammer.

Zusammenarbeit von Politik und Ärzten

Grüße des hessischen Ministers für Soziales und Integration, Kai Klose, überbrachte Stefan Sydow, Leiter Sonderlage Covid-19 sowie Leiter der Abteilung V Gesundheit des Ministeriums. „Dieses Jahr hat an uns gezehrt“, sagte Sydow. Nun komme es auf Disziplin an. „Wir müssen der Anker sein, der Hoffnung gibt. Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie Ihre Rolle wahr.“ Was die Corona-Schutzimpfungen betreffe, komme einiges auf den ambulanten Sektor zu. Zweiter Baustein sei das Testen. Sydow hob die wichtige Zusammenarbeit von Politik und Ärzteschaft hervor und lobte das „äußerst konstruktive Verhältnis“ mit dem Ärztekammerpräsidenten. Dieser zeigte sich erfreut darüber, dass die Beteiligten der Impfallianz in Hessen an einem Strang zögen.

Tour d’horizon

Pinkowskis Bericht zur Lage war eine Tour d’horizon durch gesundheitspolitische Themen von bundes- und hessenweiter Bedeutung. So informierte er, dass der Bund mit dem am 29.10.2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz drei Milliarden Euro bereitstelle, damit Krankenhäuser in moderne Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und ihre IT-Sicherheit investieren können. „Wie wichtig diese Bereiche sind, und das nicht nur im Krankenhausbereich, hat die Coronapandemie mehr als deutlich gemacht. Die Länder sollen weitere Investitionsmittel von 1,3 Milliarden Euro aufbringen“, so Pinkowski.

Corona-Prämie und Gesetz zur epidemischen Lage

Für Pflegekräfte und andere durch die Versorgung von Covid-Patientinnen und -Patienten besonders belastete Beschäftigte sei eine Corona-Prämie eingeführt worden. Anspruchsberechtigt sind nach dem Gesetz jedoch nur zugelassene Krankenhäuser, die bei weniger als 500 Betten vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2020 mindestens 20 Corona-Fälle bzw. bei mehr als 500 Betten mindestens 50 Fälle hatten. Die komplizierte Regelung habe dazu geführt, dass viele Pflegekräfte leer ausgingen. Auch gebe es leider noch immer keine Regelung für Medizinische Fachangestellte, ohne deren Arbeit die Praxen ihre Wirkung als Schutzwall für den stationären Bereich nicht so erfolgreich hätten leisten können. „Und natürlich auch nicht für Ärztinnen und Ärzte“, kritisierte Pinkowski.

Am 4. März 2021 habe der Bundestag dem Gesetz zur Fortgeltung der epidemischen Lage zugestimmt. Zu den Regelungen zähle u.a. der Schutzschirm für Vertragsarztpraxen, der coronabedingte Fallzahlrückgänge in den Praxen auffangen soll. Zu den bis zum 30.06.2021 verlängerten bundesweiten Corona-Sonderregelungen für den Praxisbereich gehörten auch Vergütungen für telefonische Konsultationen bei vorbekannten Patienten. Neu sei eine Vereinfachung bei den Zuschlägen zu den hausärztlichen Chronikerpauschalen. Bei Erkrankungen der oberen Atemwege könnten AU-Bescheinigungen weiterhin telefonisch ausgestellt werden.

Hessen: Impfungen gegen Corona

Mit Blick auf Hessen berichtete Pinkowski, dass die Landesärztekammer – von der hessischen Landesregierung im November 2020 um Unterstützung gebeten – die Aufgabe übernommen habe, Ärztinnen und Ärzte sowie – in Kooperation mit dem Verband medizinischer Fachberufe e. V. – Medizinische Fachangestellte und in Zusammenarbeit mit den hessischen Universitätskliniken Medizinstudierende in klinischen Semestern für den Einsatz in den Impfzentren zu gewinnen. Mit Erfolg: So hätten sich mit Stand vom 26.02.2021 insgesamt 3.450 Ärztinnen und Ärzte, 217 Medizinstudierende, 644 MFA und 332 weitere Helfer gemeldet. Am 28.02. endete der Aufruf, aber die Daten werden weiter vorgehalten.

Leider habe sich die Klärung anderer Punkte als ungleich schwieriger erwiesen. So hätten Kammer und KVH die Landesregierung mehrfach eindringlich um die Klärung von Haftungsabsicherung der eingesetzten Kräfte, Absicherung gegen Unfall und Berufsunfähigkeit, Honorierung, Sozialversicherungspflicht, Steuern und natürlich die Impfung der zum Einsatz Kommenden selbst gebeten. Mittlerweile hätten sich die Fragen zur Sozialversicherung für eine Tätigkeit in Impfzentren geklärt, so Pinkowski. Auf massives Drängen der LÄKH habe die Oberfinanzdirektion festgestellt, dass Honorarvereinbarungen für Ärztinnen und Ärzte in Impfzentren selbstverständlich zulässig seien. Man warte aber immer noch auf die schriftliche Fixierung der einstigen Zusicherung des Ministerpräsidenten, dass auch grobe Fahrlässigkeit in den Regress-Schutz des Landes für Impfzentren mit aufgenommen werde.

Kritik an Lohndumping

Pinkowski kritisierte, dass die für die Impfzentren zuständigen Kreise und kreisfreien Städte mit ihren Gesundheitsämtern, aber auch deren beauftragte Dienstleister ohne Rücksprache mit Kammer oder KVH selbst Ärztinnen und Ärzte gesucht und – wiederum nicht mit der LÄKH abgesprochen – zum Teil unterschiedliche Nachweise verlangt hätten. „Im Februarheft des Hessischen Ärzteblattes haben Kammer und KVH in einem Positivpapier informiert, unter welchen Vertragsbedingungen ein Einsatz angenommen werden könnte. Insbesondere das ‚Lohndumping’ bei Ärztinnen und Ärzten, aber auch bei MFA war ein beständiges Ärgernis.“

Erfolg: Impfung Niedergelassener

Dass die Ständige Impfkommission niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht in die höchste Stufe der vorgeschlagenen Priorisierungsreihenfolge der Bevölkerung eingeordnet hatte, war auf scharfe Kritik des Ärztekammerpräsidenten gestoßen. Gemeinsam mit der KVH setzte er sich bei der Landesregierung vehement für eine vorgezogene Impfung dieser Arztgruppe ein. Mit Erfolg und dem Ergebnis, dass an den Wochenenden Ende Februar und Anfang März Sonder- termine für die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte angeboten wurden.

Während die KVH dem Land die Daten der Vertragsärztinnen und -ärzte zur Verfügung stellte, tat die Kammer dies für die Privatärztinnen und -ärzte sowie für die Arbeits- und Betriebsärztinnen und -ärzte. Dass die Schutzimpfungen ab 5. April in den Arztpraxen starten, begrüßte Pinkowski, bedauerte jedoch, dass jeder Praxis lediglich 20 Impfdosen pro Woche zur Verfügung stehen sollen. „Wo kein Impfstoff ist, kann auch nicht geimpft werden.“

Nachdrücklich unterstützte Pinkowski die Forderungen der Gesundheitsministerkonferenz vom 30.09.20 nach der Aufrechterhaltung telemedizinischer Angebote auch nach der Pandemie und einer bundesweiten Ausrollung von IVENA, dem in Hessen erprobten Meldesystem für stationäre und Intensiv-Betten. Mit der TeleCovid Hessen App verfüge Hessen außerdem über eine eigene telemedizinische Lösung, um die an der intensivmedizinischen Versorgung von Covid-19-Erkrankten beteiligten 80 Krankenhäuser und 13 Spezialkliniken zu vernetzen.

Ablehnung der Landarztquote

Eindeutig sprach sich der Ärztekammerpräsident gegen den Gesetzentwurf der hessischen Landesregierung zur Einführung einer Landarztquote aus: Sie sehe keine zusätzlichen Studienplätze vor und löse die künftigen Herausforderungen der Patientenversorgung nicht. Vielmehr schränke eine solche Quote die Freiheit des Einzelnen ein und lasse sich nicht mit der Lebenswirklichkeit in Einklang bringen. Auch schaffe das Vorhaben eine Zweiklassengesellschaft, da Begüterte sich nach Abschluss des Studiums von der Verpflichtung freikaufen könnten.

Deutscher Ärztetag, GOÄ und Gesetzesvorhaben

In Vorausschau auf den Deutschen Ärztetag, der pandemiebedingt am 4. und 5. Mai online stattfinden und im Herbst möglicherweise durch eine Arbeitssitzung in Präsenzform ergänzt werden soll, informierte Pinkowski, dass das Thema „Klimawandel“ verschoben worden sei. Auf der Tagesordnung stehen u.a. die Lehren aus der Covid-19-Pandemie, die Neuformulierung ärztlicher Kernkompetenzen, die Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl einer weiteren Ärztin/eines weiteren Arztes in den Vorstand der Bundesärztekammer sowie die Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26.02.2020 zum § 217 StGB. Das BVerfG hatte erklärt, dass die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, auch die Freiheit umfasse, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und diese, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. Der Ausschuss Berufsordnung der Bundesärztekammer schlage die Streichung von § 16 S. 3 Musterberufsordnung vor, berichtete der Ärztekammerpräsident. Seiner Überzeugung nach dürften Ärzte allerdings nicht zur Beihilfe zum Suizid verpflichtet werden.

Zur neuen GOÄ teilte Pinkowski mit, dass im Sommer 2021 eine Einigung zwischen Ärzteschaft und Versicherern erwartet werde. Den von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 26.02. vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung nannte Pinkowski einen weiteren Schritt zur Zentralisierung.

„Dieses Gesetz ist eine Granate“

Er halte das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz „für eine Granate“, erklärte Dr. med. Wolf Andreas Fach (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen). Es sei zwar beschlossen worden, aber man müsse sich dagegen zur Wehr setzen. „Wir sind den Patienten verpflichtet. Unter diesen bürokatischen Umständen können wir der Patientenversorgung nicht mehr gerecht werden“, mahnte Fach. „Impfen ist immer etwas, von dem Hausärzte sagen: Das ist unser Metier“, positionierte sich Michael Thomas Knoll (Liste Die Hausärzte). Es solle aber auch jede andere Ärztin und jeder andere Arzt impfen, der dies gelernt habe: „Unsere ärztliche Aufgabe sollte es sein, ein Leuchtturm und ein Hoffnungsanker für die Menschen zu sein.“ Dr. med. Eckhard Starke (Liste Die Hausärzte) dankte Pinkowski für den Überblick und richtete einen Appell zur Videosprechstunde an die Delegierten des DÄT. So wichtig sie geworden sei, so sehr kollidiere sie mit einem nicht mehr zeitgemäßen EBM. Dies bedeutet das Ende der ambulanten Versorgung, warnte Starke.

Kritik an Präsenzsitzung

„Ich bin immer noch etwas überrascht und ungläubig , dass wir heute hier sind“, erklärte Anne Kandler (Liste Marburger Bund) in einem Statement. „Zu einem Zeitpunkt steigender Zahlen und Mutationen hätte es uns Ärzten gut angestanden, die Veranstaltung online durchzuführen“. Jörg Focke (Liste Marburger Bund) schloss sich Kandlers Meinung an. Er hätte es gut gefunden, wenn wenigstens eine Teststrategie für den Zugang zur Versammlung bestanden hätte.

Forderungen an die Gesundheitspolitik

Die Corona-Prämie hätte nicht nur an die Pflege gehen sollen, sondern auch an Ärztinnen und Ärzte, sagte Dr. med. Susanne Johna (Liste Marburger Bund). „Doch was wir nicht brauchen, sind Einzelleistungen, sondern gescheite Tarifverträge“. Lobend äußerte sich Johna über die hohen Meldezahlen auf den Aufruf der LÄKH zur Mitwirkung in den Impfzentren. Sie schlug ein Freiwilligenregister vor, denn die aktuelle Pandemie werde nicht die letzte Krise bleiben. Zugleich appellierte sie daran, die dritte Corona-Welle nicht zu verharmlosen.

„Wir alle sind engagiert, haben ein hohes Berufsethos und leisten Millionen Überstunden“, erklärte Dr. med. Susan Trittmacher (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) . Die Pandemie habe die Situation noch verschärft: „Doch nur, wenn Arbeitskraft und -freude Hand in Hand gehen, werden wir weiter Nachwuchs finden.“ Dr. med. Lars Bodammer (Liste Marburger Bund) rief zum Pragmatismus auf: „Wir haben viel Zeit mit langen Diskussionen über Details verbracht“. Zur Müdigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung gehöre auch, dass man die Arbeitsbelastung in der Pflege, bei den Ärzten und im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) übersehe. „Ein vernünftiger Tarifvertrag für den ÖGD ist notwendig.“

Pandemie als Brennglas

In der Pandemie laufe die Zusammenarbeit von Kliniken und Kolleginnen und Kollegen gut, stellte Dr. med. Christine Hidas (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) fest. Sie warnte die Politik allerdings davor, wieder Personal in den Kliniken zu kürzen: „Das Gesundheitswesen ist ein System, das nicht in privatwirtschaftliche Hände gehört.“ Dr. med. Christof Stork (LDÄÄ) bezeichnete die Pandemie als Brennglas für die Versorgung. So sei die Versorgung der Patienten in der Wiesbadener Kinderklinik auf ein marginales Limit zurückgefahren worden. „Hier ist dringend über Corona hinaus eine Reform der Krankenhauslandschaft notwendig.“

„Wir brauchen ganz dringend Begleitforschung“, forderte Prof. Dr. med. Alexandra Henneberg (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen): „Wir müssen uns klar werden, was Corona wirklich bedeutet. Was heißt es für unsere Kinder- und Jugendgesundheit und was heißt es für die Versorgung von Krebspatienten? “

Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung

Die Herausforderungen der Corona-Pandemie habe in der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung alle bisherigen Konzepte in Frage gestellt – damit begann Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Hans-Rudolf Tinneberg seinen Bericht an die hessischen Delegierten. Man habe ad hoc einen Krisenmodus definieren müssen, der mit anspruchsvollen Hygieneregeln übereinstimme und den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerecht werde. „Wir haben auf die sich ständig ändernde Situation reagiert. Nur allein mit Reagieren können wir uns jedoch nicht für die Zukunft aufstellen, wir müssen auch gestalten“, betonte der Vorsitzende der Akademie. So wurden Organisation und Arbeit der Akademie auf den Prüfstand gestellt und Entwicklungs- und Verbesserungspotenziale analysiert. Daraus habe sich folgendes ergeben:

  1. Eine bereits 2019 gebildete AG prüft unter Einbeziehung aller Umweltvariablen, wie eine Anpassung der Akademieveranstaltungen an aktuelle Gegebenheiten erfolgen könnte.
  2. Unter dem Motto „Lernen von anderen“ wurden intensive Gespräche mit Akademie- und Kammervertretern aus Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein geführt.
  3. Im Sinne einer Steigerung der Kosteneffizienz wurden Gespräche mit der KV geführt, um ein Nebeneinander von inhaltsgleichen Veranstaltungen zu erkennen und eine qualitative Anpassung zu ermöglichen.
  4. Gespräche mit weiteren Bildungsanbietern sind geplant – u. a. mit Universitäten und dem Netzwerk Allgemeinmedizin, um nach Synergien und möglichen gemeinsamen Wegen für die Zukunft zu suchen.
  5. Eine enge Kooperation mit den Bad Nauheimer Gesprächen ist entstanden.
  6. Gespräche mit externen Experten über die Zukunft von Bildungsangeboten in hybrider Form.

Um diese Punkte umsetzen zu können, seien eine räumliche Umgestaltung des renovierungsbedürftigen Akademiegebäudes, die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß der geänderten Anforderungen sowie Kooperationen bzw. Fusionen mit weiteren Bildungsanbietern erforderlich.

Entwicklung der Kenntnisstandprüfung

„Bereits in der DV im September 2020 haben wir den Auftrag erhalten, Maßnahmen zu ergreifen, um so schnell wie möglich Kenntnisstandprüfungen gemäß der Approbationsordnung in einer angemessen Frist, sprich in einem halben Jahr durchzuführen“, begann Jens Sudmann, ärztlicher Leiter der Abteilung Weiterbildung, seine Ausführungen zur Entwicklung der Kenntnisstandprüfung. Durch Corona und organisatorische Engpässe am Dr. Reinfried Pohl-Zentrum in Marburg war schon im Juni 2020 die Notwendigkeit erkannt worden, die Prüfungen vermehrt in Räumlichkeiten der Kammer in Bad Nauheim angehen zu müssen. Aktuell werden die Kenntnisstandprüfungen wieder innerhalb der geforderten Frist durchgeführt, stellte Sudmann klar. Der Zeitraum vom Antragseingang vom HLPUG bis zur Prüfung im Jahr 2021 betrage zwar noch 12,9 Monate. Aber: Die durchschnittliche Umsetzungszeit durch die LÄKH ab dem geäußerten Wunschtermin der Kandidaten liege nur noch bei 6,7 Monaten. Man werde an der COS als zweitem Prüfungsort festhalten, da diese die nötigen Kapazitäten und Konstanz böte und die Wartezeit auf den Wunschmonat inzwischen unter sechs Monaten liege, so Sudmann.

„Nichtsdestotrotz: Zufrieden sein kann man noch nicht“, merkte Dr. med. Susanne Johna (Liste Marburger Bund) anschließend an. „Wir können sagen, wir sind auf dem richtigen Weg und wir sollten anstreben, noch deutlich unter die sechs Monate zu kommen. Wir brauchen die Kolleginnen und Kollegen in der Versorgung.“

Ärztlich assistierter Suizid

Wie lässt sich die Ärztliche Berufsordnung der LÄKH an das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar 2020 (2 BvR 2347/15) zum unbeschränkten Recht auf selbstbestimmtes Sterben anpassen, ohne die bisherigen ärztlichen und ethischen Überzeugungen aufzugeben? Mit seinem Antrag beabsichtigte Pierre E. Frevert (LDÄÄ) in eine breite innerärztliche Diskussion zum „Verbot des Tötens auf Verlangen des Patienten!“ (die sogenannte aktive Sterbehilfe, Verbot nach § 16 Abs. 2 der Berufsordnung) und des „ärztlich assistierten Suizids“ (Verbot in § 16 Abs. 3 der Berufsordnung) einzutreten.

Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil gesprochen, das einschneidende Änderungen der Bundesgesetzgebung und des ärztlichen Berufsrechts auf Bundes- sowie Landesärztekammerebene erfordere. Der bisher gültige § 217 des StGB („Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“) wurde für nichtig erklärt. Hingegen steht die „Tötung auf Verlangen“ nach § 216 des StGB weiter unter Strafe. Daher müsse in der Folge des Urteils der § 16 unserer Berufsordnung neu ausgerichtet werden.

Freverts Vorschlag, zu dem Thema vor dem Deutschen Ärztetag eine Videokonferenz für alle Delegierten, zumindest jedoch für die Abgeordneten des Deutschen Ärz­tetages abzuhalten, wurde von Dr. med. Edgar Pinkowski befürwortet: „Wir haben Diskussionsbedarf, das steht vollkommen außer Frage.“ Der Antrag wurde ans Präsidium überwiesen und inzwischen ein Termin dafür am 20.04.2021, rechtzeitig vor dem Deutschen Ärztetag 2021, bestimmt.

Erreichung der Klimaneutralität

Klima- und Umwelteinflüsse beeinflussen zunehmend die individuelle Gesundheit und die Krankheitslast in der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund stellten Dr. med. Christof Stork (LDÄÄ) und weitere einen Antrag auf Auflistung der für die LÄKH vorhandenen Rechtsnormen. Dadurch solle allen Mitgliedern eine Orientierungshilfe gegeben werden, im eigenen Arbeitsbereich (Klinik, Praxis, ÖGD) gezielter auf Maßnahmen zur Erreichung von Klimaneutralität einwirken zu können – analog zu einer Veröffentlichung der Landesärztekammer Sachsen.

Erst vor kurzem habe sich eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich genau mit diesem Thema beschäftige, ergänzte Pinkowski. Der Antrag wurde einstimmig an das Präsidium überwiesen. Im Themengebiet bleibend, forderte Stork in einem weiteren angenommenen Antrag, bundesweite Maßnahmen der Landesärztekammern und Bundesärztekammer, um die Klimaneutralität zu unterstützen.

Gesetzentwurf zur neuen Approbationsordnung

Auf Antrag von Svenja Krück (Liste Junge Ärztinnen und Ärzte in Hessen) forderte die Delegiertenversammlung die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat auf, den Gesetzentwurf zur neuen Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte noch in dieser Legislaturperiode im Sinne des Masterplans 2020 zu realisieren. Ein weiterer Antrag zum Gesetzentwurf zur Approbationsordnung von PD Dr. med. habil. Andreas Scholz (Liste Marburger Bund) forderte rasche Nachjustierungen zur Erhöhung der Unterrichtsstunden, der Aufwandsentschädigung im Praktischen Jahr sowie der Finanzierung der Reform. Aufgrund der Komplexität des Antrags wurde dieser einstimmig an das Präsidium überwiesen.

Freilassung von Dr. Serdar Küni gefordert

Die Delegierten der hessischen Landesärztekammer haben die türkischen Behörden aufgefordert, den Arzt Dr. Serdar Küni freizulassen. Wie in dem Antrag von Dr. med. Bernhard Winter (LDDÄ) erläutert, zählt Küni zu den Ärztinnen und Ärzten in der Türkei, die sich für eine Gesundheitsversorgung für alle – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter – einsetzen. Nach Angaben von Amnesty International ist Dr. Küni Vertreter der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) und war in einem von ihm eingerichteten Behandlungszentrum für Folteropfer als Arzt tätig. Küni ist außerdem Mitbegründer der Ärztekammer der Provinz Şırnak, deren Vorsitzender er von 2010 bis 2012 war. Da er während der Ausgangssperren, Abriegelung und Beschießung kurdischer Städte im Winter 2015/16 unter schwierigen Bedingungen Kranken und Verletzten geholfen hatte, wurde Küni am 24. April 2017 unter haltlosen Vorwürfen von einem türkischen Gericht der Unterstützung einer Terrororganisation schuldig befunden und zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Aktuell wird über seine Berufung entschieden. Die hessischen Ärztevertreterinnen und -vertreter betonten, dass ihre Forderung exemplarisch für alle ähnlich gelagerten Fälle inhaftierter türkischer Ärztinnen und Ärzte gelte.

Impfungen für alle

Menschen mit erschwertem Zugang zum Gesundheitswesen – Nichtversicherte, Wohnungslose, Strafentlassene, Menschen ohne Papiere u. a. – sollen die Möglichkeit erhalten, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Dazu sollten bereits bestehende solidarische und karitative Strukturen konsultiert werden. Dr. med. Wolf Andreas Fach (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) befürwortete den Antrag von Dr. med. Bernhard Winter (LDÄÄ), gab jedoch zu bedenken: „Wir sollten als Botschaft rausgeben, dass wir Ärzte jetzt alle impfen, egal wen. Deswegen muss die Impfkampagne verbreitert werden, die hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen müssen einbezogen werden, die Betriebsärzte und natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen, die sich um dieses Patientenklientel bemühen.“ Dr. med. Henrik Reygers (Liste Öffentlicher Gesundheitsdienst) schloss sich den Aussagen Fachs an und ergänzte, dass die Ämter für Soziale Sicherung u. Ä. diese Gruppe bereits im Fokus haben. Die Delegierten stimmten dem Antrag dennoch zu.

Verkürzter Deutscher Ärztetag

Die Verkürzung des Deutschen Ärztetags 2021 auf zwei Tage wurde von vielen hessischen Delegierten kritisiert. Angesichts des bereits im Jahr 2020 abgesagten Ärztetages gebe es erheblichen Diskussionsbedarf zu wichtigen Themen wie Sterbehilfe, Klimawandel und Corona, machte etwa PD Dr. med. habil. Andreas Scholz (Liste Marburger Bund) in seinem Antrag deutlich. Pinkowski und Fach wiesen darauf hin, dass die Entscheidung der Bundesärztekammer gefallen und nicht mehr rückgängig zu machen sei.

Berufliche Gleichstellung

Mit dem Mutterschutzgesetz (Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium – MuSchG) haben Frauen einen gesetzlich verankerten Anspruch auf berufliche Teilhabe und einen an den Mutterschutz angepassten Arbeitsplatz. Das 2018 in Kraft getretene Gesetz soll sowohl den Gesundheitsschutz als auch die berufliche Gleichstellung von (schwangeren bzw. stillenden) Frauen sicherstellen. Praxisgerechte Empfehlungen und Vorgaben sollen es den Arbeitgebern erleichtern, den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene rechtssicher umzusetzen. Zugleich sollen damit Impulse für ein effektives sowie einheitliches Beratungs- und Aufsichtshandeln der Arbeitsschutzbehörden der Länder gegeben werden.

Allerdings widerspricht auch im Jahr 2021 die berufliche Realität vieler Ärztinnen in Kliniken und Praxen der Gesetzeslage. Die Delegiertenversammlung nahm den von der Vizepräsidentin der LÄKH Monika Buchalik (Liste ÄrztINNEN Hessen) eingebrachten Antrag einstimmig an und forderte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie den Ausschuss für Mutterschutz dazu auf, die im Mutterschutzgesetz (§ 30 Abs. 3) festgelegten Aufgaben mit besonderem Fokus auf das Gesundheitswesen zügig zu erfüllen. BÄK und Landesärztekammern sollen Best-Practice-Modelle zum Umgang mit der Gefährdungsbeurteilung für schwangere Ärztinnen in Kliniken und Praxen zusammenstellen. Diese Sammlung soll Arbeitgeber dabei unterstützen, Standards zur Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz zu erarbeiten.

Digitalisierung für Gesundheit

Vor dem Hintergrund des Gutachtens zur „Digitalisierung für Gesundheit“ des Sachverständigenrates zeigte sich die Delegiertenversammlung davon überzeugt, dass durch die Digitalisierung die Gesundheitsversorgung durch ein sektorenübergreifendes und zeitnahes Vorliegen von Behandlungsinformationen verbessert und die Patientensicherheit erhöht werden könne. Kritisch zu hinterfragen seien u. a. die Opt-out-Zustimmung zur elektronischen Patientenakte, die Rolle von Ärztinnen und Ärzten bei der Kommunikation von Nutzen und Risiken derselben, die praktische Datennutzung und die Finanzierung. Die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht und das Recht aller Beteiligten auf informationelle Selbstbestimmung müssten dabei unbedingt erhalten bleiben. Die Delegiertenversammlung schloss sich daher dem Antrag von Dr. med. Lothar Born (Liste Hessenmed e. V. – die Netzärzte) an und forderte eine sofortige Einbeziehung der Ärzteschaft in die Diskussion um die Umsetzung des Gutachtens und der daraus resultierenden gesetzgeberischen Aktivitäten sowie die angemessene Finanzierung.

Impfbremse lösen

Nach kurzer Diskussion über die konkrete Ausformulierung insbesondere zur Priorisierung folgten die Delegierten dem von Dr. med. Lothar Born (Liste Hessenmed e. V. – die Netzärzte) eingebrachten Antrag und forderten in einer Resolution eine Beschleunigung der Covid-Impfkampagne durch Einbeziehung der ambulanten Medizin. Der hohe Nutzen der Covid-Impfung als Voraussetzung für eine Rückkehr zur alten Normalität könne als hinreichend wissenschaftlich abgesichert angesehen werden.

In der Resolution heißt es wörtlich: „Die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen unterstützt ausdrücklich die Impfallianz Hessen auch im Hinblick auf eine Flexibilisierung der Priorisierung und unter Einbezug aller impfbereiten Ärztinnen und Ärzte und der Vermeidung zusätzlicher Bürokratie.“

Katja Möhrle, Maren Grikscheit