Zum Leserbrief „Wenn man sich schämt, Arzt zu sein...“ von Dr. med. Andreas Hofmann (HÄBL 02/2021, S. 99)
Sowohl Aufmachung als auch Positionierung entsprechen nicht dem sonst für Leserbriefe üblichen Standard; Positionierung über eine halbe Seite, Überschrift in Fett und überdimensioniert sind für Leserbriefe im Hessischen Ärzteblatt nicht die Regel. Daraus ergibt sich für mich der zwingende Schluss, dass sich die Kammerleitung voll inhaltlich hinter diesen Leserbrief stellt.
Der Inhalt dieses Leserbriefes besteht ausschließlich aus Anschuldigungen, Beschuldigungen, Unterstellungen und Diffamierungen gegen Mitglieder der Ärztekammer (Kollegen möchte Dr. Hofmann diese Gruppe ja nicht nennen), die die Chuzpe haben, sich ihre eigenen Gedanken zum Thema „Corona“ zu machen, möglicherweise die eine oder andere Vorgehensweise zu hinterfragen oder gar zu einer dem Mainstream entgegengesetzten Meinung zu kommen – und diese, womöglich auch noch öffentlich, zu vertreten.
Auf mich wirkt dieser Leserbrief wie ein Aufruf zur Disziplinierung von Kollegen mit anderen Meinungen, nach dem Motto: Macht was man Euch sagt, haltet den Mund und überlasst das Denken anderen! Ich erlaube mir den Einwand, dass wir eine solche Disziplinierung der Ärzteschaft vor nicht all zu langer Zeit schon einmal hatten. Und dieser Zeitabschnitt gilt wahrlich nicht als Ruhmesblatt der Deutschen Ärzteschaft!
Außerdem gibt es eine Rechtsprechung. Wir haben ein Standesrecht und ein Zivilrecht. Sollten Kollegen einen, wie auch immer gearteten, Rechtsbruch begangen haben, dann sollte dieser Weg zur Klärung des Sachverhaltes gegangen werden und nicht über dubiose Anschuldigungen in Ärztezeitschriften erfolgen.
Ein tiefer Spalt geht in Sachen Umgang mit der Corona-Pandemie durch die Bevölkerung und auch durch die Ärzteschaft. In den entsprechenden Foren wird erbarmungslos um das „Recht haben“ gekämpft; in den seltensten Fällen aber nicht mit Argumenten, sondern mit gegenseitigen Beleidigungen und Anschuldigungen. Ich bin entsetzt, wie weit dabei, auch in Ärzteforen, mit „Argumenten“ weit unter der Gürtellinie gefochten wird. Dabei gibt es doch, zumindest soweit ich weiß, im Augenblick keinen Goldstandard im Umgang mit SARS-CoV-2; also kann es auch kein eindeutiges „richtig“ oder „falsch“ geben.
Dieser Leserbrief trägt meiner Meinung nach dazu bei, diese Spaltung der Ärzteschaft zu vertiefen. Damit will ich nicht sagen, dass ein solcher Brief nicht veröffentlicht werden sollte. Er sollte aber in Aufmachung und Platzierung keine Sonderstellung erhalten. Und man sollte als Leser nicht den Eindruck gewinnen können, dass die Kammerleitung voll inhaltlich hinter diesem Leserbrief steht; es sei denn, dem ist so!
Dr. med. Helmut Proske, Marburg