Nachdem der 124. Deutsche Ärztetag (DÄT) im Mai 2021 nur online stattgefunden hatte, wurde der 125. DÄT am 1. und 2. November 2021 hybrid veranstaltet. Welche Eindrücke hatten die hessischen Abgeordneten? Die Antworten lesen Sie nachfolgend in gekürzter Fassung.
Eröffnung: Welchen Eindruck hat die Diskussion zur Gesundheitspolitik sowie den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl auf Sie gemacht? Sind die von der Bundesärztekammer (BÄK) erstellten Kernforderungen an ein gesundheitspolitisches Sofortprogramm der neuen Bundesregierung aus Ihrer Sicht zielführend bzw. ausreichend?
Dr. med. Barbara Jaeger: Von der politischen Diskussion war ich enttäuscht, weil zurückhaltend argumentiert wurde. Ich hoffe, das war den laufenden Koalitionsverhandlungen geschuldet und repräsentiert nicht das (gesundheitspolitisch inhaltsleere) Programm der zukünftigen Regierung.
Dr. med. Sabine Dominik: Punkte wie der Ärztemangel, der fortschreitende Fachkräftemangel und die Folgen der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen, der Reformbedarf im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), die Umsetzung der GOÄ-Novelle, eine sinnvolle patientenorientierte Digitalisierung sowie der notwendige Umbau der Krankenhauslandschaft wurden von BÄK-Präsident Reinhardt deutlich angesprochen. Die Gesundheitspolitik soll ein zentrales Handlungsfeld der neuen Bundesregierung werden und das Gesundheitswesen zukunfts- und krisenfest ausgestalten. Vertreter von SPD und FDP nahmen nicht teil, auch nicht virtuell. Karl-Josef Laumann (CDU) und Ursula Nonnemacher (Grüne) betonten die Notwendigkeit der Krankenhausplanung auf Landesebene und nicht zentral aus Berlin durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, der ihnen die „Luft zum Atmen“ nehme. Es sei aber schon einiges bei der sektorenübergreifenden Versorgung erreicht worden. Der eklatante Fachkräfte- und Ärztemangel wurde von den Fraktionen thematisiert, aber effektive Sofortmaßnahmen waren nicht erkennbar.
Pierre E. Frevert: Es ist schade, dass keine an den Koalitionsverhandlungen beteiligte Gesundheitspolitiker anwesend waren, die die Stoßrichtung künftiger Gesundheitspolitik hätten aufzeigen können. Die eingeladenen Gesundheitspolitiker/-innen Nonnemacher (Grüne), aus Brandenburg und selbst Ärztin, Claudia Bernhard (Linke) aus Bremen und der Noch-Gesundheitspolitiker Laumann (CDU) aus Nordrhein-Westfalen äußerten sich zwar zu Fragen des Pandemiemanagements und der Krankenhausfinanzierung sowie zum Ärztemangel, besonders in Brandenburg und Bremen, aber das Achten auf Zeitproporz und der Umstand, dass sich alle lediglich auf Fragen des Moderators Jürgen Zurheide (Deutschlandfunk) bezogen und wenig untereinander oder mit dem mitdiskutierenden Ärztekammerpräsidenten Reinhardt interagierten, nahm der Diskussion wie schon im Mai die nötige Schärfe und Prägnanz. Die Kernforderungen an ein gesundheitspolitisches Sofortprogramm wurden wegen der Koalitionsvereinbarungen schlicht ausgeblendet.
Dr. med. Christof Stork: Es war ja leider nur die dritte Reihe der Gesundheitspolitik (Länderminister*innen) angetreten, davon zwei nur virtuell. Die 90 Minuten hätte man im Aussagekern auf 45 Minuten schrumpfen können. Man war weit entfernt vom Bekenntnis eines umfassenden Umstrukturierungsbedarfs. Die ethische und menschliche Not der Patienten und der Beschäftigten im Gesundheitssektor wurde nur in Allgemeinplätzen gestreift. Mein Eindruck ist, dass Politik und Gesundheitsverwaltung und vereinzelt auch im ärztlichen Bereich Tätige weiterhin dem Irrglauben, dass neoliberaler Markt die Bedürfnisse von Hilfebedürftigen, Kranken und Behinderten regeln könne, erliegen. Die letzten Konsequenzen – weg mit den DRG und den gewinnorientierten privaten Trägern – wurden so nicht gefordert.
Dr. med. Wolf Andreas Fach: Fachkräftemangel im pflegerischen und ärztlichen Bereich wurde von den Vertretern der Landesregierungen einhellig bestätigt und auch die Konsequenz nach der Forderung von mehr Studienplätzen. Eine Grundfinanzierung der Vorhaltekosten von Krankenhäusern mit Veränderungen des DRG-Systems solle den stationären Bereich zukunftsfest aufstellen. GBA-Vorgaben wurden als hinderlich für die Krankenhausplanung eingeschätzt. Die Sektorengrenzen ambulant-stationär sollen aufgelöst werden – nur die Richtung fehlt, in der dies erfolgen soll.
Dr. med. Christoph Claus: Die Kernforderungen der BÄK sind angemessen. Ich bezweifle allerdings, dass sich die Ampel davon beeinflussen lässt.
Dr. med. Lars Bodammer: Die Dringlichkeit zum Handeln ist gegeben. Deshalb ist ein Sofortprogramm zur Verbesserung der Personalsituation in den Kliniken zielführend. Ob die Politik ausreichende Lösungen hierzu findet, ist fraglich. Der neuen Bundesregierung muss man die Chance geben, die guten Vorschläge der Ärzteschaft als Handlungsempfehlung zu nutzen.
Dr. med. Peter Zürner: Die BÄK hat in ihren Kernforderungen notwendige Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitssystems präzise und schlüssig dargestellt. Ein wichtiger Hinweis auch für die Akteure in den Koalitionsverhandlungen.
Wie bewerten Sie die Rede des BÄK-Präsidenten Dr. med. Klaus Reinhardt?
Dr. med. H. Christian Piper: Freundlich, eloquent, zumeist schon vorbekannte Ziele: Nur mehr als 3.000 bis 5.000 Studienplätze können dem Ärztemangel wirklich abhelfen; der ÖGD braucht tiefgreifenden Strukturwandel und bessere Bezahlung, um die immer noch fehlenden Ärzte für die Aufgaben zu finden und zu halten; in der Pandemie viel besser aufklären für mehr Impfbereitschaft; mehr Schutz vor Gewalt gegenüber Ärzten und allen weiteren Tätigen im Medizinbetrieb; neue GOÄ endlich verabschieden; verbesserte Krankenhausplanung; mehr Digitalisierung; mehr Geld der Länder für ausgebliebene Krankenhausinvestitionen; Zurückdrängen kommerzieller Träger von Kliniken – und last but not least: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.
Was im Setting fehlte: der neue Bundesgesundheitsminister als „Sparringspartner“ – der bisherige hat leider seine Ansage vom Mai nicht eingehalten, am nächsten DÄT erneut mit uns zu sprechen. Da wäre sachlich durchaus einige Kritik anzubringen gewesen.
Dr. med. Michael Weidenfeld: Aus der Rede des Präsidenten ist mir besonders hängen geblieben: Anforderung, aus der Pandemie zu lernen; Ärzte aus dem Ausland zu besorgen, ist nicht sinnvoll, weil sie in ihren Heimatländern dann fehlen; der ÖGD funktionierte nur gut wegen der außerordentlichen Arbeit der Akteure und muss weiter unterstützt werden. Reinhardt forderte, mehr Ärzte auszubilden. Besonders wichtig sei es auch, die Bevölkerung bezogen auf gesundheitliche Informationen weiter zu unterstützen. Hier könnte eine gemeinsame Behörde aus BÄK und Fachgesellschaften sowie dem Gesundheitswesen hilfreich sein. Der Erhalt des dualen Krankenkassensystems sei gut, die neue GOÄ sei fertig und die Politik soll diese jetzt umsetzen.
Es wird betont, dass die Ärzteschaft ein freier Beruf sei, weisungsunabhängig, und es verbiete sich jede Einflussnahme in die Patientenversorgung. MVZ sollen keine Marktbeherrschung erreichen und den kompletten Inhalt eines Fachs abbilden statt eines Teilbereichs. Das DRG-System ist auf Gewinn ausgerichtet und setzt die Ärzte unter Druck.
Digitalisierung muss einen Vorteil für Ärzte und Patienten haben. Bezogen auf die Gematik sollte eine Testung auf Praxistauglichkeit zunächst über ein Jahr erfolgen. Der digitale Ausbau in den Krankenhäusern ist damit ebenso gemeint. Es gibt ein Krankenhaus-Zukunftsgesetz. Eine Forderung wird formuliert, ein Praxis- Zukunftsgesetz bezogen auf die Digitalisierung zu etablieren.
Frevert: Die Rede des BÄK-Präsidenten war dem Klimagipfel angepasst, enthielt sie doch wichtige Forderungen zur Klimakrise aus ärztlicher Sicht, die sich in den Anträgen vom Vorstand niederschlugen und größtenteils von den Abgeordneten aufgenommen wurden, wobei die Verschärfung der Vorstandsforderung, das Gesundheitswesen nicht 2035, sondern bereits 2030 (!) klimaneutral zu gestalten, ein echter Erfolg der Abgeordneten nach kontrovers geführter Debatte war und ein echtes Signal, dass die Ärzteschaft die Klimakatastrophe ernst nimmt. Die Äußerungen zur stagnierenden GOÄ-Novellierung waren hingegen nicht neu und ersetzte für mich nicht die Frage nach einem zukunftsfähigen und solidarischen Gesundheitswesen, das nur in einer klugen und nachhaltigen Zusammenführung der beiden Systeme gefunden werden kann. Die eindeutige Kritik des Präsidenten an einer Digitalisierung, die die ärztliche Selbstverwaltung aushebelt und nur Sanktionen gegen Ärztinnen und Ärzte bei Nichtfunktionieren des ganzen Systems kennt, war überfällig. Dass sich die gesamten Abgeordneten hinter einen Antrag stellten, der genau wie die KV in Hessen fordert, die Sanktionierungen auszusetzen, war ermutigend. Das Thema Weiterbildung wurde durch die flächendeckende Einführung des eLogbuches dominiert, wobei ich mir gewünscht hätte, die vielen Schwierigkeiten, auf die Weiterbildungsbefugte im Niedergelassenenbereich stoßen, mehr in den Fokus zu nehmen. Auch die Verschiebung des TO-Punktes Suizidprävention habe ich als engagierter Arzt in diesem Bereich bedauert, aber wegen des vollen Programms von 69 Anträgen auch verstanden. Insgesamt war der Präsident in seiner Diskussionsführung ausgesprochen souverän, wenn manchmal auch suggestiv – und seine Rede hat den Boden für eine lösungsorientierte Diskussion bereitet.
Dominik: Die Eröffnungsrede des BÄK-Präsidenten ging auch auf das Schwerpunktthema des Ärztetages ein, den Schutz der Gesundheit vor den Folgen des weltweiten Klimawandels. Die umfassende Rede sprach vielen von uns aus dem Herzen und hat mich beeindruckt.
Zürner: Eine außerordentlich gute Rede, in der alle relevanten Themen der Ärzteschaft schlüssig dargestellt wurden. Besonders wichtig sind mir folgende Punkte: Die Freiberuflichkeit aller Ärzte schützt Patienten davor, dass medizinische Maßnahmen primär unter ökonomischen Aspekten durchgeführt werden. Das DRG-System solle so geändert werden, dass kleine Häuser in der Region überlebensfähig sind, auch wenn sie ausschließlich der Grundversorgung dienen. Fort- und Weiterbildung der Ärzte muss bei der Personalplanung berücksichtigt werden und im Stellenplan abgebildet sein. Wir benötigen 4.000 neue Studienplätze (das wäre der Stand von 1989). Ambulant wie stationär wird Zeit für Patientenberatung und -betreuung auf Sonntagsreden hochgehalten, aber weiterhin nicht adäquat berücksichtigt und vergütet. Dabei macht gerade dies den Kern ärztlicher Tätigkeit aus. Bei der Digitalisierung geht Qualität vor Tempo, ein einjähriges Moratorium mit Modellversuchen kann eine effektive Implementierung vorbereiten helfen. Es kann nicht sein, dass Ärzte Strafe zahlen, wenn sie mit nicht funktionierenden Elementen arbeiten müssen, auf die sie keinen Einfluss haben. Hier ist ein gemeinsames Erarbeiten effektiver Strukturen nötig. Dann unterstützen Ärzte auch die Digitalisierung, sofern Patientendaten wirksam geschützt sind.
Fach: Der Präsident hat mit einer klugen und umfassenden Rede den aktuellen Stand und die Fehlentwicklungen in der Gesundheitspolitik aufgezeigt. Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und fehlende Studienplätze, Reform des ÖGD, GOÄ-Novelle und Krankenhausreform wurden thematisiert. Die Betonung ärztlicher Kompetenz vor Ökonomisierung und fremdbestimmtem ärztlichen Handeln wurde von den Abgeordneten sehr begrüßt. Eine nationale Strategie für klimafreundliche Gesundheitsversorgung wurde eingefordert.
Stork: Kurz gesagt: zielführend, aber nicht ausreichend. So wie insbesondere der dringende Bedarf an der Veränderung der Zustände im Krankenhaus aufgeführt wurde, mangelte es immer noch an Klarheit in der Ursachenbenennung. Lediglich im ambulanten Bereich wurden klar Finanzinvestoren als Eigentümer abgelehnt. Die Abschaffung der DRG wurde nicht deutlich genug eingefordert. In Bezug auf die Bedeutung des Gesundheitswesens für den Klimaschutz wurde eine gute breite Plattform geschaffen. Leider schien das im medialen Echo unterzugehen.
Jaeger: Ich war positiv überrascht und kann mit den Eckpunkten nur übereinstimmen: Stärkung des ÖGD und Neuausrichtung/bessere Einflussmöglichkeiten des Robert Koch-Instituts (RKI) als Lehre aus der Pandemie-Bewältigung; Einführung der GOÄ ist von der Ärzteschaft vorbereitet und soll zeitnah durch die neue Regierung umgesetzt werden (seit 1982 echt nötig!); in der Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht nur Druck vermitteln, sondern diese mit Sachverstand vorantreiben und dabei den Datenschutz sichern; der ärztliche Beruf ist ein freier Beruf, d. h. die Ärzteschaft (egal ob selbstständig oder angestellt) darf keiner Anweisung von Nichtärzten unterworfen sein; Klimaschutz heißt Gesundheitsschutz und uns Ärzt*innen kommt dabei eine besondere Verantwortung, eine wichtige Stimme in der Gesellschaft zu. Auch seinen Wunsch, dass es mit der zukünftigen Regierung wieder ein Miteinander und weniger blinden Aktionismus geben wird, möchte ich unterstreichen.
Claus: Reinhardt hat zurecht viel Zustimmung zu seiner Rede erhalten. Er hat die wichtigsten Themen angemessen gewichtet vorgetragen.
Bodammer: Die Abgeordneten des DÄT sind froh, wieder in persönlicher Begegnung die dringenden politischen Themen besprechen zu können und die Meinung der deutschen Ärztinnen und Ärzte wiederzugeben. Diese Stimmung hat der Präsident gut wiedergegeben.
Wie beurteilen Sie das Schwerpunktthema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“? Sind die Beschlüsse des DÄT in der Praxis umsetzbar und werden Verbesserungen nach sich ziehen?
Dipl.-Psych. Frank Seibert-Alves, (BMedSci): Das Wichtigste war, dass „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ endlich Schwerpunktthema war und in fast allen Beiträgen engagiert und ernsthaft diskutiert wurde. Ob die vielen Beschlüsse umgesetzt werden, liegt meist nicht nur an den Abgeordneten oder auch an allen Ärztinnen oder Ärzten. Aber wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg.
Stork: Es wurden in den Leitanträgen des Vorstands viele wichtige Themen angeschnitten und Forderungen gestellt. Von den Delegierten kam eine Flut von Anträgen mit sehr differenzierten Forderungen für verschiedenste Teilbereiche zur Abstimmung. Teilweise waren die Bekenntnisse nicht mutig genug (Vorstandsüberweisung), wenn es darum ging, gesundheitliche Einflüsse gebietsübergreifend zu anderen Problemfeldern (z. B. Landwirtschaft, Verkehr) aufzuzeigen.
Weidenfeld: Die Entscheidungen des DÄT bezogen auf den Klimaschutz fand ich sehr bemerkenswert. Festgestellt wurde, dass Ärztinnen und Ärzte keine Entscheidung treffen wollen und auch keine medizinischen Maßnahmen vornehmen, welche aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben erfolgen und dabei das Patientenwohl gefährden. Die Ärzteschaft lehnt alle Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorgaben ab, welche ärztlich verantwortungsvolles Handeln tangieren und die mit ihrem ärztlich ethischen Selbstverständnis unvereinbar sind. Wir haben festgestellt, dass der Klimawandel bereits ein immenses Problem der Gegenwart ist. Auch wir Mediziner sind selbst ein auslösender Faktor für den Klimawandel. Somit ergibt sich auch für uns die Verpflichtung, ärztliche Arbeit klimafreundlicher zu gestalten. In Deutschland gibt es bereits Leuchtturmprojekte, eine klimaneutrale Praxis zu schaffen. Hier fand ich die beiden Vorträge der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG) zur Gestaltung nachhaltiger Praxen sehr interessant. Unsere Verantwortung ist Verpflichtung zugleich – Klimaschutz ist Gesundheitsschutz. Interessant fand ich auch hier die Forderung, dass neben den Emissionen, die bei der Herstellung von Medizinprodukten und Arzneimitteln entstehen, auch die Umweltstandards für die Produktion derselben global gleichermaßen hohen Anforderungen genügen sollen. Die Firmen, die Praxen und Krankenhäuser mit Diagnostik-Materialien, Medikamenten, Medizinprodukten etc. versorgen, werden aufgefordert, Verpackungskonzepte und Materialien zu entwickeln, welche unter Beachtung von Hygiene, Infektionsschutz und Arbeitssicherheit Kriterien des Umweltschutzes verpflichtend umsetzen. Eine von den Abgeordneten der LÄKH eingebrachte Aufforderung an den Vorstand der BÄK, die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Einmalmaterialien in Diagnostik und Therapie unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten, insbesondere der Umwelt und des Klimaschutzes, aber auch des unterstellten Infektionsschutzes sowie unter Versicherungs- und Wirtschaftlichkeitsaspekten zu überprüfen, wurde in diesem Zusammenhang angenommen.
Piper: Exzellente Impulsvorträge und teilweise langes verbales Ringen um gute Beschlüsse. Letztlich kam eine starke Verpflichtung der Ärzteschaft heraus, im eigenen Rahmen der Kliniken und Praxen voranzugehen und zeitnah große Beiträge zum Klimaschutz vorbildhaft im Gesundheitswesen bis 2030 umzusetzen.
Fach: Zum einen wurde dem Klimaschutz berechtigterweise eine hohe Priorität eingeräumt. Es fehlte allerdings eine kritische Auseinandersetzung zur klimapolitischen Wirksamkeit der Beschlüsse. Vereinzelt wurden sehr kleinteilige Maßnahmen von fraglicher umweltpolitischer Relevanz beschlossen. Eine strukturierte Betrachtung und Abwägung von Einzelmaßnahmen bezüglich der klimapolitischen Effizienz und deren finanzieller Folgen für die Ärzteschaft erfolgte nicht.
Jaeger: Ich bin begeistert über die inhaltlich vielfältigen und fundierten Eingangsreferate (Darstellung der Kernpunkte von Planetary Health) und dass eine junge engagierte Ärztin, Sylvia Hartmann, die Einführung machen durfte (KLUG-gewählte Worte). Der Klimaresilienz-Ansatz von Prof. Dr. Dr. Sabine Gabrysch hat mir bestätigt, dass es besser ist, bei den Maßnahmen zum Klimaschutz auf den Nutzen als auf den Verzicht zu fokussieren. Denn Win-win-Lösungen geht man eher an und was dem Klima nutzt, nutzt auch unserer Gesundheit: Verkehr umstellen heißt weniger schädliche Emissionen und fördert Bewegung/Gesundheit; Erneuerbare Energien fördern, statt 3,6 Mio. Tote aufgrund von Luftverschmutzung akzeptieren; Umstellung der Landwirtschaft bewirkt Naturschutz (Biodiversität fördern und Waldsterben aufhalten) und verbessert unsere gesunde Ernährung etc.; sie hat aus meiner Sicht auch noch mal darauf hingewiesen, dass eine Abkehr von ständigem Wachstum und Beschleunigung auch unserer seelischen Gesundheit gut tun wird. Beide Vortragende haben hingewiesen, dass es nicht nur darum geht, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu überprüfen, sondern auch den Handabdruck – gemeinsam politischen Einfluss zu nehmen – zu ändern. Auch bei den beiden Vorstandsmitgliedern PD Dr. med. Peter Bobbert und Dr. med. Gerald Quitterer, die diesen TOP vorbereitet hatten, hatte ich den Eindruck, dass ihnen Klimaschutz und Gesundheit ein echtes Anliegen ist. Die anschließende Diskussion wurde sehr engagiert und vielfältig geführt. Einflussmöglichkeiten wurden aufgezeigt (Wegwerfprodukte und lange Lieferketten hinterfragen, Einfluss auf/über die Versorgungswerke und Ärztekammern ausüben, Vorbildfunktionen übernehmen, politisch aktiv werden (z. B. bei KLUG), Klinikträger mitnehmen, Personal und Klimamanager fordern etc.). Transformation braucht Zeit und muss verschiedene Menschen (Bildungsniveau, Aufklärung) mitnehmen. Vizepräsidentin Dr. med. Ellen Lundershausen hat die Hoffnung geäußert, dass alle Abgeordnete des DÄT als Klimabeauftragte der deutschen Ärzteschaft nach Hause fahren, denn wir müssen handeln. Mein Eindruck ist, dass ein Aufbruch von diesem DÄT ausgeht – ich wäre gerne vor Ort dabei gewesen!
Bodammer: Zurecht haben wir lange über den erforderlichen Beitrag des Gesundheitssektors zum Klimaschutz diskutiert. Es wurden viele gute und politisch wertvolle Anträge hierzu beschlossen, um entschlossener für Klimaschutz zu handeln.
Dominik: Viele ÄrztInnen, besonders aber auch junge ÄrztInnen, haben sich kompetent, mutig und beeindruckend engagiert zum Klimaschutz geäußert. Das Schwerpunktthema ist eine Notwendigkeit und ich würde mir wünschen, dass sich die Abgeordneten des 125. DÄT flächendeckend als Boten des Klimaschutzes verstehen. Inwieweit die zahlreichen Beschlüsse umsetzbar sind, wird sich zeigen. Steter Tropfen höhlt den Stein und so ist es wichtig, sich nicht von Ablehnung und Unverständnis des Klimaschutzes beeindrucken zu lassen. Wir alle werden intensive Überzeugungsarbeit leisten müssen, weil die Zeit drängt. Genauso wichtig ist die Implementierung einer Infrastruktur mit Zuständigkeiten und Verpflichtungen zum Klimaschutz mit vermehrt Fachärzten für Hygiene und Umweltmedizin im Gesundheitswesen, Kliniken und Praxen. Die kennzeichnende Einführung einer Klima-Ampel (rot, gelb, grün für umweltschädlich bis umweltverträglich) für Produkte, Methoden und Verfahren wäre hilfreich. Ich würde mir wünschen, dass der Grundsatz des Klimaschutzes im § 12 des SGB V ergänzt würde. Denn Leistungen müssen nicht nur ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, sondern in bestimmten Konstellationen, etwa beim Vergleich von gleichwertigen Methoden oder Leistungen, auch den Klimaschutz berücksichtigen. Klimaschutz muss auf Gesetzesebene, aber auch bei Beschlüssen des GBA und bei Nutzenbewertungen des IQWiG stattfinden. Ein Antrag hierzu wurde an den BÄK-Vorstand überwiesen.
Claus: Entgegen der mutmaßlich allgemeinen Wahrnehmung und angesichts 30 Jahren Vorarbeit bin ich enttäuscht. Dass die Ärzteschaft aufgrund ihres besonderen Vertrauensverhältnisses eine Vorbildfunktion sowie eine besondere Verantwortung hat und beides nutzen sollte, um den Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe in die Fläche zu tragen, geht ebenso an der Realität des Alltags ärztlicher Tätigkeit vorbei wie die Mär von der Delegation statt Substitution (ohne ausreichende Zahlen von Pflegenden) oder die Predigt vom Tempolimit oder von der veganen Ernährungsweise, die gleich die „Volkskrankheiten“ noch eben miterledigt, während sie die Erde rettet. Zielführender waren da schon die eher appellativ zu wertenden Forderungen an den Rest Deutschlands, dieses oder jenes zu tun, um die Bevölkerung im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe an das zu erinnern, was jeder Einzelne tun kann. Ich sehe die Lösung des Problems durchaus in der Verantwortung Deutschlands, als Vorbild für die Welt, aber weniger im Kampf gegen Übergewicht und Tomahawk-Steaks vom Gasgrill, sondern eher im Bereich der Hochtechnologie und Ingenieurskunst.
Frevert: Das Thema war schon lange gesetzt und pandemiebedingt zweimal verschoben worden. Dass ausgewiesene Expertinnen wie Prof. Gabrysch von der Charité oder die engagierte junge Ärztin und stellvertretende Vorsitzende der KLUG Sylvia Hartmann eingeladen waren, hat dem Ärztetag einen wissenschaftlich unbestrittenen Rahmen, aber auch Mut zu mehr ärztlichem Engagement in Sachen Klimaschutz vermittelt. Was die Umsetzbarkeit angeht, waren die Anträge für mich noch nicht zielführend genug. Aber es ist gut, wenn in Sachen Klimaschutz der Ärztetag einen Rahmen vorgibt, in welchen die einzelnen Forderungen in den kommenden Monaten und Jahren – die Zeit drängt! – Punkt für Punkt umsetzungsreif abgearbeitet werden können. Wenn der DÄT die kommende Regierung nicht zu einem nationalen Hitzeplan bewegt und für entsprechende Investitionen in Krankenhäuser und Praxen sorgt, dann haben sich die Abgeordneten umsonst abgekämpft. Was unbedingt schnell wieder auf die Agenda gehört, ist die Frage der nachhaltigen Investitionen der Versorgungswerke (divestment), die eines der stärksten Instrumente ist, die CO2-Emissionen nicht nur im Gesundheitswesen effektiv zu reduzieren und dadurch langfristig die Renten der nachfolgenden Generationen zu sichern. Mein Fazit: Das Schwerpunktthema war ein erster wichtiger Schritt, aber nun muss der Klimaschutz in den Landesärztekammern konkretisiert werden.
Welche (anderen) Themen und Beschlüsse des DÄT fanden Sie besonders wichtig?
Fach: Qualitätssicherung der Weiterbildung und Verzahnung von ambulanter und stationärer Weiterbildung sind konsentiert und bedürfen noch der Ausgestaltung.
Dominik: Besonders wichtig und aktuell ist das Thema Impfpflicht, zu dem ich mir keine abschließende Meinung bilden konnte. Wie können wir Bevölkerungsgruppen erreichen und „abholen“, die für eine präventive Medizin mit Vorsorgeuntersuchungen und auch Impfungen nicht zugänglich sind? Was tun gegen irreführende Online-Chats zu medizinischen Themen in sozialen Medien? Vielleicht wäre dies ein Thema für zukünftige Ärztetage.
Weidenfeld: Der 125. DÄT fordert mit allem Nachdruck, Maßnahmen zur Gewaltprävention auszubauen und umfangreiche Kampagnen zu etablieren, um Gewalt gegen Hilfeleistende, Ärztinnen und Ärzte und medizinisches Personal zu verhindern. Der deutsche Ärztetag spricht sich für ein sofortiges allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen, Bundesstraßen sowie auf Land- und Ortsstraßen aus.
Stork: Das Thema Einforderung einer gesetzlich verankerten Suizidprävention ist sehr wichtig. Aufgrund des zurzeit stockenden Gesetzgebungsprozesses zur Suizidbeihilfe wurde dies aber auf den nächsten DÄT vertagt. Dort und auch schon vorher auf Ebene der Fachgremien der BÄK muss dies vehement vertreten werden, um der ärztlichen Aufgabe der Bewahrung von Gesundheit und Leben in diesem Zusammenhang ein starkes Standbein zu verschaffen.
Claus: Nun ja, von dem, was geplant war, haben wir ja nicht alles besprechen können, vor allem weil beim – verstehen Sie mich bitte nicht falsch – wichtigen Hauptthema trotz Redezeitbegrenzung ein gerüttelt Maß an Redundanzen zu finden war. Vielleicht hätten wir die Abstimmungszettel faxen sollen. Beeindruckt haben mich der letzte Redner am Montagabend (über die Anträge zu Top 3 werden wir erst später abstimmen können) und die beiden ersten Rednerinnen am Dienstagmorgen (leidenschaftlich zum Klimaschutz). Vielleicht ist die Welt ja doch noch zu retten.
Frevert: Neben dem Klimaschutz waren die klaren Statements gegen die ausufernde Kommerzialisierung zuungunsten der Patientenversorgung das wichtigste Thema. Im Grunde entspricht die rücksichtslose Ausbeutung der ärztlichen und pflegerischen Kraft zur kurzfristigen Profitmaximierung, die das Gemeinwohlinteresse verdrängt, der rücksichtslosen Ausbeutung des Planeten, die Mensch und Natur den Lebensraum raubt. Wenn endlich auch gesetzgeberisch geregelt werden kann, dass Entscheidungen im Gesundheitswesen ärztlicher und nicht betriebswirtschaftlicher Logik folgen müssen und dass das Vorhalten von Versorgungsstrukturen gerade in Zeiten von zunehmenden Klimakatastrophen und Pandemien unabdingbar für das Gemeinwohl ist, wäre dies ein Erfolg.
Bodammer: Kliniken werden aufgefordert, auf ein klimaneutrales Wirtschaften hinzuarbeiten. Die Politik muss sie hier organisatorisch, per Gesetzgebung und finanziell unterstützen.
Zürner: Im Sachstandsbericht Weiterbildung wurde der Prozess sehr ansprechend dargestellt. Die dynamische Entwicklung und hohe Akzeptanz des E-Logbuchs ist beeindruckend. Mehrere Teilnehmer wiesen darauf hin, dass in vielen Kliniken eine ordnungsgemäße Weiterbildung nicht gesichert ist und junge Kolleg/innen Brandbriefe schreiben. Da die Hemmschwelle, an die Öffentlichkeit zu gehen, sehr hoch ist, scheint der aktuelle Zustand unhaltbar zu sein. Da helfe auch das beste E-Logbuch nichts. Ein Antrag zur Covid-Impfpflicht wurde an den Vorstand überwiesen. Hier ist eine weitere Meinungsbildung erforderlich. Bemerkenswert finde ich den verabschiedeten Antrag, eine Parität in der ärztlichen Selbstverwaltung gesetzlich festzuschreiben.
Welche Erwartungen setzen Sie in den neugewählten Vizepräsidenten der BÄK?
Dominik: Ich erhoffe mir, dass Dr. Günther Matheis als Klinikarzt gemeinsam mit den ambulant tätigen Ärzten Themen wie die Klinik-Finanzreform und GOÄ-Reform effektiv voranbringt.
Zürner: Günther Matheis ist ein exzellenter Vertreter der angestellten Ärzte, ein erfahrener Teamplayer und herausgehobenes Gesicht der verfassten Ärzteschaft.
Frevert: Die Hoffnung ist, dass der neu gewählte Vizepräsident sich engagiert zeigt, die Anliegen der Ärzteschaft zu vertreten, und hilft, Klimaschutz als ein Anliegen des Gesundheitsschutzes in der Ärztekammer zu etablieren, was zugunsten von Forschung, Prävention und Versorgung als urärztliche Aufgabe gesehen werden sollte.
Stork: Dass er sich deutlich und klar für die Abschaffung der DRG, für eine Veränderung der Bedarfsplanung (Entkopplung von reiner Länderpolitik) im Krankenhausbereich, für eine Abschaffung bestimmter privatwirtschaftlicher Eigentumsformen im Klinikbereich einsetzt. Außerdem müssten verpflichtende Strukturen geschaffen werden, welche die Verflechtungen von Entscheidungsträgern in Kammern, Kliniken und Praxen mit den Wirtschaftsakteuren transparent machen. Nur so kann ärztliche Glaubwürdigkeit Gewicht und Stimme erhalten in den Forderungen an Politik und Gesellschaft.
Jaeger: Keine besonderen. Vielleicht haben wir einen besseren Draht zur BÄK durch die räumliche Nähe.
Bodammer: Ich erwarte einen verstärkten Einsatz für die jungen Kolleginnen und Kollegen, damit eine vernünftige Weiterbildung auch unter Pandemiebedingungen stattfinden kann.
Piper: Kollege Matheis ist ein hochengagierter Pragmatiker, der in seinem Bundesland als Präsident viele Ideen und Ansätze bewegt. Und das, ohne sich in den meist lähmenden Grabenkämpfen wie ambulant oder stationär zu verlieren. Sicherlich ein Gewinn für den engeren Vorstand der BÄK, mit überzeugendem Zuspruch im Wahlergebnis.
Fach: Die verstorbene Vizepräsidentin Dr. Heidrun Gitter wird schmerzlichst vermisst und ihr Nachfolger Herr Kollege Dr. Matheis wird sich als „alter Hase“ nahtlos in die breit aufgestellte Führungsstruktur der BÄK einreihen.
Der 125. DÄT fand hybrid– online wie vor Ort in Berlin – statt. Wie ist Ihre Erfahrung mit dieser Veranstaltungsform?
Stork: Da ich anwesend war, kann ich nur für diesen Teil sprechen. Dr. Reinhardt hat mit ruhiger und humorvoller Souveränität trotz aller digitalen Probleme mit dem Abstimmungssystem und dem Netzwerk durch die Versammlung geführt – wirklich gut. Beim nächsten DÄT hoffe ich auf mehr Glück mit dem EDV-Dienstleister und auf ein funktionierendes digitales Abstimmungswerkzeug. Die Antragsverarbeitung über das Online-Portal erfordert mehr Disziplin und technische Fertigkeiten. Es lohnt sich aber im Hinblick auf den schnelleren Zugriff auf alle relevanten Themen und Schriftstücke.
Piper: Nach überwundenen technischen Hürden mit dem WLAN am ersten Tag lief alles sachlich und kommunikativ rund und gut. Gleichwohl: Postpandemisch wünschen zweifellos alle, Demokratie wieder frei im persönlichen Miteinander gestalten und im direkten Gegenüber ausleben zu können!
Frevert: Von dem Versagen der Technik abgesehen – ich war als Ersatzabgeordneter am ersten Tag zwei Stunden von wichtigen Diskussionen abgeschnitten, weil die Live-Übertragung eingefroren war, und am zweiten Tag, als ich Abgeordneter war, lief die elektronische Abstimmung nicht und musste durch Handzeichen ersetzt werden – halte ich die Hybridversion für überzeugend und machbar. Die Präsenzveranstaltung würde ich dennoch bevorzugen, weil ich mit den hessischen Kolleginnen und Kollegen jenseits meiner Fraktion besser ins Gespräch gekommen bin und andere Abgeordnete kennenlernen durfte, die überzeugende Reden und Anträge vorgebracht haben.
Jaeger: Als reine Beobachterin waren die technischen Mängel noch zu ertragen, aber die Probleme vor Ort zeigen, dass wir noch weit entfernt von einer guten Digitalisierung in Deutschland sind. Mir fehlte die Atmosphäre und der Austausch am Rand des DÄT. Trotzdem möchte ich die Hybrid-Veranstaltung weiterentwickelt sehen, da es eine Möglichkeit ist, aktiv etwas für den Klimaschutz zu tun und an Reisekosten zu sparen.
Fach: Sowohl der Online-Ärztetag auch der Ärztetag als Hybrid-Veranstaltung sind allenfalls Hilfsmittel. Erforderliche Diskussionen sowie Meinungsfindungen im Gesundheitssystem sind komplex. Online-/Hybridveranstaltungen können, insbesondere bei sensiblen Themen, nicht die erforderliche Breite und Tiefe der Diskussion abbilden, die für fundierte Entscheidungen erforderlich sind. Manchmal hilft nur das direkte Arzt-Patienten-Gespräch.
Dominik: Der Ärztetag ist eine Veranstaltung des intensiven Austausches zwischen Ärzten zu berufspolitischen Themen im Gesundheitswesen. Diskutiert wird vom Podium, aber auch am Plenarsaal und während der Pausen. Virtuell teilnehmende KollegInnen kommen bei der Diskussion und Meinungsbildung teilweise zu kurz. Intermittierend halte ich eine digitale Teilnahme aber für eine gute und auch umweltschonende Alternative.
Seibert-Alves: Leider sehr ernüchternd. Viele Abgeordnete kamen nicht ins WLAN-Netz. Mir selbst war nur ein Zugang über den Hotspot meines Handys möglich. Manche Abgeordnete „schafften“ es bei einer Probeabstimmung bis zu viermal abzustimmen. Ob im Ernstfall dann alle 4 Voten gezählt hätten? Die notwendige Umstellung am zweiten Tag auf Stimmkarten im Saal und online für die wenigen Abgeordneten, die nicht vor Ort waren, führte zur zumindest theoretischen Möglichkeit der Abgeordneten vor Ort per Stimmkarte und zusätzlich online abzustimmen – hoher zusätzlicher „Kontrollbedarf“. Mein persönliches Fazit: Der Ärztetag ist (meist, grundsätzlich und überhaupt) nur einmal im Jahr – und dann muss es auch möglich sein, 250 motivierte Ärztinnen und Ärzte an einem physischen Ort zusammenzubringen!
Claus: Ja, hybrid. Ist besser für’s Klima: Von den ca. 220 Präsenzteilnehmern mussten die aus Baden-Württemberg und Bayern eingeflogen werden, die restlichen ca. 30 Online-Teilnehmer haben acht Stunden/d auf den Bildschirm geglotzt und Pausenmusik erduldet. Und online hat dann irgendwann auch das digitale Abstimmungswerkzeug funktioniert. In der Halle in Berlin (okay, nach der Bundestagswahl hätte man das ahnen können) stimmte man mit der Hand ab, unter Inkaufnahme entsprechender Fransen um den Mund der Sitzungsleitung. Schade, dass Menschen, die südlich von Hannover wohnen, nächstes Jahr auch nur hybrid auf dem 126. Ärztetag dabei sein können. Weil das besser ist für’s Klima. Oder die nehmen gleich DÄT plus vier Tage frei und fahren mit dem E-Lastenrad, dann setzen wir auch ein Zeichen Richtung Russland und China.
Zürner: Hier zeigen sich die Tücken der Technik. Am gesamten ersten Tag gab es im Saal kein funktionierendes WLAN. Die souveräne Versammlungsleitung des Präsidenten hat den Schaden minimiert.
Bodammer: Die persönliche Begegnung ist unheimlich wichtig – vor allem auch für die Beschlüsse zum Klimawandel. Dennoch sollten wir alle Sitzungen, die nicht die persönliche Begegnung brauchen, per Videokonferenz abhalten.
Zusammenstellung: Maren Siepmann