Die Begriffe „Long Covid“, „Post-Acute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection“, „Long-term symptoms often associated with Covid-19“ und „Post-Covid-Syndrom“ werden häufig synonym verwendet und beschreiben persistierende Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Häufig wird eine Dauer über mehr als vier oder zwölf Wochen verlangt. Das Phänomen persistierender Symptome nach einer infektiösen Erkrankung ist nicht neu. So wurden etwa veränderte Kognition und persistierende Beschwerden schon in Zusammenhang mit Influenzapandemien [1] und anderen respiratorischen Erregern beschrieben.
Zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie wurde der Begriff Long Covid von den Betroffenen selbst geprägt, über soziale Medien Interessengemeinschaften gebildet und so Aufmerksamkeit verlangt [2]. Diese Patienten klagen entweder über eine ausbleibende Genesung nach einer nachgewiesenen oder vermuteten SARS-CoV-2-Infektion oder auch über das Auftreten neuer Symptome in zeitlichem Zusammenhang mit der Infektion. Wissenschaftlich beschrieben wurden inzwischen über 300 Symptome unter Beteiligung aller Organsysteme.
Einige dieser Symptome kommen ohnehin sehr häufig in der Bevölkerung vor. Es fehlen bis heute klare Diagnose-Kriterien, eine einheitliche Erhebung der Beschwerden sowie eine Abgrenzung zu anderen, auch unabhängig von Covid-19 auftretenden Erkrankungen. Dadurch sind selbst große Studien, die die Häufigkeit und Krankheitslast durch Long Covid unter die Lupe nahmen, schlecht miteinander vergleichbar. Wenig verwunderlich ist daher, dass die Erkrankungsprävalenz in einer Breite zwischen 4,7 % und 80 % [3] sehr stark unterschiedlich angegeben wird. Häufig wurde zudem keine Kontrollgruppe eingeschlossen. Studien, die auf direkten Beschwerdeangaben von Patienten, etwa über eine App, beruhen, können zudem durch Phänomene wie das Reporting Bias stark verzerrt sein. Ethnische Minderheiten sowie ältere Personen waren bei den Erhebungen häufig entweder nicht erfasst oder stark unterrepräsentiert [4], sodass die Krankheitslast in diesen Gruppen möglicherweise unterschätzt wird [5, 6].
Folgende Punkte konnten dennoch wiederholt dokumentiert werden:
- Einige Patienten klagen nach einer Covid-Erkrankung über anhaltende Beeinträchtigung der Gesundheit, deren Dauer zwölf Wochen nach einer Infektion überschreiten kann [3, 4, 7–9].
- Häufige Symptome sind Kurzatmigkeit, Brust- und Muskelschmerzen, Schwäche und Fatigue, Kopfschmerzen, Neuropathie, persistierende Anosmie, Schlaf-, Denk-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie Beklemmung.
- Nicht selten werden mehr als drei unterschiedliche Symptome angegeben [4, 10].
- Diese Beschwerden kommen häufiger nach einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion vor als in einer negativ getesteten Kontrollgruppe [10–12].
- Die Prävalenz steigt mit dem Alter an [3–5, 7, 14], auch bei Kindern und Jugendlichen [11, 13].
- Frauen sind häufiger betroffen als Männer [3–5, 7, 11, 12, 14, 15].
- Mit zunehmender Schwere der Covid-Erkrankung steigt die Wahrscheinlichkeit an Long Covid zu leiden [3, 4, 7].
- Jedoch können auch nur mild oder asymptomatisch an Covid-19 Erkrankte von Long Covid betroffen sein [9, 16].
- Beeinträchtigte physische oder psychische Gesundheit vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 erhöht die Wahrscheinlichkeit an Long Covid zu leiden [13, 14].
- Eine vollständige Impfung gegen Covid-19 vor einer Infektion reduziert die Häufigkeit von Long Covid [17].
Vermutlich handelt es sich pathophysiologisch um unterschiedliche Entitäten, die sich hinter dem Begriff Long Covid verbergen. Verschiedene klinische Syndrome werden diskutiert, darunter
1. das Long-term Covid Syndrom,
2. die direkte Organschädigung durch eine SARS-CoV-2 Infektion,
3. das Post-Intensive-Care Syndrome (PICS) und
4. das Chronic Fatigue Syndrome (CFS) [18].
Die Heterogenität verdeutlicht, dass für Long Covid ein holistischer Diagnose- und Behandlungsansatz erforderlich ist. In enger Abstimmung mit den Betroffenen sollten geeignete Leitlinien erstellt werden. Eine erste Risikoevaluation sollte eine schnelle Abklärung auf Hypoxämie oder Entsättigung bei Belastung, Angina pectoris und sonstige Zeichen einer Lungen- oder Herzschädigung und multisystemische Inflammationszeichen beinhalten. Es sollte individuell auf die jeweils vorliegenden Beschwerden eingegangen und die Auswirkung der Beschwerden auf das tägliche Leben evaluiert werden. Ein interdisziplinärer und multiprofessioneller Behandlungsansatz sollte bedarfsweise u. a. auch psychologische, psychosomatische und physiotherapeutische Angebote umfassen. Spezielle Long Covid-Ambulanzen können bei der Diagnosestellung helfen und Behandlungsempfehlungen geben.
Wichtig ist, dass in der Primärversorgung anhaltende Symptome nach Covid-19 erkannt werden. Eine verbesserte Versorgung von Patienten mit Long Covid könnte dabei auch der Versorgung von Patienten mit ähnlichen Krankheitsbildern wie CFS, PICS und Fibromyalgie (FM) zugutekommen.
Eine effektive Prävention ist über die Impfung möglich.
Dr. med. Sebastian Hoehl, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum Frankfurt
Dr. med. Alexandra Berger, Fachärztin für Allgemeinmedizin
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