„Nennt mich Rembrandt!“ – bis 30. Januar im Frankfurter Städel
Ein flächiges Gesicht, dominiert von einer markanten Nase und forschenden, wachen Augen: Schon früh wird Rembrandts Antlitz zu seinem künstlerischen Wiedererkennungszeichen. Über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren entstanden etwa 80 Selbstportraits in verschiedenen Techniken – so viele, wie kein Künstler je zuvor von sich gemalt hatte. Hinter dieser Inszenierung des eigenen Konterfeis mochte Eitelkeit stecken, vor allem aber diente sie der Werbung für die „Marke“ Rembrandt. Von selbstsicher bis herausfordernd, von idealisierend bis naturalistisch, von lachend bis in sich gekehrt spiegelt sich in den Gesichtszügen Rembrandts (1606–1669) sein Leben vom gefeierten Künstler und Unternehmer bis hin zu der Zeit, als der Wandel des Kunstgeschmacks Mitte des 17. Jahrhunderts seinen wirtschaftlichen Abstieg einleitete.
Über 40 Werke aus der Sammlung des Städel und 94 Leihgaben
Wer war dieser Rembrandt Harmenszoon van Rijn, der als Müllerssohn im niederländischen Leiden zur Welt kam, als 25-Jähriger den Amsterdamer Kunstmarkt betrat und seine Bilder fortan nur noch mit dem Vornamen signierte, um sich gegen die Konkurrenz in Amsterdam durchzusetzen? Mit der sehenswerten Ausstellung „Nennt mich Rembrandt!“ nimmt das Frankfurter Städel Museum den größten Künstler des niederländischen 17. Jahrhunderts – und zugleich weltberühmte Künstlerpersönlichkeit – in den Blick. Mit über 40 Werken aus der Sammlung des Städel und 94 Leihgaben aus aller Welt zeichnen die Ausstellungsmacher die entscheidenden Jahre von Rembrandts Karriere, seinen Aufstieg und Durchbruch nach. In einem thematisch strukturierten Rundgang treten dabei 60 Kunstwerke Rembrandts in Dialog mit Bildern anderer Künstler seiner Zeit.
„Größte und natürlichste Beweglichkeit“
So etwa Nicolaes Eliasz Pickenoys lebensgroßes Bildnis eines stehenden Mannes (1628) und Rembrandts über zehn Jahre später (1639) entstandenes „Bildnis des Andries de Graeff“. Während Pickenoys Komposition gestellt anmutet – u. a. hält der in einem kostbar ausstaffierten Innenraum Portraitierte in seiner, auf einem Tisch ruhenden Hand einen Handschuh als Symbol des Mannes von Welt – wirkt Rembrandts Bild natürlicher. Draußen vor der Tür seines Hauses entspannt an einen Sockel gelehnt, verkörpert de Graeff die selbstbewusste Lässigkeit seines Standes. Der Handschuh ist ihm wie zufällig auf den Boden geglitten; in seinem Gesicht sind Willenskraft und Eigenständigkeit zu lesen.
Ziel seiner Kunst sei die „größte und natürlichste Beweglichkeit“, sagte Rembrandt, dessen Werke das kunstbegeisterte Amsterdamer Bürgertum beeindruckten und ihn zunächst zum gefragten Portraitmaler machten. Ob im Gemälde, der Zeichnung oder der Druckgrafik erlaubte ihm das Studium des eigenen Gesichts, den Ausdruck unterschiedlichster Gefühle und Zwischentöne zu erkunden. Selbstbildnisse und Kopfstudien wurden zu einem Wiedererkennungszeichen seiner Kunst, denn er verwendete die eigenen Gesichtszüge auch in Rollenporträts, den sogenannten Tronies, so etwa der bekannten Tronie eines Mannes mit Federbarett (um 1635–1640).
Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669): Tronie eines Mannes mit Federbarett, um 1635–1640; Öl auf Holz; Mauritshuis, Den Haag. Das Foto wurde für den Druck und die Abbildung im Web leicht aufgehellt.
Drastische Szenerien
Doch Rembrandts künstlerisches Spektrum war breiter gefächert. Der niederländische Künstler beherrschte alle Gattungen der Malerei – neben ausdrucksstarken Portraits entstanden Landschaften, Stillleben, Historienbilder und Genreszenen. Meisterhaft setzte er Licht- und Farbeffekte in seinen Werken ein, um etwa, wie in der Landschaft mit Steinbrücke (um 1638), Natur anschaulich zu machen oder er kristallisierte entscheidende Szenen biblischer Erzählungen in einem Bild. Ein ebenso drastisches wie eindrucksvolles Beispiel ist das Bild von der Blendung Simsons (1636). Schmerzverzerrt bleckt der vom Dolch ins rechte Augen Getroffene die Zähne; das Licht fällt auf seine vor Pein verkrampften Zehen. „An diesem Bild, vor dem ich oft stand, habe ich erlernt, was Hass ist“, schrieb einst Elias Canetti.
Katja Möhrle
Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main, Internet: www.staedelmuseum.de, Die Ausstellung läuft bis 30.1.2022.