Gesundheitszeugnisse spielen im Rechtsverkehr eine erhebliche Rolle, da von ihnen in der Regel finanzielle Leistungen oder andere Vorteile abhängen. Nicht nur in Zeiten der Pandemie stellen Gefälligkeitsatteste ein Problem dar. Während aktuell Blanko- Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht diskutiert werden, sind es sonst primär „verdächtige“ Arbeitsunfähigkeits- (AU) oder Schulunfähigkeitsbescheinigungen, die zu Beschwerden bei der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) führen.

1. Problemlage

Selbst wenn Patienten mit einer gewissen Selbstverständlichkeit erwarten, die von ihnen „angeforderte“ Bescheinigung zu erhalten, darf ein Attest nur bei entsprechender ärztlicher Überzeugung auf Basis erhobener Befunde ausgestellt werden. Auch in einer guten Arzt-Patient-Beziehung verbietet sich, selbst wenn durch Hilfsbereitschaft motiviert, die „Gefälligkeit“ des Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse – der Patient fordert schließlich in der Regel eine Beihilfe zum Betrug ein. Diesem Ansinnen zu entsprechen, schadet nicht nur der eigenen ärztlichen Integrität, sondern auch dem Ansehen des Berufsstandes. Konsequenz ist neben den mit einem Beschwerdeverfahren bei der LÄKH verbundenen Unannehmlichkeiten und etwaigen berufsrechtlichen Folgen das Risiko eines Strafverfahrens.

2. Rechtslage

Sollte es zu Diskussionen mit dem Patienten kommen, kann auf die den Arzt bei Ausstellung eines Gefälligkeitsattests treffenden straf- und berufsrechtlichen Konsequenzen sowie die zivilrechtlichen Risiken hingewiesen werden:

  • Gemäß § 25 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) haben Ärzte bei Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen.
  • Nach § 2 Abs. 2 BO haben Ärzte ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen bei ihrer Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen.
  • Gemäß § 278 Strafgesetzbuch (StGB) werden Ärzte, die wider besseres Wissen ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherung ausstellen, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Begehrt beispielsweise ein Patient – ohne krank zu sein – ein Attest, um nach Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung die Stornierung der Reise zu begründen, und stellt der Arzt es aus, macht er sich strafbar. In Betracht kommt auch die Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Versicherungsbetrug (§ 263 StGB). Der Arzt muss mit Durchsuchung und Beschlagnahme rechnen, da die Staatsanwaltschaft durch Einsichtnahme in die Krankenakte ermitteln kann, ob Befunde erhoben wurden oder nicht bzw. ob der Patient überhaupt vorstellig wurde.
  • Der Arzt muss bei Ausstellung eines Gefälligkeitsattests damit rechnen, dass er sich gegenüber Arbeitgeber, Krankenversicherung, Behörde etc. schadensersatzpflichtig macht und in Regress genommen wird.
  • Nach § 275 Abs. 1a SGB V sind Zweifel an der AU anzunehmen, wenn „Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.“ Bei der Krankenkasse kann in diesem Fall die Überprüfung der AU beantragt werden. Sie wird von dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) durchgeführt. Der Arzt ist dem MDK gegenüber auskunftspflichtig (§ 6 Abs. 1 AU-Richtlinie).

3. Fazit

Der Begriff des ärztlichen Zeugnisses deckt sich mit dem des Gesundheitszeugnisses. Es handelt sich um Feststellungen über den Gesundheitszustand eines Menschen aufgrund besonderer Sachkunde. Diese müssen sich nicht allein auf aktuelle Befunde beziehen, sondern können auch einen früheren Gesundheitszustand ebenso wie eine prognostische Einschätzung betreffen. Bei Ausstellung des Attests muss der Arzt mit der notwendigen Sorgfalt verfahren und nach bestem Wissen seine ärztliche Überzeugung wiedergeben.

Rückwirkende Atteste für Zeiträume vor Vorstellung des Patienten (§ 5 Abs. 3 AU-Richtlinie) sollten nur mit entsprechender Vorsicht ausgestellt werden. Das Attest sollte erkennen lassen, für welchen Zweck die Ausstellung erfolgt, um Missbrauch vorzubeugen.

Zudem sollte dafür Sorge getragen werden, dass das Risiko einer Fälschung von Attesten in der Praxis minimiert wird (es wird etwa berichtet, dass Mitarbeiter digital vorliegende Formulare und die Arzt-Unterschrift widerrechtlich verwenden und Atteste für Bekannte oder Verwandte „ausstellen“).

In Fällen, in denen die ärztliche Bescheinigung in Zweifel gezogen wird, kommt der Dokumentation (§ 10 BO) entscheidende Bedeutung zu. Nicht ausreichend ist die alleinige Angabe der Diagnose. Auch Anamnese, Befunde, etwaige Konsile und die seitens des Arztes angestellten Erwägungen sollten zur eigenen Absicherung dokumentiert werden.

In Problemfällen steht die Rechtsabteilung der LÄKH zur Beratung zur Verfügung: Fon: 069 97672-113/-313 oder per E-Mail: rechtsabteilung@laekh.de

Dr. jur. Kirsten Theuner, Rechtsreferentin, Syndikusrechtsanwältin, Landesärztekammer Hessen