Mit der Hebamme und Frauenärztin Dr. med. Maike Manz an der Spitze zieht die Darmstädter Frauenklinik im Herbst in einen Neubau
Eine Geburtsklinik wie sie sein sollte? Der Eindruck drängt sich auf, wenn Dr. med. Maike Manz über ihre Arbeit am Klinikum Darmstadt spricht. Seit 1. April leitet sie die Geburtshilfe der größten Geburtsklinik und des einzigen Perinatalzentrums in Südhessen. Von Level 1 Geburtsmedizin bis hin zur Organisationsstruktur eines rein hebammengeleiteten Kreißsaals für Gebärende ohne Risiko – alles unter einem Dach. So sieht für die 45-Jährige eine optimale patientinnenfreundliche Versorgung aus. Jetzt fehlt nur noch der Umzug in den zentralen Neubau. Die Vorhänge sind schon montiert. Im Herbst soll es so weit sein.
Manz gehört zu der raren Spezies, die Geburtshilfe aus zwei Perspektiven kennt. Vor dem Medizinstudium in Frankfurt hat sie in Tübingen eine Ausbildung zur Hebamme absolviert. Zwischen den Vorlesungen und in den Semesterferien hat sie Kinder auf die Welt gebracht, werdende Eltern auf die Niederkunft vorbereitet. „Manchmal wundere ich mich heute, wie das zu schaffen war“, sagt sie. „Es waren sehr sehr arbeitsreiche und komplexe Jahre, die mir aber auch sehr sehr viel Freude gebracht haben.“ Zum Glück, fügt sie hinzu, hatte sie einen toleranten Freundeskreis.
Dr. med. Maike Manz ist die neue Leiterin der Geburtshilfe am Klinikum Darmstadt. Sie spricht sich für spezialisierte Zentren aus, statt eines Kreißsaals in jedem kleinen Krankenhaus. Eine halbe Stunde Autofahrt bis zum nächsten Geburtshilfezentrum sei jeder Gebärenden, aber auch jeder Hebamme und Ärztin zumutbar.
Von Hebammen lernen
Die Geburtshelferin, wie sie ihren Beruf definiert, kennt also beide Seiten und nennt es „ein großes Geschenk“, dass sie als Hebammenschülerin als Wachfrau stundenlang neben Gebärenden sitzen und ihnen zuhören durfte. Die unterschiedlichen Geräusche, die die Frauen in den verschiedenen Phasen von sich geben. Das Tönen, das nicht alleine Ausdruck des Schmerzes ist. „Das ist auch Körper-Arbeit, wie zum Beispiel beim Sport.“ Gerne würde Manz ihren jungen Kolleginnen und Kollegen ermöglichen, ebenfalls diese Erfahrung machen zu können: Im Laufe der ärztlichen Ausbildung ein paar Tage eine Hebamme begleiten, ohne Piepser in der Tasche – das würde das „ärztliche Geburtshilfeverständnis“ gewiss erweitern.
Die Zeit als Assistenzärztin arbeitete sie in Gelnhausen und der Frankfurter Universitätsklinik. „In Frankfurt und später in Hamburg hatte ich das Glück, sehr gute Beckenlagen-Geburtshilfe und auch äußere Wendungen aus Beckenend- in Schädellage lernen zu können.“ Als Fachärztin war sie an der Universitätsklinik Hamburg tätig, wo Gynäkologie und Geburtshilfe als getrennte Fakultäten geführt werden. Eine Spezialisierung, die Manz – nach drei Jahren an der Universitäts-Frauenklinik in Lübeck und einem Jahr bei Asklepios in Hamburg – auch bei Helios in Hamburg auf den Weg brachte, als sie dort im Januar 2017 als Chefärztin für Geburtshilfe und Perinatalmedizin berufen wurde. Zwei Jahre später kündigte Manz – und mit ihr fünf ihrer sieben Oberärztinnen und -ärzte. Manz äußert sich nicht, wenn man sie nach den Gründen fragt, sondern verweist auf die vereinbarte Verschwiegenheitsklausel. „Eine lebensprägende Zeit“, sagt die Ärztin rückblickend. Laut Presseberichten war der Personalmangel in der Helios Mariahilf Klinik in Hamburg zeitweise so groß, dass der Kreißsaal schließen musste.
An ihrem letzten Arbeitstag am 28. Februar 2019 wusste Manz noch nicht, wie es beruflich weitergeht. Sie wusste aber, dass sie von ihren Ansprüchen an geburtshilfliche Qualität nicht abrückt: Das bedeutet unter anderem eine Neonatologie im selben Gebäude, um den winzigen hochsensiblen Frühchen den strapaziösen Transport in einem Krankenwagen zu ersparen. Und keine präventiven Kaiserschnitte, weil kein Kinderarzt greifbar ist.
Im Dezember 2019 lernte sie PD Dr. med. Sven Ackermann kennen. Er hatte als Direktor der Darmstädter Frauenklinik in den vergangenen Jahren viele strukturellen Veränderungen auf den Weg gebracht. Die beiden sind auf der gleichen Wellenlänge. „Ein Sparringspartner als Chef. Die Qualität der Medizin ist das Zentrum, von dem aus wir gemeinsam planen.“
Alles unter einem (neuen) Dach
Zum Neubau mit neun Geburtsräumen gehört ein „BeUp-Kreißsaal“, in dem eine Studie zur Auswirkung der Geburtshaltung auf den Geburtsverlauf läuft, eine Gebärwanne, zwei Kaiserschnitt-Operationssäle und eine geburtshilfliche Intermediate-Care-Station für Risikopatientinnen im Kreißsaal, die in enger Zusammenarbeit mit den Anästhesisten betreut werden, sowie eine Wand-an-Wand-Kooperation mit den Neonatologen, damit auch Kinder mit Überwachungsbedarf bei ihren Müttern bleiben können. Die Betreuung im von Hebammen geleiteten Kreißsaal ist eins zu eins, ein problemloses „Up-and-Down-Grade“ von dort hin zu ärztlich mitbetreuter Geburt ist jederzeit möglich. Auch die Pränataldiagnostik übernimmt Manz für den stationären Bereich.
„Die Frauen werden nicht zur Nummer“, sagt Manz, „sondern wir können mit diesem Alles-unter-einem-Dach-Konzept für jede Frau eine individuelle Lösung finden“. Bis zu 2.500 Geburten wird es schätzungsweise in diesem Jahr im Darmstädter Klinikum geben. Vier Hebammen arbeiten dort pro Schicht. „Noch mehr wären toll, und unsere Geschäftsführung hat zugesagt, dass wir weitere einstellen dürfen. Das ist großartig!“, sagt Manz. Die Kompetenz der Hebammen sei lange politisch unterschätzt worden, und sie zitiert den Kollegen Michel Odent, einen Verfechter der natürlichen Geburt: „Es ist wichtig, wie wir geboren werden.“ Eine gute Eltern-Kind-Beziehung habe gesellschaftspolitische Bedeutung.
Wer jetzt glaubt, Manz gibt sich nach dem im Herbst geplanten Umzug aus dem denkmalgeschützten Gebäude in die neue Darmstädter Frauenklinik zufrieden, der täuscht sich. Die promovierte Frauenärztin schließt in diesem Jahr ihr Zweitstudium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ab. Will als Master of Business Health mehr über die wirtschaftlichen Seiten der Geburtshilfe wissen, ohne ihre Berufung in der praktischen Geburtshilfe zu verlassen. „Die Strukturen in den Kliniken müssen insgesamt besser werden“, lautet ihr Ziel. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, nicht in jedem kleinen Krankenhaus einen Kreißsaal vorzuhalten. Jeder Gebärenden, aber auch jeder Hebamme und Ärztin sei eine Autofahrt von bis zu einer halben Stunde zumutbar in eine Klinik, die über die notwendige Erfahrung und Infrastruktur verfügt. Davon profitierten alle: „Kleine Abteilungen mit 750 Geburten im Jahr sind oft nicht für alle Eventualitäten gewappnet. Und dieselbe Personalmenge in großen Zentren eingesetzt, statt auf viele kleine Standorte verteilt, würde etliche Personalprobleme lösen.“