Albertus Seba: Cabinet of Natural Curiosities – Das Naturalienkabinett, www.taschen.com, Hardcover, 752 Seiten, 14x19,5 cm, 1.30 kg, 50 €, ISBN 9783836569064
Es ist ein prächtiger Bildband, der mit farbenfrohen Zeichnungen teils bizarrer Geschöpfe einen Einblick in die Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts gibt. Albertus Seba (1665–1736) war ein erfolgreicher Apotheker in Amsterdam – seinerzeit neben den Ärzten eine Profession, die eng mit der Entstehung empirischer Wissenschaften verknüpft war. Heilmittel wurden aus Tieren, Pflanzen und Mineralien nach überlieferten Rezepten und eigenen Erprobungen aus hauseigenen Beständen eigenhändig hergestellt.
Seba kümmerte sich in der Hafenstadt um die Versorgung der Schiffsleute mit Arzneien aus seinem Labor und sammelte im Gegenzug alle möglichen Naturalien ein, die aus der ganzen Welt mitgebracht wurden. Seine erstaunliche und beispiellose Sammlung von Tieren, Pflanzen und Insekten aus aller Welt erlangte noch zu seinen Lebzeiten internationalen Ruhm. Er stand im Kontakt mit weiteren Forschern und Sammlern in ganz Europa, verkaufte Dubletten, ja seine ganze erste Sammlung im Winter 1717 an den russischen Zaren Peter den Großen.
Von den Einnahmen baute er seine zweite, noch umfangreichere Sammlung auf. Sein Ziel war die Herausgabe eines Thesaurus, ein Bildwerk mit naturkundlichen Tafeln. Diese ließ Seba kostenintensiv von verschiedenen Künstlern seiner Zeit anfertigen und zusätzlich kolorieren. Das Farbspiel oblag dann manchmal auch der künstlerischen Freiheit, zumal die meist in Alkohol eingelegten Vorbilder zusammengerollt und verblasst waren.
Zu dieser Zeit war Albertus Seba mit seinem Interesse nicht allein – vielerorts nutzten Adlige oder Vermögende den Import aus den Kolonien zum Aufbau verschiedenster Kuriositätenkabinette. Die kunstvollen Zeichnungen der Frankfurterin Maria Sibylla Merian (1647–1717), die nach Südamerika reiste, haben maßgeblich die Gestaltung des ersten Thesaurus-Bandes beeinflusst, weil Merian auch den Lebensraum lebendig darstellte (siehe HÄBL 01/2018, S. 28).
Am Ende teilten sich Seba und zwei Verlage die Kosten des auf vier Bände konzipierten Werkes, es entstanden 446 Tafeln, davon 175 als Doppelseite. Damit wurde sein umfassender Thesaurus der organismischen Vielfalt Grundlage der weiteren Naturforschung. Neben Kuriositäten (fliegende Katzen und Hunde) und Abnormitäten (siamesische Zwillinge) fanden am Rande auch Fabelwesen Eingang in sein Werk – die Seba als Kind seiner Zeit durchaus für real hielt.
Aus heutiger Sicht haben sich in die Darstellungen viele Fehler eingeschlichen, neben Farbgebung auch Beinstellungen, Anzahl von Beinen und Körpersegmenten, spiegelverkehrte Windungen und Öffnungen etc. Die Grenze zur Fiktion wurde manchmal auch in den Beschreibungen überschritten.
Darüber informiert die Einleitung der Autoren Irmgard Müsch, Jes Rust und Rainer Willmann. Der schöne Nachdruck aus dem Taschen Verlag reproduziert alle nunmehr 449 Tafeln nach dem prächtigen handkolorierten Exemplar aus der Koninklijke Bibliotheek in Den Haag. Angesichts des Umfangs und der Druckqualität erscheinen die Kosten von 50 € für das bibliophile Werk als wohlfeil.