Brandes & Apsel Verlag, 2018, 152 Seiten, ISBN 9783955582197, € 14.90
Psychodynamische Psychotherapie im Kindesalter – was passiert da eigentlich?
Für Eltern ist die Hemmschwelle zu einer psychotherapeutischen Behandlung ihres Kindes meist groß; Psychotherapeuten sehen deswegen nur einen gefilterten Ausschnitt aus dem Spektrum kindlicher Auffälligkeiten. Da die ärztliche Psychotherapie in den Fachgebieten aus verschiedenen strukturellen Gründen weitgehend am Aussterben ist, ist ein unmittelbarer psychotherapeutischer Zugang des erstbehandelnden Arztes in der Regel nicht möglich und eine Weiterleitung an eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten notwendig. Dabei ist es nicht nur für den Arzt, sondern vor allem für das Kind und dessen Eltern wichtig, diesen vielleicht angstbesetzten oder durch andere Vorurteile beeinflussten Schritt durchschaubar zu machen. Aus vielen Gründen wird letztlich nur ein Teil der Kinder einer Psychotherapie zugeführt.
Wann eine Psychotherapie angebracht ist, an wen sich Eltern wenden können, um eine Psychotherapie zu veranlassen, wie diese abläuft und was darin geschieht sowie wie die Eltern mit einbezogen werden, all diese Fragen werden für den Fall der psychodynamisch-analytisch orientierten Psychotherapie gut verständlich erläutert. Nun sind die psychodynamischen Therapieverfahren derzeit nicht gerade en vogue, weil verhaltenstherapeutische oder medikamentöse Maßnahmen vordergründig einen rascheren Effekt zeigen und deshalb häufig, weniger von den Eltern als von außen, insbesondere Kindergärten und Schulen, eingefordert werden. Die derzeitige gesellschaftliche Einstellung scheint mir mehr auf das Verhalten und die Symptomatik, also das Funktionieren, als auf die Lebenswelt und das Erleben der Kinder fixiert. Letzteres steht aber im Mittelpunkt psychodynamischer Therapien, für die ich mir eine breitere Akzeptanz wünsche. Das Buch kann ein Weg sein, mehr Interesse und Verständnis für diese Therapieformen zu wecken, was dem mehr allgemein gehaltenen Titel nicht unbedingt zu entnehmen ist.
Dr. med. Stephan Heinrich Nolte, Kinder- und Jugendarzt, Psychotherapeut