Haben wir in Deutschland zu viele Krankenhäuser? Diese Frage wird intensiv diskutiert. Die Pressemitteilung im Juli über eine Untersuchung des IGES-Instituts im Auftrag der Bertelsmannstiftung hat die Diskussion angestoßen. Im Titel stand: „Eine starke Verringerung der Klinikanzahl von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser würde die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern…“. Eine bemerkenswerte Überschrift: Laut statistischem Bundesamt gab es 2017 in Deutschland 1942 Krankenhäuser, die Zahl „600“ findet sich in der Langfassung der „Bertelsmannstudie“ (106 Seiten) nicht wieder und es fehlt der Beleg, dass weniger Krankenhausstandorte eine bessere Qualität bedeuten.
Die Simulation am Beispiel einer Versorgungsregion rund um Köln kommt zu dem Ergebnis, dass dort eine Versorgung mit 14 statt mit den bisherigen 38 Kliniken sinnvoll sei. Verschwiegen wird in der allgemeinen Diskussion geflissentlich, dass sich dann trotz Verlagerung aller so genannten ambulant-sensitiven Fälle in den ambulanten Bereich (entsprechende Kapazitäten vorhanden?) die Anzahl der Betten pro Standort fast verdoppeln muss. Dazu steht in der Studie (Prognose 2030): „Das Universitätsklinikum Köln hätte mit rund 166.000 Fällen einen deutlich größeren Versorgungsumfang als die Charité im Jahr 2017 mit ihren drei Berliner Standorten zusammen (142.757 Fälle)...“. Krankenhäuser in dieser Größe hätten zweifellos erhebliche negative Effekte: Im städtischen Bereich würden Verkehrsprobleme entstehen, der akute Ausfall eines solchen Hauses (Energieversorgung, interner Erreger-Ausbruch etc.) wäre nicht zu kompensieren. Selbst wenn man vernachlässigt, dass freie Grundstücke in Ballungsgebieten direkt neben einer großen Klinik in der Regel fehlen, stellt sich sofort die Frage, wer denn diesen Aufbau an Bettenkapazität an großen Standorten finanziert. Allein Krankenhäuser zu schließen hilft nicht.
Die relevante Frage ist insofern nicht, wie viele Krankenhäuser wir brauchen, sondern welche Art von medizinischer Versorgung wir in Zukunft mit welchen Kapazitäten in Deutschland haben wollen – bei bekannter demografischer Entwicklung.
Die Antwort hierauf lässt sich aber nicht durch einfache Planspiele und Hochrechnungen auf ganz Deutschland beantworten. Auch der Blick nach Dänemark, wo die Anzahl an Krankenhäusern erheblich reduziert wurde, hilft nicht weiter. Das dänische Gesundheitswesen ist ein im wesentlichen steuerfinanziertes, staatlich geplantes System, in dessen Umbau pro Einwohner rund 1.000 Euro investiert wurden. Das entspräche in Deutschland etwa 80 Mrd. Euro! Die Verantwortung für die Krankenhausplanung liegt in Deutschland bei den Ländern, die allerdings seit Jahren im Wesentlichen den Status Quo fortschreiben. Sie sind dem Irrtum verfallen, der Verdrängungswettbewerb der Krankenhäuser, die Unterfinanzierung oder planungsrelevante Qualitätsindikatoren würden von ganz alleine zu einer Reduktion von Standorten führen. Sehenden Auges lassen sie so die Krankenhäuser zu Lasten der Patientenversorgung ausbluten. Wir brauchen dringend eine aktive regionale Krankenhausplanung, die Mehrfachstrukturen in unmittelbarer räumlicher Nähe abbaut. Neben Großkrankenhäusern mit einem hohen Spezialisierungsgrad brauchen wir weiterhin Kliniken, in denen Patienten versorgt werden, die auf Grund ihres Krankheitsbildes kein hochspezialisiertes Zentrum brauchen, aber dennoch eine stationäre Therapie. Denn etwa 20 Prozent der Bevölkerung haben mehrere akute oder chronische Krankheiten – sie sind multimorbide. Unter den etwa 20 Millionen Patienten, die 2017 stationär behandelt werden mussten, liegt der Anteil deutlich höher. Diese Patienten brauchen eine wohnortnahe, breite stationäre interdisziplinäre Basisversorgung und nicht nur teure spezialisierte Zentren. Es bleibt zu hoffen, dass der neue Krankenhausplan in Hessen dies berücksichtigt.
Dr. med. Susanne Johna, Internistin/Krankenhaushygiene, Präsidiumsmitglied Landesärztekammer Hessen, Bundesvorsitzende des Marburger Bundes und Landesverbandsvorsitzende Hessen, Vorstandsmitglied Bundesärztekammer