Ursachen und Therapie / Ein Beitrag zum Umdenken

Prof. Dr. med. Jutta Peters

Einleitung

Die Mastitis puerperalis und der gelegentlich daraus resultierende Abszess treten am häufigsten in den ersten Wochen nach der Geburt auf, gelegentlich aber auch noch Monate nach der Geburt. Beide Erkrankungen sind leicht ambulant und ohne Anwendung von Antibiotika oder Inzision zu behandeln. Die Kenntnis dieser einfachen Behandlungsmethoden und/ oder deren Akzeptanz ist unter den behandelnden Ärzten eher gering und es werden trotz einiger Publikationen [1–4] hierzu, Vorträgen in Kliniken und Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen die Vorgehensweisen kaum verändert. Nach wie vor werden Antibiotika bei der Mastitis und die Inzision mit Gegeninzision bei Abszessen in Vollnarkose eingesetzt. Das Einzige, was in den vergangenen 20 Jahren langsam, aber noch immer nicht flächendeckend Eingang in die Behandlung gefunden hat, ist, dass Abstillen, vor allem unter Zuhilfenahme von Bromocriptin, nicht erforderlich ist. Manche Autoren haben aber schon beklagt, dass sich die Entleerung des puerperalen Abszesses mit ultraschallgesteuerter Punktion durch einen Radiologen noch immer nicht durchgesetzt hat [5–7].

Ein kurzer Überblick über die nur geringen Veränderungen der Therapieempfehlungen in den Lehrbüchern der Gynäkologie und Geburtshilfe zwischen 2007 und 2013 macht dies anschaulich:

K. Diedrich et al. [8] empfehlen für die Mastitis Abpumpen, ohne die Methode zu nennen, lokale Kühlung und Hochbinden der Brust, Prolaktinhemmer und Antibiotika aber kein Abstillen. Für den Abszess wird nur die operative Therapie erwähnt. Im Jahre 2009 empfehlen K. J. Bühling und W. Friedmann [9] das Massieren der entzündeten Brust, ihre manuelle Entleerung ohne die Methode anzugeben, Kühlen und Hochbinden der Brust und noch immer ein Stillverbot. Hier ist also keinerlei Fortentwicklung zu verzeichnen. Für die Abszessbehandlung wird immerhin schon neben der chirurgischen Behandlung die sonographisch gesteuerte Punktion erwähnt. In dem Lehrbuch von M. Kiechle [10] aus dem Jahre 2011 wird als erste Maßnahme die Entleerung der Brust erwähnt, aber auch hierzu keine Methode genannt. Hier steht, dass das Stillen nicht unterbrochen werden, ein Antibiotikum aber verabreicht werden muss. Für die Therapie einer Abszesshöhle wird die Punktion aber immer noch auch die Inzision empfohlen.

Im Jahre 2013 empfehlen T. Weyerstahl und M. Stauber [11] in ihrem Lehrbuch neben der Entleerung der Brust noch immer Kühlung, Ruhigstellung und Antibiose, schreiben aber, dass das Weiterstillen potenziell möglich sei. Bei der Abszessbehandlung wird aber neben der Inzision auch die Punktion erwähnt.

Generell lassen sich also keine durchgreifenden Fortschritte erkennen.

Mastitis puerperalis

In den meisten prospektiven Studien wird eine Inzidenz der Mastitis puerperalis von 25 % aller Entbindungen angegeben, wobei die Schwankungsbreite außerordentlich hoch ist. So finden sich Angaben von 0,66 % bei Klinikkollektiven bis zu 50 % in Risikokollektiven [1].

Dies deutet darauf hin, dass die Definition der Erkrankung keineswegs einheitlich ist. In der Praxis und in den meisten Publikationen wird die eigentliche Ursache der Mastitis puerperalis nicht beachtet und deshalb die Therapie auch nicht nach der Ursache gerichtet. Die Mastitis puerperalis ist im Gegensatz zu dem, was in vielen Lehrbüchern und Publikationen angegeben ist, praktisch nie eine primär bakterielle Erkrankung, sondern ist verursacht durch einen Milchstau, der zunächst zu einer abakteriellen, parenchymatösen Entzündung führt. Neben den lokalen Entzündungszeichen (Rötung, Schwellung, Verhärtung, Schmerzen) treten auch generelle Symptome wie Fieber, Abgeschlagenheit und Gliederschmerzen auf [1, 3, 4]. Eine ausführliche Untersuchung hierzu findet sich in [3].

Saugreflex des Babys und seinen Hunger als Therapie nutzen

Der Milchstau ist entweder bedingt durch ein vorübergehendes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage und/oder eine Blockade des Milchspende- oder Oxitocinreflexes. Es handelt sich hierbei um einen psychosomatischen Reflex, der sehr leicht durch psychische Einflüsse blockiert werden kann (Schreck, Streit, negative oder entmutigende Kommentare zum Stillen) und somit auch zu einem Milch-stau führt. Genauso leicht, wie dieser Reflex blockiert werden kann, kann er aber auch durch positive Einflüsse wie Ermutigung und Zuwendung gebahnt und unterstützt werden. Anlegen von Bakterienkulturen ist nicht erforderlich, da die meisten negativ sind und positive auch durch normale Keimbesiedlung bedingt sein können [2]. Das therapeutische Ziel muss also nur sein, den Stau zu beseitigen. Am effektivsten geschieht dies durch das Kind.

Wenn es alle zwei Stunden, auch nachts, angelegt wird, ist die Patientin nach etwa 24 Stunden fieberfrei, die Rötung ist abgeklungen und das Allgemeinbefinden wieder hergestellt. Dann kann die Frequenz des Anlegens langsam wieder verringert werden, bis sich nach etwa 3–5 Tagen auch die lokale Verhärtung vollständig zurückgebildet hat. Die Frau kann dann wieder ganz zum Stillen nach Bedarf zurückkehren [3].

Bei dieser Vorgehensweise ist keine antibiotische oder analgetische Therapie erforderlich. Völlig kontraproduktiv ist das Massieren der Brust in dem entzündeten Bereich. Hierdurch werden lediglich Schmerzen verursacht, der Milchspendereflex beeinträchtigt und damit die Heilung erschwert (die Kinder verwenden ja auch nicht ihre Hände zum Entleeren der Brust). Leider wird dies aber von vielen Hebammen noch immer empfohlen.

Zusätzliches Abpumpen von Milch kann anfangs in seltenen Fällen notwendig sein, wenn das Stillen allein den Druck in der Brust nicht vollständig beseitigt. Dazu sollten aber nach Möglichkeit keine elektrischen oder Handpumpen empfohlen werden, da diese einen inadäquaten Reiz ausüben und deshalb bei den meisten Frauen nicht effektiv sind. Außerdem wird auch durch diese Pumpen der Milchspendereflex beeinträchtigt.

Anleitung zur manuellen Entleerung der Brust

Viel einfacher ist die manuelle Entleerung. Hierzu nimmt die Frau die Brustwarze am Ansatz zwischen Daumen und Zeigefinger, übt leichten Druck und Zug aus (imitiert also die Saugbewegungen des Kindes) und kann damit sofort, ohne Aufwand und ohne weitere Hilfsmittel, Milch aus der Brust entnehmen, bis der Druck gerade eben nachlässt. Diese Methode ist fast allen Frauen leicht vermittelbar. Nur wenige bevorzugen in Kenntnis dieser einfachen Methode eine mechanische oder elektrische Pumpe. Diese Methode ist aber weder bei Hebammen, Stillberaterinnen, Kinderschwestern oder Ärzten ausreichend bekannt und es ist auch außerordentlich schwer, sie weiterzugeben. In meiner langjährigen Erfahrung mit der Therapie der Mastitis puerperalis ist es noch nicht gelungen, dem medizinischen Personal diese Methode zu vermitteln, die zudem auch für berufstätige Mütter eine unaufwendige und einfache Art ist, während der Arbeitszeit Milch abzupumpen.

Kühlung erschwert die Heilung

Weit verbreitet und noch immer in den S3-Leitlinien „Therapie entzündlicher Brusterkrankungen in der Stillzeit“ (2013) enthalten ist die Empfehlung, Quark oder Kohlblätter auf die Brust zu bringen [8]. Dies soll kühlen und zum Abklingen der Entzündung beitragen, ist aber weniger effektiv als das häufige Anlegen, ist mühsam und für die Frau nicht zuletzt entwürdigend. Außerdem wird durch Kühlen das Freisetzen der Milch erschwert.

Puerperaler Abszess

In etwa 5–11 % der Mastitisfälle entwickelt sich Abszess, es handelt sich also um ein seltenes Ereignis [9]. Die Lokalisation des Abszesses kann sich in allen Arealen der Brust befinden. Da Radiologen regelmäßig Brustsongraphien durchführen, sind sie auch zunehmend mit dem Krankheitsbild des puerperalen Abszesses betraut und setzen entsprechend die ultraschallgesteuerte Abszessentleerung ein.

Früher bestand die Therapie in Abstillen (was den Stau und die Beschwerden in keiner Weise beseitigt, sondern eher verschärft), antibiotischer und analgetischer Therapie sowie Inzision und Gegeninzision in Vollnarkose. Dies ist eine sehr invasive Behandlungsmethode und muss stationär erfolgen. Sie ist auch oft mit unbefriedigenden kosmetischen Ergebnissen verbunden. Inzwischen hat sich immerhin die Erkenntnis verbreitet, dass Abstillen nicht erforderlich ist, sondern dass auch bei operativer Therapie der Heilungsprozess besser ist, wenn die Frau weiter stillt [10].

Obgleich verschiedene Autoren, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die Vorteile der nichtinvasiven Punktionstherapie als Paradigmenwechsel vorgestellt haben, war es bisher nicht möglich, diese einfache Therapie zum Wohle der Patientinnen flächendeckend einzuführen. Noch immer wird den Frauen auch an großen Kliniken nur die Inzision in Vollnarkose und die Schmerz- und Antibiotikatherapie angeboten, obgleich die Abszesse in aller Regel steril sind und Antibiotika bekanntlich nicht die Abzessmembran passieren. Auch wenn die Möglichkeit einer nichtinvasiven Therapie an Kliniken herangetragen wird, wird diese Anregung nicht aufgenommen und deshalb auch nicht umgesetzt.

Seit dem Jahre 1976 behandele ich den puerperalen Abszess mit einer ultraschallgesteuerten Entleerung durch eine Nadel (1322 Fälle). Dies erfordert weder eine Lokalanästhesie noch eine Vereisung, generelle Analgesie oder antibiotische Behandlung. In 95% der Fälle war nur eine einzige Punktion erforderlich. Nur in dem geringen Rest der Fälle war eine zweite Punktion zur vollständigen Entleerung der Abszesshöhle notwendig. Andere Autoren [14] berichten, dass 2 bis 9 Punktionen notwendig sind und eine effektive Analgesie im akuten Stadium nicht möglich ist. Der Unterschied in der Anzahl der notwendigen Punktionen ist verwunderlich. Möglicherweise sind diese Unterschiede durch einen unterschiedlichen Grad der primären Abszessentleerung bedingt, wenn die Entleerung nicht ultraschallgesteuert vorgenommen wird. Es ist auch verwunderlich, dass viele Autoren eine Analgesie benötigen. Normalerweise ist die Schmerzsymptomatik bereits nach einer Punktion mit vollständiger Entleerung des Abszesses komplett beseitigt und deshalb eine analgtische Therapie unnötig.

Bei der ultraschallgesteuerten Punktionsbehandlung kommt den Radiologen eine zunehmend tragende Rolle zu. Sie führen Punktionen in verschiedensten Regionen routinemäßig durch und gehören deshalb inzwischen zum Stammteam bei der Behandlung puerperaler Abszesse.

In der Literatur, in den S3-Leitlinien „Therapie entzündlicher Brusterkrankungen in der Stillzeit“ [12] und leider auch in den Kliniken ist diese Behandlungsmethode kaum bekannt.

Zusammenfassung

In den 1960er- und 70er-Jahren wurde die Mastitis puerperalis grundsätzlich mit Abstillen durch Hochbinden der Brust sowie Bromocriptin- und Antibiotikatherapie behandelt. Im Gegensatz zu einem Großteil der Angaben in der Literatur handelt es sich aber praktisch nie um eine bakterielle Erkrankung. Abstillen und Analgesie sind nie, antibiotische Therapie ist fast nie erforderlich. Anlegen des Kindes alle 2 Stunden beseitigt Fieber und Krankheitsgefühl innerhalb von 24 Stunden, die Verhärtung des entzündeten Areals bildet sich innerhalb von 3–5 Tagen vollständig zurück. Inzwischen wird zumindest nicht mehr grundsätzlich abgestillt. Alle anderen beschriebenen, unangenehmen und ineffektiven Maßnahmen, insbesondere das „Ausmassieren“ der Brust werden aber bis heute noch in der Therapie eingesetzt.

Ähnlich verhält es sich bei der Therapie des puerperalen Abszesses. Auch hier hat sich inzwischen weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Abszess besser abheilt, wenn die Frau weiterstillt. Noch immer aber hat sich die minimalinvasive, ambulante Abszessentleerung durch ultraschallgesteuerte Punktion ohne Antibiotika- und Analgetikatherapie nicht durchgesetzt, obgleich diese von Radiologen sehr leicht durchgeführt werden kann.

Prof. Dr. med. Jutta Peters

Fachärztin für Radiologie, Mitglied der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen

Die Literaturhinweise finden Sie in der PDF-Version der aktuellen Ausgabe auf unserer Website unter https://www.laekh.de/heftarchiv/ausgabe/2020/januar-2020