Die Weiterbildungsordnung (WBO) dient dem Ziel, Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in Kompetenzen zu definieren, welche bei Vollständigkeit zur Anmeldung für die Facharztprüfung berechtigen. So könnte man es trocken formulieren – doch dahinter steckt natürlich vieles andere mehr.
Aus Sicht der sich in Weiterbildung befindenden Kolleginnen und Kollegen beeinflusst die WBO auch das zukünftige Arbeitsumfeld, die berufliche Entwicklung und die Arbeitsplatzwahl etc. Wäre die neue WBO bewusst unter diesen Gesichtspunkten novelliert, wäre sie über das rein Berufsfachliche hinaus ein guter Ansatz. Die nächsten Monate bis zum Inkrafttreten ab Juli 2020 sollten genutzt werden, auch diesen Aspekten berufspolitisch verantwortlich und präventiv nachzugehen.
Was tatsächlich ab 01.07.2020 alles neu und anders werden wird, wissen dort, wo Weiterbildung tagtäglich stattfindet, viele bisher nicht ausreichend. Insbesondere jene, die unter der neuen WBO ihre erste Facharztweiterbildung beginnen werden – die in 2020 neu approbierten Kolleginnen und Kollegen. Der Weiterbildungsausschuss wird sich daher ständig mit den FAQs auseinandersetzten, regelmäßig sollen dann auch Online (unter: www.laekh.de/aerzte/weiterbildung) und im HÄBL Antworten hierzu veröffentlicht werden.
Im Kammer-Ausschuss „Ärztlicher Nachwuchs“ haben wir einige Auswirkungen des neu eingeführten E-Logbuchs, die Möglichkeiten und Veränderungen einer kompetenzbasierten Weiterbildung und die neuen Weiterbildungszeiten intensiver diskutiert.
Aus der Perspektive der Weiterzubildenden wird es einfacher werden, seine Weiterbildung regelmäßig zu dokumentieren, um damit auch kontinuierlich einen besseren Überblick über den Fortschritt des zu erfüllenden Weiterbildungskataloges zu erhalten.
Voraussetzung für die Umsetzung des E-Logbuchs in das reale Weiterbildungsleben ist aber die Annahme dieser auch als Planungswerkzeug zu verstehenden Neuheit durch die Weiterbilder. Dieser Aufgabe wird sich die Weiterbildungsabteilung der LÄKH im Vorfeld und sehr intensiv annehmen müssen.
Regelmäßige Gespräche über den Stand der Weiterbildung sind zwar jetzt schon Bestandteil der WBO, bekommen aber durch die Dokumentation im E-Logbuch noch eine zusätzliche, deutliche Aufwertung. Die Weiterbildung wird durch die Dokumentationshilfsmittel wie das E-Logbuch transparenter und damit ehrlicher. Kontrolle sollte aber nicht zum führenden Charakter der Weiterbildung werden.
Am Ende ist immer noch entscheidend, ob der Weiterbilder die fachliche und persönliche Eignung zur Fachärztin oder Facharzt für gegeben sieht. Dazu zählen auch viele Dinge, welche nicht in der WBO aufgeführt sind, wie ärztliche Haltung und Empathie zum Patienten.
In Gesprächen mit jungen Kolleginnen und Kollegen werden einige weitere, verwaltungspraktische Fragen zum Übergang zur neuen WBO häufiger gestellt:
Was passiert, wenn Kolleginnen und Kollegen währen der Übergangsfristen unter der alten WBO noch in der Abteilung weitergebildet werden und der Chefarzt wechselt? Erhält der neue Chef neben der Befugnis zur neuen WBO auch eine situativ angepasste Befugnis zur bisherigen WBO? Welche Bedeutung werden zukünftige Befugnisumfänge bezüglich der insgesamt reduzierten Vorgaben für Weiterbildungszeiten haben, wenn die Weiterbildung doch vorwiegend kompetenzbasiert ausgerichtet ist? Wie können bereits in anderen Fachgebieten erworbene Kompetenzen zeitsparend in eine nachfolgende Weiterbildung mitgenommen werden? Hierzu sollten rechtzeitig belastbare Konzepte mitgeteilt werden.
Eines hat sich bei der Vorbereitung der neuen Weiterbildungsordnung bereits gezeigt. Der Erfolg wird – auch durch das E-Logbuch – mehr als bei der bisherigen Weiterbildungsordnung von der Mitarbeit und der stetigen Zusammenarbeit aller Beteiligten abhängen.
Die WBO unterliegt auch in Zukunft einem stetigen Veränderungsprozess und findet zu einem Großteil in der Klinik statt, insbesondere in den ersten Jahren. Hier geschieht die Wissensvermittlung eben nicht nur zwischen weiterbildungsbefugtem Chefarzt und Weiterzubildenden, sondern durch Facharztkollegen, Oberärztinnen und viele andere Beteiligte des Arbeitsalltages. Das sollte auch die Befugungspraxis widerspiegeln. Diese Kommunikation auf verschiedenen Ebenen der Berufspraxis ist für die jungen Kolleginnen und Kollegen parallel zum Erwerb von Facharztkompetenzen ein genauso wichtiger Bestandteil ihrer ärztlichen Sozialisation.
So möchte ich alle Kolleginnen und Kollegen dazu ermuntern, die neue WBO zu diskutieren und möglichst viele Fragen an die Weiterbildungsgremien der Kammer zu stellen – damit sie zu dem wird, was sie sein sollte: eine WBO für die zukunftstragenden Weiterzubildenden, in engem Kontakt mit gut vorbereiteten Weiterbildern.
Dr. med. Lars Bodammer, Präsidiumsmitglied Landesärztekammer Hessen, Stellv. Vorsitzender Marburger Bund Hessen