Einleitung

Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) tritt das in den vergangenen Monaten intensiv diskutierte Masern-schutzgesetz am 1. März 2020 in Kraft. Ziele des neuen Gesetzes sind die Verbesserung des individuellen Masernschutzes, der Aufbau eines ausreichenden Gruppenschutzes, der Schutz vulnerabler Gruppen und der Abbau von praktischen Impfbarrieren.

Grundlagen

Für die Kolleginnen und Kollegen, die das Werden dieses Gesetzes mitverfolgt haben, lohnt aus verschiedenen Gründen ein genaues Hinschauen: Von den ersten Entwürfen bis zu der im Dezember 2019 verabschiedeten Fassung sind etliche Veränderungen und Ergänzungen in den Text eingeflossen. Außerdem finden sich in dem Artikelgesetz auch Regelungen, die nichts mit dem Masernschutz zu tun haben, wie die § 6-Meldepflicht für zoonotische Influenza, die § 7-Meldepflicht für Bornaviren, das Pilotprojekt „Grippeimpfung in Apotheken“ in Artikel 2 oder in Artikel 3d die Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung.

Doch zurück zum Masernschutzgesetz – nach wie vor kommt der Begriff „Impfpflicht“ im Text dieses Gesetzes nicht vor. Allerdings ist eine Impfung in vielen Fällen der einzig gangbare Weg, um die erforderliche Immunität nachweisen zu können (siehe Kasten).

Zwei Kalenderdaten sind im Zusammenhang mit diesem Gesetz wichtig: der 1. März 2020 und der 31. Juli 2021. Ab dem 1. März 2020 dürfen (mit Ausnahmen) sowohl in Kindergärten als auch in Schulen und medizinischen Einrichtungen nur noch Personen neu aufgenommen oder eingestellt werden, die eine Masernimmunität nachweisen können. Verantwortlich für ihre Immunität sind die Personen beziehungsweise deren Erziehungsberechtigte selber.

Wenn es aber um Aufnahme oder Einstellung in die Einrichtungen geht, tragen deren Leitungen die Verantwortung. Sie können sogar, wenn sie dieser Aufgabe nachweislich nicht nachkommen, mit Bußgeldern belegt werden. Bei den Schulkindern findet sich eine Besonderheit: Wenn Kinder der Schulpflicht unterliegen, geht die Schulpflicht vor, d. h. auch ungeimpfte Kinder dürfen oder müssen weiterhin die Schule besuchen. Allerdings können zukünftig die uneinsichtigen Erziehungsberechtigten mit einem Bußgeld belegt werden. Anders sieht es aus, wenn ein Kind in eine Kita oder bei einer erlaubnispflichtigen Tagesmutter aufgenommen werden soll. Hier ist es der Einrichtungsleitung (mit Ausnahmen) untersagt, ungeimpfte Kinder aufzunehmen. Damit auch Tagesmütter hier eingeschlossen sind, wird der § 33 IfSG „Gemeinschaftseinrichtungen“ und der § 2 „Definitionen“ um eine neue Bestimmung, welche die Leitung einer Einpersonen­Einrichtung betrifft, erweitert.

In der Übergangszeit zwischen dem 1.3.2020 und dem 31.7.2021 haben alle bereits in den Einrichtungen befindlichen Personen die Möglichkeit, sich um den Nachweis ihrer Immunität zu kümmern, eventuelle vorhandene Impflücken zu schließen und dies den Leitungen der Einrichtungen mitzuteilen. Nach dem 31.7.2021 melden die Leitungen der Einrichtungen die Personen, die keinen Immunitätsnachweis besitzen, an das zuständige Gesundheitsamt.

Auswirkungen in der Praxis

Welche Aufgaben kommen auf die Ärztinnen und Ärzte zu? Zunächst einmal sind sie über den § 23 (3) IfSG selber direkt betroffen, sich um die eigene Immunität zu kümmern, sofern sie nach dem 31.12.1970 geboren sind. Sodann tragen sie als Leiter oder Leiterin einer Praxis Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ärztlichen- und im Assistenzdienst, aber auch bei weiteren Praxismitarbeitenden, die Kontakt zu Patienten haben. Es darf erwartet werden, dass viele Patienten in der nächsten Zeit um Informationen zur Masernimmunität nachfragen werden. § 20 (9) Satz 1 Nr. 2 IfSG sieht ja vor, dass Ärzte ein ärztliches Zeugnis darüber abgeben, dass bei Patienten eine Immunität gegen Masern vorliegt oder dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können. Mit entsprechender Nachfrage ist zu rechnen, denn immerhin droht nicht-immunen Personen in verschiedenen Einrichtungen ein Betretungsverbot.

Einschränkungen

Zeit – In den vergangenen Jahren treten Masernausbrüche besonders oft in älteren Jahrgängen auf. Die aktuellen Änderungen werden allerdings auf die älteren Altersstufen fast keinen Einfluss nehmen. Hier hilft nur Geduld, denn langfristig wird die bessere Durchimpfung von Kindern in Kitas und Schulen dazu führen, dass mit dem Aufwachsen von immunen Kohorten die Masernviren ihr Lebensreservoir in Deutschland verlieren werden.

Kombinationsimpfstoffe – Das Gesetz regelt nur die Immunität gegenüber Masernviren. Derzeit sind aber keine monovalenten Masernimpfstoffe in Deutschland zugänglich. In § 20 (8) IfSG ist geregelt, dass die Anforderungen zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern auch bestehen, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten.

Lieferengpässe – Im Falle von Lieferengpässen von Masernimpfstoffen kann die oberste Landesgesundheitsbehörde allgemeine Ausnahmen bei der Aufnahme neuer Beschäftigter oder Kinder (ohne Immunität) zulassen.

Umsetzung – Die Gesundheitsämter sind in dem neuen Gesetz mit vielfältigen Aufgaben bedacht worden. Die Schaffung und Besetzung notwendiger neuer Stellen wird einige Zeit in Anspruch nehmen; dies wird voraussichtlich zu personellen Engpässen führen.

Weitere Regelungen/Fragen: Die Bundesländer haben hinsichtlich der Gestaltung der konkreten Umsetzung des Masernschutzgesetzes große Spielräume durchgesetzt. Dies führt voraussichtlich dazu, dass in Hessen andere Regelungen greifen werden als bei unseren Nachbarbundesländern. Wie diese genau aussehen, werden wir Ihnen in einem nächsten Beitrag berichten. Das Bundesgesundheitsamt hat auf seiner Internetseite einen umfangreichen Katalog mit Fragen und Antworten geschaltet, mit dessen Hilfe viele Unklarheiten beseitigt werden können.

Link: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht/faq-masernschutzgesetz.html

Dr. med. Bernhard Bornhofen, Sprecher des Fachausschusses Infektionsschutz des Bundes- und des Landesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Leiter des Stadtgesundheitsamtes Offenbach, E-Mail: bernhard.bornhofen@offenbach.de

Folgende Informationen gibt das Gesetz in § 20 IfSG:

  • Wer vor oder am 31.12.1970 geboren ist, gilt als immun.
  • Wer zweimal gegen Masern geimpft ist, gilt als immun.
  • Wer nur einmal geimpft und jünger als zwei Jahre ist, gilt als immun.
  • Wer nur einmal geimpft und älter als zwei Jahre ist, gilt als nicht-immun und sollte noch einmal geimpft werden.
  • Wer der Meinung ist, die Masern durchgemacht zu haben, benötigt einen Immunitätsnachweis über den Nachweis virusspezifischer Antikörper (IgG).
  • Wer wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, benötigt einen ärztlichen Nachweis.