Kurzfassung eines Artikels aus „Arzneiverordnung in der Praxis“, siehe unten.

Über Jahre sind Verordnungszahlen von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) linear gestiegen, ohne dass sich parallel evidenzbasierte Indikationen ausgeweitet hätten. Evidenzbasiert und leitlinienkonform könnten die Verordnungszahlen ohne Schaden für die Patienten jedoch deutlich zurückgeführt werden (also unter 1,6 Milliarden Tagesdosen). Die kontroverse Diskussion um etwaige Nebenwirkungen der PPI steht hier jedoch nicht im Fokus.

Sieben Indikationsgruppen einer PPI-Behandlung lassen sich abgrenzen:

  1. In der Intensivmedizin werden PPI zur Vorbeugung einer Stress-Ulkus-Blutung eingesetzt. Dies scheint auch nach aktuellen Daten wirksam. Eine Senkung der Mortalität ist aber nicht belegt. Die Vermeidung von Notfallendoskopien auf der Intensivstation ist jedoch ein nachvollziehbares Argument. Mit Verlegung von der Intensivstation, spätestens zum Entlassungszeitpunkt besteht diese Indikation nicht mehr.
  2. Bei Refluxsymptomen ohne Hinweise auf eine Tumorerkrankung empfiehlt die Deutsche Reflux-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V . (AWMF) eine probatorische Behandlung mit PPI über vier Wochen. Danach sollen beschwerdefreie Patienten nur noch eine bedarfsadaptierte PPI-Medikation erhalten. Anhaltend symptomatische Patienten bedürfen einer Diagnostik vor weiterer Therapie. Bewusst werden die Empfehlungen zu Lifestyle-Änderungen (Ernährung, Gewichtsreduktion, nächtliche Lagerung etc.) vor die Empfehlung zur PPI-Behandlung gestellt.
  3. Das leitliniengemäße Vorgehen bei einer endoskopisch nachgewiesenen, aber leichten RefluxösophagitisGrad A oder B nach der Los-Angeles-Klassifikation entspricht dem Vorgehen bei einer probatorischen Behandlung von Refluxsymptomen. Auch bei endoskopischen Veränderungen Grad D und C sollte nach erfolgreicher Akutbehandlung eine Dosisreduktion angestrebt werden und nach einem Jahr stabiler Behandlung auch ein Auslassversuch mit ausschleichender Dosierung zur Vermeidung eines symptomatischen Säurerebounds erfolgen. Der Nachweis von Barrett indiziert per se keine PPI-Dauermedikation. Auch in dieser Situation wird die Indikation von der Entzündungsaktivität bestimmt.
  4. Bei der funktionellen Dyspepsie haben PPI in Studien einen geringen, signifikanten positiven Effekt, der 10–20 % über der Placebowirkung liegt. Insbesondere Patienten mit schmerzdominanter oder refluxsymptomdominanter funktioneller Dyspepsie scheinen zu profitieren. PPI haben aber keine Zulassung in dieser Indikation und sind hier somit ein Off-Label-Use! PPI sind keine Dauermedikamente zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie.
  5. PPI sind Bestandteil aller etablierten Protokolle zur Behandlung einer Helicobacterpylori-Infektion. Die Indikation zu einer Eradikationsbehandlung ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Es wird auf die entsprechende deutsche Leitlinie verwiesen. Nach Abschluss einer erfolgreichen Eradikationsbehandlung besteht grundsätzlich keine Indikation zur Fortsetzung der PPI-Behandlung. Ausnahmen siehe unter 7.
  6. Patienten mit Zustand nach einer gastroduodenalen Ulkusblutung unter einer Dauerbehandlung mit Acetylsalicylsäure (ASS), die Helicobacter-pylori-positiv sind, bedürfen einer Eradikationsbehandlung ohne anschließende Dauertherapie mit PPI. Patienten mit gastroduodenaler Ulkusblutung ohne Helicobacter-pylori-Infektion bedürfen einer PPI-Dauermedikation zur Reduktion des Blutungsrisikos. Dies gilt auch für den Zustand nach Ulkusblutungen unter sonstigen Thombozytenaggregationshemmern, DOAK (Direkte orale Antikoagulantien) oder Vitamin-K-Antagonisten.
  7. Risikokonstellationen einer Ulkusblutung können eine prophylaktische Dauertherapie mit PPI rechtfertigen. Eine besondere Rolle kommt hier Medikamenten zu, die selbst ulzerogen sind, wie z. B. nichtsteroidale Antirheumatika, oder die das Gerinnungssystem beeinflussen (siehe Tab. 1*).

Empfehlung zur Dauerprophylaxe mit einem PPI

  • Dauerbehandlung mit einem traditionellen nichtsteroidalen Antirheumatikum (tNSAR) wie zum Beispiel Diclofenac und zumindest einem weiteren Risikofaktor aus Tab. 1*. Bei Umstellung auf einen selektiven COX-2-Inhibitor, kann auf die PPI-Dauermedikation verzichtet werden.
  • Kombination eines tNSAR mit einem gerinnungsaktiven Medikament aus Tab 1*. Bei Coxiben besteht eine Empfehlung nur, wenn ein weiterer Risikofaktor aus Tab. 1* vorliegt.
  • Kombinationsbehandlung mit mehr als einem der gerinnungsaktiven Medikamente aus Tab. 1*.

Bei einer Monotherapie mit einem der genannten gerinnungsaktiven Substanzen und einem weiteren Risikofaktor aus Tab. 1* geht die deutsche Leitlinie nicht über eine Kann-Formulierung hinaus [8].

Deprescribing PPI

Auf der Basis der zuvor zusammengestellten Indikationen kann ein strukturiertes Vorgehen formuliert werden, mit dem PPI-Verordnungen auf leitlinienkonforme Indikationen und Dosierungen reduziert werden (Abb. 1*). Der Themenkomplex 7 „Risikokonstellationen einer Ulkusblutung“ erfordert in einer alternden und damit auch polymorbiden Gesellschaft eine regelmäßige Überprüfung, wenn sich der Gesundheitsstatus oder die Medikation der Patienten ändern. Allein die Kombination hohes Lebensalter und Polymedikation sind aber keine Indikation für eine PPI-Medikation. Eine prophylaktische Gabe von PPI während einer stationären Behandlung ist bei älteren Menschen mit Komorbidität und Komedikation oft aufgrund der zur Aufnahme führenden akuten Erkrankungssituation gerechtfertigt (siehe Tab. 1*). Diese Indikation besteht aber zum Entlassungszeitpunkt typischerweise nicht mehr. Gerade zum Zeitpunkt der Entlassung aus einer stationären Behandlung sollten der entlassende und der weiterbehandelnde Arzt die Indikation einer PPI-(Dauer)-Medikation kritisch prüfen.

Fazit

Durch ein strukturiertes Vorgehen, dass die bestehenden Indikationen zur Behandlung mit PPI beachtet, ist in vielen Fällen eine Dosisreduktion und auch eine Beendigung einer PPI-Medikation ohne Schaden für den Patienten möglich.

Dr. med. Ulrich Rosien, Hamburg, E-Mail: u.rosien@ik-h.de

* Den vollständigen Artikel mit Tab. 1 und Abb. 1 sowie Literatur lesen Sie in „Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2019; 46: 114–118, kostenfrei abrufbar unter: www.akdae.de