Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums erscheint für die meisten Absolventinnen und Absolventen die Annahme einer Arbeitsstelle in einer Klinik als der unmittelbar nächste Schritt. Einige sind sogar bis zur erfolgreich bestandenen Facharztprüfung ausschließlich dort tägig. Doch ist dies in der Regel kein Muss, denn auch der Berufsstart in einer Praxis ist eine Option und kann diverse Vorteile bieten.
Vorteile der ambulanten Weiterbildung
Da ich zunächst keine Klinikstelle antreten konnte, begann ich meine Weiterbildung im Fachbereich Dermatologie in einer großen Praxis in der Nähe von Marburg. Dort hatte ich mehrere Chefinnen, die sich in der Arbeitszeit zum Teil abwechselten, sowie auch eine Facharztkollegin, die mich während meiner Weiterbildungszeit einarbeiteten und supervidierten. Abgesehen von meinem Praktischen Jahr in der Dermatologie und einer ärztlichen Tätigkeit in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine praktischen und klinischen Erfahrungen gesammelt. Das Praxisteam nahm mich sehr freundlich auf und nahm sich viel Zeit, mich in die Praxisabläufe und vor allem in das Fachgebiet mit seinen diversen Krankheitsbildern einzuarbeiten.
Zwar sind die Fragestellungen im ambulanten Bereich in der Regel weniger komplex und mit geringerem Zeitaufwand verbunden, doch die Anzahl an Patienten pro Stunde ist in der Niederlassung in der Regel höher als in der Klinik. So konnte ich innerhalb kürzester Zeit ein sehr breites Spektrum sehen und im Verlauf viel praktische Erfahrung, Wissen und Fertigkeiten in unterschiedlichen Bereichen der Dermatologie sammeln.
Ein großer Vorteil der Weiterbildung im ambulanten Bereich stellt das breite Spektrum der Dermatologie dar, zu dem ich gleich von Anfang an Zugang hatte und mein Wissen umfassend ausbauen konnte. Auf Grund von Spezialisierungen und Rotationen in die verschiedenen Abteilungen einer Klinik wird die Breite des Faches im stationären Bereich dagegen erst nach und nach erschlossen, sofern die Rotationen geordnet ablaufen.
Einen weiteren Pluspunkt stellt die persönliche Supervision in der Praxis dar. Besonders zu Beginn einer Weiterbildung ist man in verschiedenen Therapieschemata oftmals unsicher, besonders was Dosierungen und Dauer verschiedener Behandlungen angeht. Meine Chefinnen waren immer für Fragen offen und ich musste nicht lange warten, bis Fragen zu einem Patienten besprochen und Therapieschemata festgelegt werden konnten. In meiner Weiterbildungspraxis wurde ich zudem zu selbstständigem Handeln und Denken ermutigt und angeleitet. Durch die gute Unterstützung der Medizinischen Fachangestellten wurde ich zudem in vielen bürokratischen Dingen entlastet und konnte mich auf meine Haupttätigkeit als Ärztin konzentrieren. In der Klinik ist der bürokratische Aufwand für Ärzte oftmals bedeutend höher. Für die notwendigen Operationen wurde ich behutsam angelernt und konnte mich nach und nach trauen auch größere Operationen durchzuführen – was ansonsten in der Dermatologie normalerweise nicht im ersten Klinikjahr üblich wäre.
Beim Wechsel von der Praxis in die Klinik hatte ich bereits einen sehr guten Überblick über mein Fachgebiet und konnte im Vergleich zu anderen Berufsanfängerinnen und -anfängern auf vielfältigen Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aufbauen. Zudem hatte ich sehr gute chirurgische Grundkenntnisse, konnte bereits in meinem ersten Jahr in der Klinik auch im OP unterstützen und meine Erfahrungen aus der Praxis mit anderen Kollegen in der Klinik teilen.
Gute Weiterbildung braucht engagierte Vorgesetzte
Eine gute Weiterbildung braucht mit Sicherheit ein breites Spektrum – indem die Klinikzeit aufgrund der komplexeren Krankheitsbilder nicht fehlen sollte. Insgesamt bot die Praxiszeit eine inhaltlich sehr schnelle und breit gefächerte Facharztweiterbildung und dies bei geregelten Arbeitszeiten, ohne Feiertags- und Wochenenddienste. Außerdem möchte ich betonen, dass es für eine gute Weiterbildung – egal ob in der Praxis oder der Klinik – vor allem engagierte und erfahrene Vorgesetzte braucht, die Interesse an Lehre haben und bereit sind, ihr Wissen mit Begeisterung an die junge Ärztegeneration weiterzugeben.
Rückblickend ist mein Eindruck, dass die ambulante Weiterbildung mich sehr vorangebracht hat und ich heute meinen jungen Kolleginnen und Kollegen nur empfehlen kann, diese Möglichkeit wahrzunehmen.
Dr. med. Dorothea Bleyer, Ärztin in Weiterbildung im vierten Jahr, Fachbereich Dermatologie am Universitätsklinikum Gießen