Erfahrungsbericht aus der Allgemeinmedizin

„Telemedizin ist mir fremd.“ Mit Abschluss ihres Studiums im Sommer 2020 erkennt die angehende Ärztin Carola Link jene Wissenslücke, welche in Europa keine Ausnahme bildet [1]. Wie funktioniert die Technik der Telemedizin? Welche ärztlichen Kompetenzen sind bei der telemedizinischen Behandlung zusätzlich nötig? Wie ergeht es den Patienten und Patientinnen mit dieser meist noch ungewohnten Behandlungstechnik? Um Antworten zu finden, fragte sie mich im Juli 2020 nach einer telemedizinischen Hospitation.

E-Health-Technik nutze ich seit 2018 in meiner allgemeinmedizinischen Praxis in Wiesbaden und halte darüber Vorlesungen an der Hochschule RheinMain, Fachbereich Gesundheitsökonomie, Business School Wiesbaden.

Voraussetzungen und Aufbau der Fern-Hospitation

Die Fern-Hospitation erstreckte sich über eine Woche und nahm 10,5 Stunden in Anspruch. Gestartet wurde mit einer Videokonferenz, bei der die Kollegin die datengeschützten Programme und Rahmenbedingungen kennenlernte (1,5 Stunden).

Im Anschluss erfolgte das Selbststudium mithilfe meiner Vorlesung und Literaturrecherchen (3,5 Stunden). Nach dem theoretischen Teil stiegen wir in die Praxis ein mit zwei Fallvorstellungen (2 Stunden), sieben telemedizinischen Behandlungen (1,5 Stunden) und den Nachbereitungen (2 Stunden). Telemedizin definierten wir nach den Vorgaben der Bundesärztekammer [2].

Der Hospitationsvertrag bildete die rechtliche Basis, welche Datenschutz und Schweigepflicht berücksichtigte. Weitere Voraussetzungen waren der beidseitige Zugriff auf ein digitales Medium inklusive Kamera- und Audiofunktion sowie eine schnelle und gut funktionierende Internetverbindung.

Wir nutzten für die Hospitation drei Konstellationen: Bei der ersten handelte es sich um die klassische Videosprechstunde, in der die angehende Ärztin und der Patient an physisch verschiedenen Orten im datengeschützten Raum synchron zusammenkamen. In der zweiten wurde die Kollegin digital ins Sprechzimmer über eine datengeschützte Plattform hinzugeschaltet. Im dritten Fall nahm die Hospitantin online via mobiles Endgerät an einem Hausbesuch teil, den die nichtärztliche Praxisassistentin (NäPa) durchführte.

Die Informationen zu den Patienten standen nach deren Einwilligung als PDF-Datei im datengeschützten Raum der Kollegin zur Verfügung. Zu Beginn als reine Beobachterin führte sie am Ende der Hospitation die Fern-Sprechstunden selbstständig durch.

Wie wurde die Hospitation empfunden?

„Mir ist das Sammeln von zukunftsorientierten Erfahrungen wichtig.“ Noch vor Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit wollte die Kollegin ein weiteres Werkzeug der medizinischen Behandlung besser kennenlernen und ihre Kompetenzen erweitern. Sie berichtete mir von anfänglichen Schwierigkeiten, während der Videosprechstunde eine persönliche Bindung aufzubauen. „Technikaffine, eher jüngere Menschen erlebte ich offener im Umgang mit der digitalen Konsultation als ältere.“ Studienergebnisse aus dem Fachbereich der Urologie bestätigten ihre Aussage [3].

Auch Senioren zeigten trotz anfänglicher Zweifel Interesse an der ungewohnten Behandlungstechnik. Mit weißem Kittel und professionellem Hintergrund wurde die Kollegin sofort als Ärztin identifiziert. „Das simultane Einblenden meines eigenen Bildes neben dem des Patienten gab mir ein ständiges Feedback während des Gespräches.“

Die Patientenmeinungen zur Telemedizin waren oft positiv: Sprechstunde in der eigenen Wohnung sei doch ganz angenehm, ebenso die Praxis trotz eingeschränkter Mobilität „besuchen“ zu können. „Im Verlauf der Hospitation habe ich gelernt, Grenzen zu überbrücken.“ Hierzu gehörte beispielsweise das geschickte Dirigieren der Kamera, um mehr Informationen zu erhalten, oder das Ermitteln der Vitalparameter online durch die Patienten selbst.

Ging es nicht ohne physische ärztliche Präsenz (beispielsweise notwendige Palpation, Auskultation, Sonografie), wurde der Patient in die Praxis einbestellt.

Möglichkeiten der Telemedizin

Die Telemedizin kann innerhalb der Patientenversorgung bei steigendem Bedarf eine Sonderstellung einnehmen, insbesondere im Zusammenhang mit der Nachsorge bzw. Behandlung von chronischen Erkrankungen. Ihre wichtige Rolle im Rahmen der Pandemie wurde international von mehreren Autoren postuliert [3–8].

Fazit

Möglichkeiten und Grenzen der Telemedizin sollten schon während des Studiums vermittelt werden [9]. Eine telemedizinische Hospitation rein digital oder im Hybridformat digital/analog kann geeignet sein, die ärztlichen Kompetenzen bereits im Studium zu erweitern.

Dr. med. Susanne Springborn, E-Mail: springborn-komissarenko@t-online.de

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