Die meisten Zeitgenossen binden sich mehr oder weniger klaglos einen Mund-Nasen-Schutz vor die untere Gesichtshälfte, wenn sie geschlossene Räume oder entsprechend ausgewiesene Umgebungen betreten. Doch das Verständnis und die Solidarität innerhalb der Bevölkerung scheinen zurückzugehen – Demonstrationen gegen die Beschränkungen und Verweigerer der Maskenpflicht nehmen zu.

So sehen sich auch Ärzte immer häufiger mit der Bitte oder sogar dem Drängen ihrer Patienten konfrontiert, ohne ärztliche Untersuchung oder konkrete Symptome ein medizinisches Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht auszustellen. Gerechtfertigter Anlass für das Ausstellen eines solchen Befreiungsattestes ist jedoch nur eine gesicherte Diagnose – wie eine Phobie, eine zu schwerer Atemnot führende Lungenerkrankung oder schwere Herzschwäche. Es ist daher Vorsicht geboten!

Unrichtige Gesundheitszeugnisse diskreditieren den gesamten Berufsstand

Ein derartiges Attest enthält nämlich eine Erklärung über den Gesundheitszustand des Patienten und stellt somit ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 278 StGB dar. Stellt der Arzt nun ein solches Befreiungsattest aus, ohne den Patienten vorher konkret untersucht zu haben oder bescheinigt er Symptome, welche tatsächlich nicht vorliegen, ist das Gesundheitszeugnis inhaltlich unrichtig. Der Arzt, der ohne ärztliche Indikation oder gar ohne vorherige Untersuchung ein Befreiungsattest für die Corona-Maskenpflicht ausstellt, macht sich gemäß § 278 StGB wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse strafbar.

Die Folgen von diesen und anderen „Gefälligkeitsattesten“ sind weitreichend und greifen in verschiedene Berufs- und Lebensbereiche ein. Hinzu kommt, dass bereits der Verdacht, dass vermehrt unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt werden und es die Ärzteschaft mit ihren Berufspflichten nicht zu genau nimmt, zur Diskreditierung des gesamten Berufsstands führen kann. Behörden wie Krankenkassen und Gerichte nehmen es sehr genau und verlassen sich auf die Richtigkeit der ihnen vorgelegten Gesundheitszeugnisse, da sich aus dem Berufsethos des Arztes und aus der Strafbewehrung unrichtiger Atteste ein erster Anschein für deren Richtigkeit ergibt. Eine zunehmende Anzahl unrichtig ausgestellter Zeugnisse führt jedoch dazu, dass Behörden und Justiz ärztlichen Bescheinigungen kritischer gegenüberstehen und diese häufiger hinterfragen.

I. Strafrechtliche Konsequenzen: § 278 StGB

Wie bereits erwähnt, stellt das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse einen Straftatbestand dar und kann mit Freiheits- oder Geldstrafe bestraft werden. Zudem hat der betroffene Arzt auch während der Ermittlungen mit erheblichen Beeinträchtigungen, wie einer Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme der Krankenunterlagen zu rechnen. Ein die Strafbarkeit voraussetzendes Tatbestandsmerkmal ist die Zweckbestimmung. Hierfür muss das unrichtige Gesundheitszeugnis zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft ausgestellt worden sein. Unter den Begriff der Behörde fallen insbesondere gesetzliche Krankenkassen und Berufsgenossenschaften.

Der Tatbestand ist dabei schon erfüllt, sobald der Arzt die Bescheinigung mit dem darauf erklärten Inhalt unterzeichnet und die Möglichkeit besteht, dass dieses Zeugnis zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorgelegt wird. Insoweit ist zu beachten, dass ein Befreiungsattest auch schon dann bei einer Behörde vorgelegt oder gebraucht wird, wenn sich der Patient in der Öffentlichkeit weigert, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen und daraufhin die Polizei gerufen und das Attest vorgezeigt wird. Da aber das ärztliche Befreiungsattest für Corona-Masken regelmäßig explizit für solche Situationen ausgestellt wird, ist auch das Tatbestandsmerkmal des Ausstellens zum Gebrauch bei einer Behörde erfüllt. Es steht zu befürchten, dass die Strafverfolgungsbehörden in diesen Fällen wenig Milde walten lassen, denn die Zuverlässigkeit ärztlicher Atteste erleichtert Behörden, Versicherungen und der Justiz die Arbeit ungemein. Aufwendige Gutachten, die auch den Patienten durch vielfältige, wiederholte Untersuchungen belasten würden, sind oft unnötig, wenn ein Gesundheitszeugnis vorliegt. Justiz und Strafverfolgungsbehörden haben daher ein hohes Eigeninteresse, die Integrität ärztlicher Gesundheitszeugnisse zu schützen und mit auch abschreckenden Maßnahmen gegen Verstöße vorzugehen.

II. Berufsrechtliche Konsequenzen nach BO

Neben den strafrechtlichen stehen auch berufsrechtliche Konsequenzen im Raum. Gemäß § 25 Abs. 1 der hessischen Berufsordnung (BO) haben Ärzte und Ärztinnen bei der Ausstellung ihrer Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen. Hier muss zunächst mit berufsgerichtlichen Maßnahmen wie einer Verwarnung oder einem Verweis gerechnet werden. Kassenärzte können sich zudem einem Disziplinarverfahren ausgesetzt sehen. Hierbei stehen ebenfalls Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu 50.000 Euro und die Anordnung des Ruhens der vertragsärztlichen Zulassung im Raum. Die endgültige Entziehung der Kassenarztzulassung kommt nur in seltenen Fällen und nur bei sehr schweren Verstößen in Betracht. Nach § 5 Abs. 2, Satz 1 BO kann aber auch die Approbation widerrufen werden, wenn man sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zum Ausüben des ärztlichen Berufes ergibt.

Ein Ruhen der Approbation kommt gemäß § 6 Abs. 1, Nr. 1 BO in Betracht, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat ein Strafverfahren eingeleitet ist, aus der sich diese Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit ergeben kann. Bei dem Begriff der „Unzuverlässigkeit“ handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal mit einem prognostischen Element, bei dem es also darauf ankommt, wie sich der Betroffene in der Zukunft verhalten wird. Bei beharrlichen Verstößen gegen Strafvorschriften liegt eine schlechte Prognose nahe, was im Wiederholungsfall zum Entzug der Approbation führen kann.

III. Zivil- und arbeitsrechtliche Konsequenzen

Stellt ein angestellter Arzt unrichtige Zeugnisse aus, droht ihm neben dem Ermittlungsverfahren zudem der Verlust der Arbeitsstelle, da dieses Verhalten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Ferner muss der betroffene Arzt beachten, dass er sich durch sein Handeln gemäß § 106 Abs. 3a SGB V gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse schadensersatzpflichtig gemacht hat, wenn er die unrichtigen Zeugnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig ausgestellt hat.

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Dr. jur. Thomas K. Heinz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht E-Mail: dr.tkheinz@freenet.de