Beiträge der Professoren Gottschalk & Heudorf stoßen auf großes Echo
Wie kein anderes Thema bestimmt die Corona-Pandemie seit Monaten die öffentliche Diskussion. Sie fordert Wissenschaft, Medizin, Politik und Gesellschaft heraus und polarisiert auch in Fachkreisen.
Da das Hessische Ärzteblatt (HÄBL) die Meinungsvielfalt in der medizinischen Wissenschaft abbilden will, veröffentlichen wir auch zum Umgang mit Corona unterschiedliche Ansichten. In jeder Ausgabe des HÄBL weisen wir darauf hin, dass in der Rubrik „Ansichten & Einsichten“ erscheinende Beiträge nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wiedergeben.
Von dem großen Medienecho auf die in der Ausgabe 10/2020 erschienenen Artikel „Die Covid-19-Pandemie in Frankfurt am Main: Was sagen die Daten?“ und „Die Covid-19-Pandemie – bisherige Erkenntnisse und Empfehlungen für das weitere Vorgehen“ von Prof. Dr. med. René Gottschalk, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, und seiner früheren Stellvertreterin, Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, war auch die Redaktion des HÄBL überrascht. Ebenso von der erheblichen Resonanz in den sozialen Medien.
Schlagzeilen hatte Gottschalks und Heudorfs Auswertung der Zahlen des statistischen Bundesamtes gemacht, wonach die Corona-Pandemie in Frankfurt in der ersten Hälfte des Jahres weniger Todesopfer gefordert habe als die Grippewellen der Vorjahre und die Hitzewellen im Sommer. Nicht zuletzt hatten beide Autoren die Politik aufgefordert, ihre Strategie zur Eindämmung der Pandemie zu überdenken.
Wir drucken in dieser Ausgabe Leserbriefe zu beiden Artikeln ab. Die Autoren wurden gebeten, Fragen von Leserinnen und Lesern zu beantworten.
Katja Möhrle
Leserbriefe:
Vielen Dank für die fachliche und medizinisch sachliche Aufklärung zu den Daten der Covid-19-Pandemie in Frankfurt am Main. Ein sehr angenehmer Kontrast zu der meist unsachlichen Berichterstattung in der Politik und den vorherrschenden Medien. Eine sachliche Berichterstattung ist derzeit wichtiger denn je! Denn die wirtschaftliche und politische Stabilität Deutschlands steht auf dem Spiel! Nochmals Danke!
Oliver Harffen, Köln, Ass. jur. und Heilpraktiker
Sehr erstaunt und hocherfreut war ich über den Artikel: Die Covid-19-Pandemie – bisherige Erkenntnisse und Empfehlungen für das weitere Vorgehen. Wir brauchen eine Deeskalation, und dafür sind solche sachlichen Artikel aus berufenem Munde wichtig.
Dr. med. Stephan Nolte, Kinder- und Jugendarzt/Psychotherapeut, Marburg
Ein Fazit aus dem Verlauf der Sommermonate ziehen, um daraus Schlüsse für den Herbst/Winter abzuleiten, ist für mich dann doch eher fragwürdig. Eine Reaktion durch Deutschlands Meinungsbildungsorgan (Bild-Zeitung, Anm. d. Redaktion) war zu erwarten. Das Schöne an Statistiken ist, dass jeder sie in seine Richtung interpretieren kann, bzw. Aspekte entsprechend der eigenen Meinung herausstellt oder ignoriert.
Wer einen lieben Menschen verloren hat, interessiert sich sicher nicht für „Übersterblichkeit“. Beruhigend, dass auch in diesem Artikel AHA-L empfohlen wird.
Ingrid Ritter, Bad Homburg
Sobald man vom Glauben an das „Dogma des Killervirus“, der uns die Pistole auf die Brust drückt, abweicht, hat man mit sozialen und rechtlichen Konsequenzen zu rechnen – mal fallen diese intensiver, mal weniger intensiv aus. Daher begrüße ich sehr Ihre sachliche Analyse der Zahlen des RKI sowie die Ihrer eigens zusammengetragenen. Auch den damit einhergehenden Mut, solcherlei Aussagen zu treffen, denn schnell können Ihnen diese zur Zeit um die Ohren fliegen.
Florian Buchholz, Köln (Eine Frage des Absenders zur Maskenpflicht siehe unten)
Meine Familie und ich sind Ihnen überaus dankbar für den Artikel. Wir sind sehr froh, dass mehr und mehr Leute die Maßnahmen in Zweifel ziehen. Hier wird mit fundierten Zahlen darauf hingewiesen, dass das, was an Schrecken von Nachrichten und Regierung verbreitet wird, in keinem Verhältnis zu den Tatsachen steht. Sehr viele Menschen sind verzweifelt und fühlen sich machtlos gegenüber der Willkür, die augenscheinlich waltet.
Tabea-Sophie Hohensee, Berlin
Ich möchte meine Verwunderung über einige in der Veröffentlichung „Die Covid-19-Pandemie in Frankfurt am Main: Was sagen die Daten?“ im Hessischen Ärzteblatt 10/2020 gemachten Aussagen ausdrücken. Diese Veröffentlichung ist öffentlich zugänglich und gilt (verständlicherweise, dies sollte ja auch das Eigenverständnis einer Landesärztekammer sein) in der Öffentlichkeit als medizinisch belastbare Information. Sie ist auch, im Gegensatz zu einer weiteren Verlautbarung der Autoren in der gleichen Ausgabe, nicht als „eigene Meinung“ gekennzeichnet. Die Darstellung der Daten ist in weiten Teilen durchaus nachvollziehbar, die Interpretation jedoch durchaus einseitig.
So werden die Daten zur (nicht vorhandenen) Übersterblichkeit nicht im internationalen Kontext betrachtet. Meine wesentliche Kritik gilt jedoch vor allem auch der Darstellung der „Corona-Testergebnisse“. Hier werden aus falsch positiven Befunden (die durchaus auftreten können) im Fazit „häufig falsch positive“ Resultate. Dies ist, das zeigen aktuelle Daten aus zahlreichen Ländern (wenn man unterstellt, das ALLE positiven Ergebnisse falsch positiv sind!), schlicht falsch. Die Quote liegt sicher unter 0,1 %, eher bei 0,025 %. Bei der derzeitigen Testfrequenz von ca. 1 Mio. Tests pro Woche in Deutschland ergibt sich bei einer Positivrate von 0,86 % z. B. eine Falsch-Positiv-Rate von 2 %. Die Verwendung des Wortes „häufig“ ist meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang zumindest irreführend, wenn nicht sogar gezielt stimmungsmachend. Des Weiteren wird die Sars-CoV-2-PCR hinsichtlich ihrer Interpretierbarkeit mit jener für MRSA verglichen. Dies empfinde ich als problematisch (da es sich um komplett unterschiedliche Erregertypen handelt, aber da ich keine fachliche Weiterbildung in dem Bereich der Virologie/Mikrobiologie habe, kann ich mich hier auch irren).
Die Veröffentlichung im Hessischen Ärzteblatt wird in der Bevölkerung verständlicherweise als Diskussionsbeitrag im Sinne der Aussage „es ist doch nur eine Grippe und alles nicht so schlimm“ genutzt und in den Social Media-Kanälen entsprechend geteilt und kommentiert. Die dem Artikel folgende Einschätzung der beiden Autoren wird nicht entsprechend verbreitet.
Meines Erachtens handelt es sich gerade bei der Dateninterpretation zu Sars-CoV-2 um ein gesellschaftlich hochsensibles Thema, das man sehr vorsichtig und medizinisch-fachlich höchst präzise angehen sollte. Leider fehlt mir diese sensible Auseinandersetzung in dem genannten Artikel, auch wenn ich der fachlichen Interpretation und Empfehlung der beiden Autoren durchaus folgen kann. Aus meiner Sicht wäre eine öffentliche Einordnung der Veröffentlichung, insbesondere in den Social Media-Kanälen angebracht, auch wenn das Kind vermutlich nun leider „in den Brunnen gefallen“ ist.
PD Dr. med. vet. Katja Steiger, FTA Pathologie, TU München
Was ich an derzeitigen Folgen der Anti-Corona-Maßnahmen, täglichen Verlautbarungen ausgesuchter Spezialisten und nach der nächsten Wahl schielender Politiker sehe: Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger, teils hysterisches Verhalten, gesellschaftliche Spaltung, Ängste bis hin zu psychischen Problemen. Völlig überzeugt sind Bürgerinnen und Bürger von der Aerosol-Gefahr. Hätte man in den 1950er-Jahren (Tuberkulose, Grippe etc.) Maßnahmen heutiger Art angeordnet, hätte es mit Sicherheit kein sogenanntes Wirtschaftwunder gegeben.
Charlotte Baumann-Hendriks, Frankfurt am Main
Leserfragen:
Im Artikel von Gottschalk und Heudorf bleibt mir eines völlig unklar. Derzeit scheint es die überwiegende Ansicht von Virologen und Epidemiologen zu sein, dass Aerosole einen wichtigen Beitrag bei der Weiterverbreitung von Covid-19 haben. Das sehen die beiden Autoren offenbar völlig anders. Könnten die Autoren diese Frage beantworten?
Michael Krause, Königstein
Wie wirken Masken und was ist ihr empirisch nachweisbarer Effekt?
Florian Buchholz, Köln (Leserbrief siehe oben)
Mich würde interessieren, wie die Autoren den jüngst im Medizin-Journal „Krankenhaushygiene“ (Thieme-Verlag) erschienenen Artikel der Autorin Prof. Dr. med. Ines Kappstein bewerten. Dort heißt es bereits in der Überschrift: „Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit: Keine Hinweise für eine Wirksamkeit.“
Armin Heinzelmann, Weil am Rhein