Leider sind auch Ärztekammern nicht davor gefeit, dass sich Parteipolitiker ihrer Themen annehmen, um diese dann eigennützig im Interesse der eigenen Klientel zu verwerten. So geschehen, als die sogenannte Alternative für Deutschland im Bundestag einen Antrag stellte, in dem die Fraktion ein bundeseinheitliches Prüfverfahren forderte, um die Qualifikation ausländischer Ärztinnen und Ärzte aus Drittstaaten, also Staaten außerhalb der EU festzustellen. Zur Begründung verwies die AfD auf eine Entschließung des 121. Deutschen Ärztetags 2018, in der es hieß: „Die bisher durchgeführten Kenntnisprüfungen reichen nicht aus, zumal die dabei zutage tretenden Kenntnisse nicht selten im Gegensatz zur behaupteten Qualifikation stehen. Fälschungen von Zeugnissen und Urkunden sind nur schwer erkennbar und noch schwerer nachzuweisen.“ Leider hat die AfD nicht darauf hingewiesen, dass derselbe 121. Deutsche Ärztetag gleichzeitig diese Forderung aufstellte: „Will Deutschland ausländische Ärztinnen und Ärzte gewinnen und langfristig binden, muss endlich ein einheitliches, effizientes und transparentes Prüfsystem etabliert werden, das eine gute medizinische Versorgung durch ausländische Ärztinnen und Ärzte sicherstellt und ihnen mehr Rechtssicherheit bietet. Dies wäre zudem ein wichtiger Schritt in Richtung Willkommenskultur.“ Zudem wurde gefordert, zur Ab- legung der Kenntnisstandprüfung einen Termin innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von sechs Monaten einzuhalten.
Die Bundesärztekammer hat sich in ihrer diesbezüglichen schriftlichen Stellungnahme zu Recht deutlich „gegen die Instrumentalisierung des Ärzteparlaments für die vorgeblich das Patientenwohl anführenden Absichten der AfD-Fraktion“ gewandt. Denn der Deutsche Ärztetag meinte nicht die Staatsangehörigkeit der Bewerber, sondern das Land, in dem die Qualifikation erworben wurde. Würde die berechtigte Forderung des deutschen Ärzteparlaments umgesetzt, dann müssten sich auch deutsche Staatsangehörige mit einem Medizinstudium in einem Drittstaat zukünftig einer bundeseinheitlichen Prüfung analog dem Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung unterziehen.
Ohne unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen könnte die gesundheitliche Versorgung in Deutschland nicht sichergestellt werden! Wir brauchen aber nicht nur die genannte bundeseinheitliche Prüfung, sondern schlicht und ergreifend mehr Medizinstudienplätze in Deutschland. Die Folgen der Veränderungen in der Arbeitswelt von Ärztinnen und Ärzten – ausgelöst z. B. durch das Arbeitszeitgesetz oder den Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie – müssen in Deutschland bewältigt werden. Es ist schlicht unmoralisch, wenn sich ein wohlhabender Staat wie Deutschland auf Kosten anderer Länder schadlos hält und keine ausreichenden Ausbildungskapazitäten vorhält.
Um hier nicht missverstanden zu werden, danke ich an dieser Stelle explizit allen ausländischen Kolleginnen und Kollegen, die in unserem Bundesland ihre ärztliche Arbeit verrichten, und werde auch zukünftig neue Kolleginnen und Kollegen willkommen heißen.
Dass die Landesärztekammer Hessen glasklar gegen Rassismus ist, zeigt sich in der vor wenigen Wochen erfolgten Erweiterung der Aufgaben des bisherigen Menschenrechtsbeauftragten. Da Gewalt und Hetze auch nicht vor Arztpraxen oder Krankenhäusern Halt machen, hat das Präsidium der Landesärztekammer den Menschenrechtsbeauftragten der LÄKH zusätzlich als Rassismusbeauftragten berufen. Damit ist der Menschenrechts- und Rassismusbeauftragte der Landesärztekammer Hessen zugleich Ansprechpartner für rassistische und gewalttätige Vorfälle in Einrichtungen des Gesundheitswesens.
In dem der ärztlichen Berufsordnung vorangestellten ärztlichen Gelöbnis heißt es: „Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.“ Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen, tragischen Ereignisse ist dem nichts mehr hinzuzufügen.
Dr. med. Edgar Pinkowski Präsident